22.02.2022
Was uns die Bohrkerne verraten
Im Riethüsli wird gebohrt - es geht um den geplanten Anschlusstunnel Liebegg-Güterbahnhof.
Erich Gmünder, Text und Fotos
Seit vier Wochen ist im Quartier ein kleiner mobiler Bohrturm unterwegs. Es handelt sich nicht um Bohrungen für private Solewasserwärmepumpen für die Heizung, sondern der Untergrund der geplanten Tunnelverbindung von der Liebegg in den Güterbahnhof wird untersucht.
Aufgrund der Ergebnisse kann der optimale Verlauf des Tunnels bestimmt werden. Die Bohrungen geben interessante Einblicke in die Erdgeschichte.
Bedient wird der Bohrturm der Firma Fretus von den Brüdern Rolf und Daniel Amrein aus Wattwil. Bei jedem Wetter sind sie täglich am Bohrturm und lagern die 1 Meter langen und 12,8 Zentimeter dicken Bohrkerne in Kisten.
Zuerst wird normales Erdmaterial und Kies oder Sand heraufgeholt, dann folgt Fels, wo der Bohrer entsprechend langsam vorwärts kommt. Mergel, Sandstein und Nagelfluh wechseln sich hier ab. Die 12,8 Zentimeter dicken Bohrkerne werden in Kisten gelagert, die mit Metermassen versehen sind. Dadurch lässt sich die zentimetergenaue Schichtung bestimmen. Die tiefste Bohrung mit 100 Metern Tiefe erfolgte im Hafnerwald, danach wurde an der Guggerstrasse rund 80 Meter tief gebohrt.
Die Bohrproben in den Kisten werden vom Geologen genau analysiert. Das lockere Material kann danach in einer Mulde entsorgt werden.
Felix Sager ist Geologe beim Geologiebüro Grundbauberatung AG. Wir konnten ihn beim Analysieren der Bohrproben begleiten. Er prüft das Material zuerst visuell. Rein optisch ist bei den meisten Bohrkernen gleich ersichtlich, um was für Material es sich handelt. Im oberen Bereich handelt es sich um teilweise lehmiges Material, das mit Steinen durchsetzt ist. Erdgeschichtlich ist das die jüngste Schicht. Es sind über 10’000 Jahre alte Gletscherablagerungen der letzten Eiszeit, sogenannte Moränen. Die Gesteinsproben von Nagelfluh und Sandstein kommen in das unterirdische Felslabor im Hagerbachstollen in Flums, wo sie auf ihre Festigkeit geprüft werden. Mit sogenannten feldmechanischen Versuchen werden diese Proben auf Druck- und Zugfestigkeit im Hinblick auf den Tunnelbau getestet.
Diese Gesteinsschichten sind für den Tunnelbau besonders interessant, weil sie eine hohe Stabilität bieten. Damit kann berechnet werden, wie stark die Tunnelwand sein muss und welches Vortriebsverfahren sich eignet. Lehm- und Sandsteinschichten sind aufwendiger, weil der Tunnelvortrieb dort mit Beton stärker abgesichert werden muss.
Bereits vor zwei Jahren war die gleiche Equipe im Quartier unterwegs, beispielsweise im Gebiet um das Schulhaus und die Kirche. Letztes Jahr wurden die Ergebnisse mit seismischen Methoden validiert. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde die Achse, sprich der geplante Verlauf des Tunnels nochmals etwas verschoben, er ist weiter Richtung Westen gerückt, weshalb nun nochmals an vier weiteren Standorten sondiert werden muss.
Im Riethüsli gibt es eine besondere Herausforderung zu bewältigen: Hier befindet sich eine sogenannte Felsdepression, die bis 45 Meter hinunter reicht. In der Sprache des Geologen eine Art Canyon, der gefüllt ist mit Lockergestein. „Dem Fjord versuchen wir jetzt auszuweichen, indem wir mit der Tunnelachse weiter nach Westen gehen. Darum wird auch an der Guggerstrasse gebohrt.“
Der Tunnel wird sonst nur ganz knapp unter diesem Lockergestein durchführen. Ziel ist jedoch, dass der Tunnel noch mit mindestens 10 – 20 Meter Fels überdeckt ist. Im Fels ist die Stützung während dem Tunnelvortrieb besser, was den Bau vereinfacht.
Neben den vier Bohrungen für den Tunnel braucht es noch zwei weitere Bohrungen für das geplante Anschlussbauwerk in der Liebegg sowie für die Brücke, die über das Wattbachtobel zum Tunneleingang führen wird.
Autor/in: Erich Gmünder | 22.02.2022 | Keine Kommentare | Tools: