24.12.2021
«Glingeling» – das Christkind ist da 🎄 🎄 🎄
So feierte die Grosselterngeneration - Weihnachten um 1955.
Heiligabend anno 1955
Blanca Eisenring
Wir 5 Schwestern sitzen im warmen Esszimmer und warten und warten. Draussen ist es dunkel und kalt. Alle Türchen am Adventskalender sind geöffnet. Das letzte zeigt ein Bild mit Krippe, Jesuskind, Maria und Josef. Heute Abend soll das Christkind kommen.
Es läutet. Nein, das tönt nicht nach Weihnachtsglöcklein, das ist nur das Telefon. Hoffentlich ist niemand am Apparat, der seine Verspätung zum Fest ankündet. Wir erwarten nämlich noch Gäste. Finden sie den Weg durch den vielen Schnee in der Gegend?
Gebannt blicken wir Mädchen weiter auf die geschlossene Türe und spitzen die Ohren. Den hellen Klang des Glöckleins wollen wir nicht verpassen. «Komm, wir wiederholen unsere Weihnachtsgedichte.»
Da, was hören wir? Dieses «glingeling» kann nur das Glöcklein des Christkinds sein. Trägt es den geschmückten Baum die Treppe hoch direkt in die schöne Stube? Schon eilt die Mutter herbei und ruft freudig: «Das Christkind ist da.»
Wir stürmen zur Tür, rennen durch die Küche in den Gang und staunen in die Stube hinein.
«OOOO, wie schön! So viele leuchtende Kerzen!» Wo ist der Gabentisch? Wo sind die Geschenke? Nur Stühle und zwei Bänke stehen vor dem Baum. Die Eltern, die grossen Brüder und einige Gäste nehmen Platz. Wir Mädchen scharen uns um das Klavier und singen das «Stille Nacht». Auf dieses folgen unsere Gedichte und viele, viele Weihnachtslieder, stets begleitet von Klavier und Geige. Dazwischen liest die Mutter oder der Vater die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel. Wir bewundern die Krippe mit der Heiligen Familie, den vielen Hirten und Tieren darum herum.
Bald werden wir Mädchen unruhig. «Mama, Mama, wann dürfen wir endlich die Geschenke sehen und auspacken.?» Wo sind sie überhaupt? Kein einziges liegt unter dem Christbaum.
Endlich werden Stühle und Bänke in den Gang gestellt. Mutter und Vater gehen ins Nebenzimmer und tragen den mit Geschenken beladenen Tisch in die Stube. Für jede und jeden hat es ein Häufchen, schön geordnet. Welches gehört mir? Mutter zeigt und erklärt der Reihe nach. Für uns 5 Mädchen liegt zuoberst eine neue bunte Schürze. So wie jedes Jahr! !
Auf meinem Häufchen liegen auch eine Mütze und ein Pullover, Kleidungsstücke, die ich ohnehin schon lange gebraucht hätte. Die schiebe ich schnell zur Seite. Ich stöbere nach den echten Geschenken. Ich weiss, das Christkind hat meinen Wunschzettel gelesen, den ich ihm anfangs Dezember vors Fenster gelegt habe, denn es schenkte mir dafür ein Schokolädli. Schliesslich entdecke ich das Puzzle und das neue Buch. Die bestaune ich.
Ganz aufgeregt zeigen wir Schwestern uns gegenseitig die Geschenke. Wir bewundern die neuen Sachen und schreien durcheinander. Sofort wollen wir zu spielen beginnen.
Die Mutter ruft: «Kinder, jetzt gibt’s Dessert und dann ist es Zeit für den Kirchgang.»
Den Mitternachtsgottesdienst wollen wir auf keinen Fall verpassen. Dort kann ich die bunte Mütze oder die neuen Handschuhe vorführen.
Zu schnell ist dieser schönste Tag des Jahres vorbei.
*Blanca ist mit 17 Geschwistern in Andwil SG aufgewachsen.
Zauberhaftes «Chrischchindli»
Monika Rimle, 1939-2023
Vom nirgendwo, da komm ich her, gemeint ist das «Chrischchindli». Es hatte nichts mit dem Kind in der Krippe zu tun, sondern war eine Mischung zwischen Engel und Fee, mit weissem Kleidchen und freundlichem Gesicht.
Es holte die Wunschzettel von den Fenstersimsen und brachte heimlich die Geschenke.
Eben dieses «Chrischchindli» habe ich als Kind beim Fenster vorbeifliegen gesehen.
Nichts und niemand konnte mich dieses Erlebnisses berauben.
O, du herrliche Kinderzeit.
Weihnachten am Waldrand
Rosmarie Gmür*
Unsere Familie lebte «nebetossä», auf einem kleinen Bauernhof im Toggenburg. Ich denke jedes Jahr gerne zurück, an die schönste Zeit des Jahres.
Viel Geheimnisvolles lag in der Luft. Das begann mit dem feinen Duft aus der Küche, meistens am 8. Dezember, da war nämlich Guetzlitag. Wir fünf Kinder standen rund um den Küchentisch, jedes hatte sein Lieblingsförmli, ich den Vogel mit dem dreiteiligen Schwanz. Gebacken wurde im Holzofen, da konnte es schon passieren, dass ein Blech voll «Schwarze» heraus kam, aber diese wurden geliebt von Onkel Karl, den wir alle Götti nannten. Die letzten Tage vor Weihnachten war Putzen angesagt, jedes hatte ein Ämtli.
Den 24. Dezember konnten wir kaum erwarten. Am Nachmittag mussten wir ins Bett, alle fünf durften ins Elternzimmer. Wir verbrachten die Zeit mit Geschichten und Silvabüchern, die waren voll interessanter Bilder: von Natur, anderen Ländern, Tieren, Autos usw. Trotzdem wollte die Zeit nicht vergehen, unsere Ohren waren immer gespitzt. Die Mutter war beschäftigt in der Stube und bei der Vorbereitung des Kartoffelsalates, der Vater besorgte den Stall und molk die Kühe.
Etwa um halb sieben Uhr läutete das feine Glöcklein. Alle sprangen aus dem Bett, jedes wollte zuerst in der Stube sein. Der grosse Christbaum stand in der Ecke, in vollem Glanz mit brennenden Kerzen und glitzernden Kugeln. Wir Kinder standen still davor und staunten mit leuchtenden Augen. Unten, in der kleinen Krippe betrachteten Maria und Josef das Christkind auf dem Stroh, die Hirten und Schafe hatten sich auch schon versammelt.
Nun stimmten die Eltern das «Stille Nacht» und weitere Weihnachtslieder an, wir sangen mit. Ob dem Christkind dieser Chor gefallen hat? – Endlich wurde die Decke vom Tisch genommen und wir staunten über die schönen Päckli, die darunter lagen. Wir durften eines nach dem andern öffnen, so konnten wir auch an der Freude der andern teilnehmen. Ein Familienspiel, Farbstifte, kleine Spielsachen, vor allem aber Kleider oder Schuhe – alles für das kommende Jahr Notwendige – schön verpackt!
Als wir grösser wurden, änderte sich auch das Feiern von Weihnachten. Wir waren überrascht, der Christbaum war Sache unseres Vaters! Er war es ja auch, der die Tanne im Wald sorgfältig aussuchte und auch schmückte. Bei der Mutter waren das Essen und «Päcklä» in guten Händen. Der Mitternachtsgottesdienst gehörte selbstverständlich zum Weihnachtsfest! Für den langen Fussmarsch zur Kirche in die Christmette und den Heimweg brauchten wir knapp drei Stunden. Dafür hatten wir die Erlaubnis, nicht gleich ins Bett zu gehen, wir durften noch spielen und es wartete noch ein Dessert.
*Rosmarie Gmür, 75, war erste Mesmerin und Pfarreisekretärin der kath. Pfarrei Riethüsli und wuchs mit vier Geschwistern auf einem abgelegenenen Bauernhof in Gähwil im Toggenburg auf.
Autor/in: riethuesli.com | 24.12.2021 | Keine Kommentare | Tools: