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Martin Wettstein, Text und Fotos

Stellen Sie sich vor, jemand aus dem Riethüsli (er/sie möchte anonym bleiben; wir nennen ihn/sie deshalb «Jemand»).
Also: Diesen Jemanden aus dem Riethüsli stören und empören schon lange die Plakate, die ungefähr zwi-schen der Hochwacht und der Bus Nr.5-Endstation die Strassenränder säumen, meist an den seitlichen Mauern. Sie stören ihn, ja machen ihn wütend (viel-leicht ist er der einzige in unserem Quartier), weil Werbung ja den Konsum anheizen soll, der bei uns ohnehin schon gigantisch ist.

Stellen Sie sich vor, jemand aus dem Riethüsli (er/sie möchte anonym bleiben; wir nennen ihn/sie deshalb «Jemand»).
Also: Diesen Jemanden aus dem Riethüsli stören und empören schon lange die Plakate, die ungefähr zwi-schen der Hochwacht und der Bus Nr.5-Endstation die Strassenränder säumen, meist an den seitlichen Mauern. Sie stören ihn, ja machen ihn wütend (viel-leicht ist er der einzige in unserem Quartier), weil Werbung ja den Konsum anheizen soll, der bei uns ohnehin schon gigantisch ist.

Dieser Jemand fragt sich zudem, wer diese Plakate, die parallel zur Strasse stehen/hängen, überhaupt beachten geschweige denn lesen soll, denn die Auto-fahrenden müssen sich ja ge-mäss Strassenverkehrsamt auf den Verkehr konzentrieren. Würde einer, der stadtabwärts fährt (50 km/h), dies für einen Moment nicht tun und z.B. durch den auf der linken Seite plakatierten Bibel-Spruch «Gott hilft» abgelenkt werden und ins Meditieren geraten, dann würde er vielleicht ins Hinterteil des Fahrzeugs vor ihm krachen … und dann müss-te Gott wirklich helfen.
Diese Überlegung bringt den Je-manden zum Nachdenken und
er beschliesst, gegen den Missstand der Werberekla-men rechts und links auf diesem Strassenabschnitt anzugehen. – Er findet im Internet ein «Merkblatt für Strassenreklamen» der Stadtpolizei St.Gallen, auf dem es u.a. wörtlich heisst: «Untersagt sind Strassen-reklamen, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen könnten». Ecco! Und im Strassenverkehrsgesetz des Bundes (Art. 6) findet er ein fast identisches Verbot. Was also tun? – Der Jemand denkt zunächst naiv, dass das städtische Amt «Stadtgrün» (Direktion «Planung und Bau») hier doch Abhilfe schaffen könn-te: die Plakate durch die Behörden entfernen lassen und die grauen Mauern mit hängenden Pflanzen (z.B. Efeu) verschönern. «Stadtgrün» hat ja auch im ge-nannten Abschnitt der Teufener Strasse zwischen Trottoir und Strasse einen wunderbaren Streifen mit Pflanzen und Bäumen kreiert!
Der Jemand ruft also die Amtsstelle «Stadtgrün» (früher Gartenbauamt) an und stellt seine Frage. Dort sagt man ihm: «Jaaa, da müssen Sie sich zuerst ans «Städtische Amt für Baubewilligungen» wen-den!» – Das tut der Jemand umgehend. Dort weist man ihn an die Stadtpolizei. Die verantwortliche Per-son dort weist ihn wieder zurück an das Amt für Bau-bewilligungen.
Jetzt bekommt der Jemand von einem Vorgesetzten dieses Amtes eine lange Mail-Antwort, die ihn freundlich, sorgfältig und mit grosser Klarheit auf-klärt. (Achtung: Jetzt wird’s ein bisschen trocken). Zusammengefasst: «Die APG (Allgemeine Plakatgesellschaft) ist seit Jahrzehnten Konzessi-onsnehmerin. – Die Plakat-standorte stehen fest und sind durch die Polizei geprüft. – Es kann nicht gegen einen geneh-migten Standort vorgegangen werden. – Die APG ist Eigentü-merin ( … ) der Plakatträger.» «Die Stadt erhält von der APG eine namhafte Entschädigung für die Erteilung der Konzessi-on. – Die Aufhebung einer Bau-genehmigung bzw. eines Plakat-standortes hätte eine Minderung der Erträge der Stadt zufolge. – Es «müssten ob-jektive Gründe den Weiterbe-stand einer Baubewilligung verunmöglichen. Dies ist bei den Standorten an der Teufener Strasse unseres Wissens nicht gegeben.» Und zum Schluss: «Die Stadt beabsichtigt nicht, die bewilligten Plakatierungsstandorte im Einzelnen zu hinterfragen.»
Tja, sagt sich der Jemand: So ist das halt im Urwald der korrekten Regelwerke! Alles ist geprüft. Irgendwo in die-sem Regelwald lugt Kafka hinter einem Baum hervor. Konsumverhalten kommt nicht vor. Luftverschmut-zung durch Werbemüll auch nicht. Und noch etwas: Die APG müsste sich überlegen, denkt der Jemand, ob sie weiterhin die Stadtfinanzen füttern soll für Plaka-te, die ohnehin kein Autofahrer anschauen kann oder darf, aus polizeilich verordneten Sicherheitsgründen. Das wäre eigentlich ein gewichtiges Argument gegen den Liebeggtunnel: möglichst häufig Stau auf der Teufener Strasse, damit die Fahrzeuglenkenden in aller Ruhe die Plakat-Botschaften lesen könnten. •