16.04.2023
Die Tempodiskussion nahm zeitweise bizarre Formen an
Wie sich die Wahrnehmung des Autoverkehrs in 100 Jahren veränderte.
Fredi Hächler
Das Riethüsli entstand im Laufe der Zeit entlang der 1806 erbauten Teufener Strasse. Die verkehrstechnisch günstige Lage brachte neben den vielen Wirtshäusern auch einen wirtschaftlichen Aufschwung. Welches Quartier hatte schon 1889 eine eigene Bahnhaltestelle?
Aber die Kantonsstrasse ins Appenzellische brachte nach der Jahrhundertwende auch den motorisierten Verkehr – und den Verkehrstod – ins Quartier. Von 1920 bis 2012 sind über ein Dutzend Verkehrstote zu beklagen. Die Ausfallstrasse nach Teufen lud geradezu zum «Rasen» ein. Seither ist eine Tempobegrenzung ein Dauerthema, das auch immer wieder polarisiert.
Im Jahre 1959 wurde schweizweit innerorts Tempo 60 km/h eingeführt, 1983 generell Tempo 50. Seither wird die Geschwindigkeit besonders bei Quartierstrassen immer öfter auf 30 km/h limitiert. In der Zukunft soll Tempo 30 in der ganzen Stadt eingeführt werden. Die Diskussion über Sinn oder Unsinn von Tempolimiten kann (wieder) beginnen.
Tempo 30 im Riethüsli
Werfen wir einen Blick auf die Entwicklung von über 100 Jahren motorisiertem Verkehr in unserem Quartier. War damals der steile Stutz hinauf ins Riethüsli einmal geschafft, liess man es vom Nestweiher hinunter bis zur Liebegg so richtig sausen. Fatal war nur, dass damals dieses Strassenstück ohne Trottoir gleichzeitig auch der beliebte und einzige grössere Spielplatz der Kinder im Quartier war!
Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Unfallzahlen erschreckend hoch. Lange Zeit nahm man sie als unvermeidlich hin, ein Tribut an die moderne, mobile Zeit. Eine spürbare Senkung der Unfälle brachte erst die Reduktion der Tempolimiten auf 60 km/h, dann auf 50. Doch die allgemeine Verkehrszunahme, der Lärm und die Luftverschmutzung riefen nach neuen Massnahmen.
1991 formierte sich eine IG Tempolimit Riethüsli/St.Georgen mit dem Ziel, auf unseren Quartierstrassen Tempo 30 einzuführen.
Aber noch war es nicht die Zeit für solche Massnahmen. Gravierende Verkehrsunfälle wurden seltener. 2015 war es dann so weit: Teilweise auf Initiative der Quartierbewohner und empfohlen vom Quartierverein – und trotz Stirnrunzeln des damaligen Präsidenten – wurde in die Watt und nach Oberhofstetten das Tempo auf 30 reduziert.
Viele sahen nun das eigentliche Problem im immer häufiger stockenden Verkehr auf der Teufener Strasse. Einiges wurde auf ‘unserer Hauptstrasse’ seither verbessert. Sie wurde über Jahre saniert und teilweise verbreitert. Pendler sind nicht zuletzt dank des attraktiven Bahnhofs auf die neue Appenzellerbahn umgestiegen.
Aber das Verkehrsaufkommen steigt stetig, die Staus werden länger und die geplante Dosieranlage bleibt ebenfalls in den Schubladen stecken. Also bringt ein Autotunnel die Lösung? Das wird dann vielleicht ein entsprechender Beitrag in der Quartierzeitung von 2045 erklären .
Schmunzeln beim ernsten Thema
Nach der ersten Tempolimite von 1959 auf 60 km/h konnten die Gemeinden und Quartiere zusätzliche Reduktionen z.B. auf Wohnstrassen beantragen. Am 7. Dezember 1960 wurden alle Beschränkungen aber schon wieder, siehe unten, aufgehoben. Zu unrealistisch waren diese ausgefallen: z.B. Temp 10 auf der St. Georgenstrasse! Bei uns betraf es die Obere Berneggstrasse (20 km/h), die Neststrasse (20 km/h) und die Solitüdenstrasse (15 km/h).
Magazin Riethüsli Dezember 2022 |
Autor/in: Nicola Zoller | 16.04.2023 | Keine Kommentare | Tools: