22.

12.09.2021

«Er hat vieles unter einen Hut gebracht»

Hannes Kundert, der «ungekrönte König der autonomen Republik Riethüsli» tritt ab.

Nach 25-jähriger Amtszeit tritt an der Hauptversammlung vom 16. September Präsident Hannes Kundert von seinem Amt zurück. Jemand, der sein Engagement über viele Jahre begleitet hat, ist der ehemalige Hochwächtler und langjährige St. Galler Stadtrat Fredy Brunner. Eine Würdigung des scheidenden Präsidenten Hannes Kundert aus berufenem Mund.

Fredy Brunner, alt Stadtrat 

Das wichtige Amt des Quartiervereins-Präsidenten wurde mir erstmals vor mehr als sechzig Jahren vor Augen geführt. Damals während meiner Schulzeit führten unzählige Sonntagsspaziergänge der Familie Brunner von der Hochwacht «rond om dä Stock» (Menzlenwald) zum Aussichtspunkt auf der Solitüde. Dort inspizierte mein Vater, welcher über 20 Jahre Präsident des QV Bahnhof-Nest war, regelmässig das Alpstein-Panorama, dessen dicke Glasscheibe oft durch «böse Nachtbuben» mutwillig zerstört wurde. Als Entschädigung für meine oft widerwillige Teilnahme gab es dann im Restaurant Solitüde Süssmost, Nussgipfel und Schaukeln auf der legendären «Gireizi».

Die richtige Portion Ungeduld

Die Freuden und Leiden meiner Sonntagsspaziergänge wurden für mich nicht nur zum Sinnbild für das Amt des Quartiervereinspräsidenten, sondern gleichermassen auch für die 25-jährige Amtszeit von Hannes Kundert. Er verkörperte die ideale Mischung von Eigenschaften, welche für dieses Amt wohl notwendig und hilfreich sind. Er wuchs in einem glücklichen Elternhaus auf, an einem der schönsten Orte im Quartier, und wurde zusätzlich geprägt durch den CVJM und durch die Lager in La Punt. Er wohnt und arbeitet bis heute in seinem Elternhaus mitten im Quartier, er führt seinen eigenen Gewerbe-Betrieb, er ist politisch und sozial breit aufgestellt, er verfügt über ein breites Beziehungsnetz und kennt damit viele Sorgen und Nöte der Quartierbewohner.

Ein florierender Quartierverein, und der QV Riethüsli ist dafür ein gutes Beispiel, bedeutet eine schwierige Gratwanderung zwischen breit gelebter Solidarität und der Verfolgung rigider Einzelinteressen. Ganz viele dieser Widersprüche wurden in der Präsidialzeit von Hannes Kundert unter einen Hut gebracht. Im Namen der Stadt St.Gallen und des Quartiervereins Riethüsli danke ich Hannes Kundert ganz herzlich für diese grosse Leistung, seine Hingabe und sein Engagement.

Ein florierender Quartierverein bedeutet eine schwierige Gratwanderung zwischen breit gelebter Solidarität und der Verfolgung rigider Einzelinteressen. Fredy Brunner, alt Stadtrat SG

Natürlich braucht es für das Amt des Quartiervereinspräsidenten auch eine Portion Eigenwilligkeit und Ungeduld. Und mit diesen Eigenschaften ist auch Hannes Kundert reichlich ausgestattet, was einerseits eine Grundlage für viele Erfolge war, was aber auch für einige lustige Episoden sorgte, von denen ich einige aus meiner persönlichen Sicht nun zu beleuchten versuchen werde:

  • Persönlich erlebte ich als Fraktionspräsident der FDP im Stadtparlament schon 1997 den Drang nach Eigenständigkeit von Hannes, als er sich als neues Mitglied der Fraktion über meine Abstimmungsempfehlung derart aufregte, dass er verärgert über meine Weisung gleich wieder den Rücktritt erklären wollte.
  • Etwa zehn Jahre später war er sehr aufgebracht, weil sich verschiedene städtische Projekte mit Bezug auf das Riethüsli verzögerten oder nicht realisiert wurden, sodass er gleich die «autonome Republik Riethüsli» ausrufen wollte und mit Roland Breitenmoser, Lisa Etter, Franz Duss, Trudi Cozzio und sich selber auch schon den Rat der Republik zusammengestellt hat.
  • Viel Unverständnis – und das nicht ganz zu Unrecht – löste bei ihm die kleinliche Strafklage des Amtes für Umwelt und Energie gegen ihn aus, weil er mit dem wiederholten Verbrennen alter Paletten im Funken an der 1. Augustfeier gegen das Umweltgesetz verstossen haben soll. Mit seiner präsidialen Grösse führte er den Brauch des Funkens trotzdem weiter und verzichtete aber – wenn auch widerwillig – auf die Verbrennung von Palettenteilen.
Fredy Brunner, hier links im Bild, als damaliger Stadtrat am Tisch mit Hannes Kundert und einem Teil des Vorstands. Archivfoto: EG
  • Besonders eindrücklich war für mich aber, wie Hannes Kundert und der Quartierverein dem Tunnelprojekt der Appenzeller Bahnen begegneten. In einem vorbildlich geführten Prozess zwischen Quartierverein, Stadt, Bahn und Bundesamt für Verkehr wurde auf die Anliegen der Bevölkerung eingegangen und ein alternatives Projekt erarbeitet. Nur gerade ein Jahr, nachdem die Quartierbevölkerung das erste Tunnelprojekt wuchtig abgelehnt hatte, stimmte eine grosse Mehrheit dem heutigen Projekt zu. Für mich war dies ein Paradebeispiel von ehrlich gelebter Partizipation – massgebend von Hannes Kundert geprägt.
  • Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die Erfolge seiner Amtszeit bezüglich Kommunikation und Zusammenhalt im Quartier. Unter anderem tragen das Zusammenrücken des reformierten und des katholischen Kirchkreises in eine gemeinsame Kirche, die Realisierung des Nestpunktes oder das vorbildliche Quartiermagazin «Riethüsli» ganz viel zur guten Vernetzung und zum guten Quartiergeist bei.

Nicht alles erreicht

Ganz viele Projekte wurden während der Präsidialzeit von Hannes Kundert angestossen, angepackt oder umgesetzt. Aber zwei ganz wichtige Projekte, welche jetzt offenbar nach langer Durststrecke auf gutem Wege sind – der Neubau des Schulhauses und das Alterszentrum – werden erst unter neuer Führung eingeweiht werden können.

Zu einem aktiven Präsidenten eines Quartiervereins gehören aber auch Niederlagen oder, etwas schöner ausgedrückt, unerfüllte Träume. Davon musste Hannes Kundert mehr als die verhinderte «autonome Republik Riethüsli» verkraften. Darunter sind auch der Aussichtsturm auf der Solitüde, die Rettung des Restaurants Solitüde, die Ansiedlung mehrerer florierender Quartierläden oder «seine» Passerelle.

Ein Vorbild

Nun tritt das Vorbild eines authentischen, aktiven und sympathischen Quartiervereinspräsidenten ins Glied der Quartierbewohner zurück. Aber er wird bestimmt weiterhin hin- und hergerissen sein zwischen grosser Freude über realisierte Projekte und dem Ärger über gute Vorhaben, welche an klein-bürgerlichen Eigeninteressen scheitern. Dafür und für seine weitere Zukunft wünschen wir ihm alles Gute. Wir hoffen sehr, dass Hannes Kundert – auch nach seinem Rücktritt – die Tradition seines Sommerfestes weiterführen wird, und freuen uns sehr auf viele fröhliche Begegnungen mit Hannes, dem ungekrönten König der «autonomen Republik Riethüsli».

Aus dem Album des abtretenden Präsidenten

Mehr zum Thema

Kommentieren

Die Angaben "E-Mail-Adresse", "Adresse" und "PLZ/Ort" werden nicht veröffentlicht, sondern dienen zur eindeutigen Identifizierung der Urheberschaft. Bitte alle Felder ausfüllen.