2.08.2023
«Eine Bettlerin von Gottes Gnaden»
Am 19. und 20. August feiert Hand für Afrika sein 20-Jahr-Jubiläum in Teufen.
Am 19. August feiert das Hilfswerk «Hand für Afrika» in Teufen sein 20-jähriges Bestehen. Gegründet wurde es vor 20 Jahren im Riethüsli, durch Agnes und Kurt Benz. Wir blicken mit der Gründungspräsidentin Agnes Benz zurück und voraus.
Interview: Erich Gmünder
Welche Frage wird dir am häufigsten gestellt?
Was machst du im Senegal? Was für Projekte habt ihr? Wie ist das Klima dort usw.
Ich beantworte diese Fragen sehr gerne und oft wird daraus auch ein längeres Gespräch. Sehr oft habe ich so schon Mitglieder für «Hand für Afrika» gewonnen und natürlich auch Pateneltern. Das ist jeweils eine besondere Freude für mich.
Wie alles begann – das hast du sicher schon hunderte Male erzählt.
Der Erstkontakt mit Pater Ambrosius an deiner Haustüre, als er sich als Priester vorstellte, und was sich daraus entwickelt hat. Der erste Kontakt an unserer Haustüre war herzlich und sympathisch. Beim anschliessenden Abendessen hat Am-brosius viel aus seinem Leben erzählt, von Senegal und seiner Arbeit mit den Armen. Das Gespräch hat uns tief bewegt und betroffen gemacht. In uns ist der Wunsch gewachsen, ihm ein wenig zu helfen. Als ich Ambrosius die Türe öffnete, da wusste ich nicht, was dieser Besuch für mich bedeuten würde. Ist man aber bereit, das Schicksal anzunehmen, daraus etwas zu machen, so kann das Schicksal auch ein Geschenk sein.
Und wenn man zum Voraus alles wüsste, hätte man vielleicht den Mut nicht, die Sache anzupacken. Die Erfahrung hat mir gezeigt, es gibt viel Schönes, man lernt viel, wird aber auch oft stark gefordert bei diesem Engagement.
Wenn du jemanden heute in zwei, drei Sätzen erklärst, was «Hand für Afrika» heute macht, wie würde das tönen?
Priorität hat die die Schulbildung. Es ist wichtig, dass alle Kinder die Möglichkeit haben, eine Schule zu besuchen. Armut und Geldmangel dürfen kein Hinderungsgrund sein. Bildung ist der Weg aus der Armut. Ohne Bildung kann sich der Mensch nicht entwickeln und auch das Land nicht: Es gibt keinen Fortschritt.
Ebenso wichtig ist die Hilfe zur Selbsthilfe, das bedeutet Unterstützung von Projekten, in denen die Menschen Arbeit und Einkommen finden und sich weiter entwickeln können. Unser Landwirtschaftsprojekt beispielsweise zeigt: Wenn die Menschen einen Erfolg sehen, schenkt ihnen das wieder neue Energie und sie werden erfolgreicher und selbstbewusster.
Ebenso wichtig ist die Gesundheit, deshalb unterstützen wir auch Projekte des Gesundheitswesens.
Wieviele Male bist du selbst schon vor Ort gewesen?
Ich führe keine Statistik über meine Reisen, aber ich bin bestimmt schon mehr als 40-mal in den Senegal gereist. Meistens für die Verteilung eines Containers voller Hilfsgüter oder für die Begleitung von Projekten. Das sind immer sehr berührende Begegnungen und Momente. Wir erfahren dabei viel Dankbarkeit, Wertschätzung und Liebe.
Was waren für dich die prägendsten Erlebnisse?
Es gibt viele tiefgreifende Erlebnisse. Wenn wir z. B. einem alten Menschen ein Bett bringen oder einer armen Familie Lebensmittel – das sind Momente mit Emotionen, die man nicht in Worte fassen kann. In einem kleinen Dorf «im Busch draussen» haben wir Leitungen gelegt, damit die Frauen nicht kilometerweit gehen müssen, um Wasser zu holen.
Nun haben sie Wasser im Dorf – was für uns eine Selbstverständlichkeit ist, ist für sie ein riesiger Schritt. Eine Frau sagte: Der Weg zum Wasser war sehr, sehr lang, nun ist nur noch Freude da. Und der Dorfchef ergänzte: Wasser für die Menschen herbeischaffen ist Gott verehren, alles, was auf der Welt wächst, ist vom Wasser, ist von Gott. In solchen Begegnungen mit einfachen Menschen erstaunt mich immer wieder ganz besonders ihr Glaube. Ja, ich habe viel gelernt von den Armen, bei ihnen zu sein ist ein Geschenk.
Gab es auch Rückschläge oder ist immer alles glatt gelaufen?
Wo Menschen zusammenarbeiten, gibt es auch Rückschläge, das ist ganz normal. Man macht Erfahrungen und darf daraus lernen. Die Schweiz und Senegal sind zwei ganz verschiedene Kulturen. Wenn etwas nicht gut läuft, muss man einander respektvoll begegnen, aufeinander zugehen und Gespräche führen, so findet man immer eine Lösung. Entwicklungshilfe passiert auf Augenhöhe. Nur wenn wir den Menschen, welche die Arbeit für unsere Projekte leisten, verständnisvoll und mit Achtung und Würde begegnen, können wir Vertrauen schaffen – so haben wir unsere Ziele auch immer erreicht.
Woher beziehst du die Kraft für dieses lange, intensive Engagement?
Im Matthäus Evangelium heisst es: «Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.» Wenn man das verstanden hat, weiss man, was man zu tun hat. Diese Arbeit hat meinen Glauben tiefer und stärker gemacht. Ja, ich darf sagen, ich bin Gott näher gekommen. Er schenkt mir die Gelassenheit, alles so anzunehmen, wie es ist. Diese Arbeit machte mich zu einer «Bettlerin von Gottes Gnaden». Muss ich ein Projekt vorstellen und Überzeugungsarbeit leisten, so weiss ich, dass ich das Mögliche tun muss. Das Unmögliche schafft Gott für uns. Er ist es, der die Herzen der Spender öffnet. Da durfte ich tatsächlich schon Wunder erfahren. Wir müssen nur glauben und vertrauen, das andere schafft er für uns.
Worauf legt HfA in Zukunft den Fokus?
Dass unsere Arbeit in der Bildung und Entwicklung des Menschen so weitergehen möge. Dass «Hand für Afrika» sich dort einsetzt, wo es verlangt wird: Die Schulbildung fördern, das Gesundheitssystem verbessern, wo es notwendig ist. Wenn wir zusammenhalten, können wir etwas bewegen, vereint gegen die Armut kämpfen und so ihre Lebensbedingungen verbessern.
Du bist dieses Jahr 75 geworden, dein Mann Kurt, Kassier des Vereins, ist 78. Wie lange könnt und wollt ihr das Vereinsschiff noch führen und wie sieht es bezüglich Nachfolge aus?
Gott sei Dank sind wir gesund und können im Moment noch arbeiten. Wir haben einen verjüngten Vorstand und mit Patrick Guidon einen sehr initiativen Vizepräsidenten. Ich mache mir deshalb keine grossen Sorgen, was die Zukunft anbelangt. Es gibt immer eine Lösung. Es muss auch nicht weitergehen wie bisher, unsere Nachfolge soll das «Vereinsschiff» in ihrem Sinne führen. Mein innigster Wunsch ist es, dass «Hand für Afrika» weiterhin bestehen kann. Ein starkes Engagement, Gerechtigkeit, die Solidarität mit den Schwachen und die Liebe zum Nächsten ist das, was unsere Welt heute braucht.
Am 19. und 20. August wird das 20-Jahr-Jubiläum in Teufen gefeiert. Was dürfen die Besucherinnen und Besucher erwarten?
Mit den Gästen aus Senegal – Bischof André Gueye, Abbé Ambroise, Abbé Pierre Aye Ndione, Direktor der Schulen, und Generalvikar Abbé Albert Sene – wird es bestimmt ein interessanter Abend werden. Und wie gewohnt werden die Anwesenden auch kulinarisch verwöhnt.
Am Sonntag, 20. August um 10.00 Uhr findet in der kath. Kirche in Teufen ein Dank- und Festgottesdienst mit Bischof Markus, Bischof André und den Gastpriestern statt. Anschliessend an den Gottesdienst wird ein einfaches senegalesisches Mittagessen serviert. Kommen Sie und feiern Sie mit uns, wir freuen uns auf Sie.
Beeindruckende Zahlen
Das Hilfswerk «Hand für Afrika» weist für die letzten 20 Jahre beeindruckende Zahlen aus. Insgesamt flossen 7,5 Mio Franken Spenden nach Sene-gal, der grösste Teil für den Bau von Schulen und Kindergärten, aber auch für Projekte im Gesundheitswesen und in der Landwirtschaft sowie für Trinkwasserversorgungen. Immer wieder konnte Nothilfe geleistet werden, mit der Verteilung von Hilfsgütern, Lebensmitteln und Saatgut. 32 grosse Container mit Hilfsgütern, insbesondere Schulmöbeln, wurden verschifft.
Der Verein zählt 425 Mitglieder sowie 706 Pateneltern; diese unterstützen aktuell rund 1000 Patenschaften von schulpflichtigen Kindern und er-möglichen ihnen so den Schulbesuch. 132 Patenkinder sind noch ohne Patin oder Pate.
HAND FÜR AFRIKA
Autor/in: Erich Gmünder | 2.08.2023 | Keine Kommentare | Tools: