4.01.2021
Die Stadt hat ihre Hausaufgaben gemacht
Mit Beginn des Schuljahres wurde die Tagesbetreuung im Riethüsli massiv ausgebaut. Dies nachdem der private Kinderhort im Pavillon geschlossen wurde.
Text und Fotos: Claudia Jakob
Die Stadt hat ihr Versprechen wahr gemacht und bietet nun am Mittagstisch (inklusive Morgenbetreuung) sowie in der Nachmittagsbetreuung im Pavillon und an der Oberstrasse ein umfangreiches, familienergänzendes Angebot an. Zeit für eine erste Zwischenbilanz.
Wie alles begann
Wir erinnern uns: Am 21. Mai 2019 versammelten sich Eltern und Kinder aus dem Riethüsli auf der Tribüne des Waaghauses. An dieser Stadtparlamentssitzung sollten die Unterschriften für den Ausbau der Tagesstruktur in unserem Quartier übergeben werden, flankiert von einem Vorstoss aus der Ratsmitte.
Voller Hoffnung folgten die Anwesenden den Argumenten der Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Eines wurde aber allen an diesem Nachmittag klar: So schnell würde es keine umfassende Lösung im Quartier Riethüsli geben. Anforderungen an die Räume, der geplante Bau des Schulhauses sowie die hohen Kosten verunmöglichten eine baldige Lösung.
Kaum ein Jahr später, im April 2020 stimmte das Stadtparlament der Übergangslösung für das Riethüsli zu. Die Vorlage beinhaltete einen erheblichen Ausbau der städtischen Tagesbetreuung bis zum Bezug des Schulhausneubaus, wo die bedarfsgerechte Tagesbetreuung fester Bestandteil sein wird.
Nach der Veröffentlichung dieser Vorlage beschwerten sich viele Eltern: Die Kinder sollten aus ihrem Quartier gerissen und in ein anderes gefahren werden, um Kosten zu sparen? Die Eltern müssten ihre Kinder an der Oberstrasse abholen, der Alltag sollte komplizierter werden und: Erst am 3. Juli sollten sie erfahren, ob ihr Kind überhaupt einen Platz bekommt? Die Stimmung am Informationsabend war dementsprechend verhalten, die Eltern begegneten dem Angebot mit Skepsis.
Doch wie sieht die Situation heute aus? Seit August dieses Jahres werden die Kinder im obigen Modell betreut. Wie viele beanspruchen das Angebot? Wie sehen die Rückmeldungen aus? Werden die Kapazitäten ausgeschöpft?
Der Mittagstisch an der
Teufener Strasse
Diana Jacobs ist Leiterin der Übergangslösung Riethüsli. Ich treffe sie am Standort des Mittagstisches an der Teufener Strasse 148. Sofort fällt mir auf, wie strukturiert die Räume der ehemaligen Wohnungen genutzt werden. Die Leiterin und ihr Team versuchen den Bedürfnissen der verschiedenen Kindesalter mit unterschiedlichen Angeboten gerecht zu werden. So besuchen Kinder vom 1. Kindergartenalter bis zur 6. Klasse die Betreuungsangebote im Riethüsli.
Die Kinder sitzen in unterschiedlichen Räumen mit ihren Gschpänli, darauf achtet Diana Jacobs. «Wir wollen ja auch mit unseren Freunden zu Mittag essen.» Entsprechend gestaltet sie den Sitzplan für die Kinder. Die jüngeren nehmen das Mittagessen in einem anderen Raum zu sich, so können die älteren Kids untereinander sein. Aber auch die Jüngeren schätzen den Austausch mit den Gleichaltrigen.
Jedes Kind ist einer Betreuungsperson zugeteilt, welche, wenn alles normal läuft, immer die gleiche ist. So wird Kontinuität und Vertrauen ermöglicht, Dinge, die wichtig sind für Kinder.
Nach dem Mittagessen dürfen die Kinder von den unterschiedlichen Angeboten im Haus und ausserhalb profitieren. So gibt es ein Lesezimmer, einen Malraum, ein Spielzimmer und ebenfalls einen Raum mit einem Töggelikasten.
Aber die Kinder können auch nach draussen gehen, sie spielen gerne Fussball oder tummeln sich auf dem Spielplatz beim Schulhaus. Doch das ist noch nicht alles: Die Tagesstruktur Riethüsli darf ebenso die Turnhalle beanspruchen, so können sich die Kinder unter Anleitung der Betreuungspersonen in diesem Raum austoben und miteinander spielen.
Während wir uns unterhalten, wird in der Küche das Essen zubereitet. Die Köchin hält sich dabei an die Regeln von «fourchette verte», ein Qualitäts- und Gesundheitslabel für Restaurationsbetriebe, die ausgewogene Mahlzeiten nach der Schweizer Lebensmittelpyramide anbieten (four-chetteverte.ch). «Wir achten auf abwechslungsreiche Menüs, welche wir gesammelt einmal im Jahr einsenden und überprüfen lassen, damit wir das Label behalten dürfen», erklärt Diana Jacobs.
«Die Tagesstruktur ist ein familienergänzendes Betreuungsangebot, welches da ist, wenn die Eltern gerade nicht da sind», erklärt Jacobs.
So werden am Morgen beim Frühstück die Tagespläne besprochen, am Mittag erzählen die Kinder vom Erlebten und manchmal berichten sie auch von Privatem; in wen sie gerade verliebt sind zum Beispiel, wen sie mögen oder was sie im Moment beschäftigt. «Wir sind nicht nur Betreuungs-, sondern auch Vertrauenspersonen für die Kinder.»
Kapazitäten bei weitem
nicht ausgeschöpft
Natürlich möchte ich erfahren, wie heute die Auslastung der Übergangslösung ist. War doch im Frühling 2019 die Rede von etwa 100 Kindern, welche vom Angebot profitieren wollten. Die aktuelle Nutzung liegt weit darunter, das lässt sich aus der Tabelle 2 herauslesen.
Wo sind aber die 100 Kinder, von denen ursprünglich die Rede war? Warum melden die Eltern sie nicht für das Angebot der Stadt an? «Die Eltern sind zurzeit durch die aktuelle Situation vermehrt zu Hause», erklärt Diana Jacobs. «Andere wollen vielleicht das neue Betreuungsangebot beobachten und erste Rückmeldungen abwarten, bevor sie ihr Kind anmelden.»
Nachmittagsbetreuung
Klar ist: Nach dem Aufschrei im Frühjahr 2019 hätte man höhere Anmeldezahlen erwartet. Die Stadt hat ihre Hausaufgaben gemacht und ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot auf die Beine gestellt, welches keine Wünsche offenlässt. So wird am Donnerstagnachmittag ein Kind, welches an der Oberstrasse die Nachmittagsbetreuung geniesst, von Diana Jacobs abgeholt, damit es um 15.45 Uhr im Riethüsli am Kidsfit teilnehmen kann. «Für die Kinder ist es ganz normal, mit dem Bus zur Oberstrasse zu fahren. Sie geniessen es und freuen sich sogar darauf. Es ist ihr Alltag, nichts Spezielles», erklärt die Leiterin.
Die Kinder haben sich mit dem neuen Betreuungsangebot der Stadt arrangiert, von den Eltern im Riethüsli erhält die Tagesbetreuung positives Feedback. Die Kinder zeigen sich flexibel, anpassungsfähig und offen für Neues. Wäre doch schön, wenn auch wir etwas von dieser kindlichen Unvoreingenommenheit übernehmen könnten…
Magazin Riethüsli Dezember 2020
Autor/in: Claudia Jakob | 4.01.2021 | Keine Kommentare | Tools: