11.10.2020
Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehn
Den Menzlenwald erleben.
Dieser Titel passt nicht so recht. Im Grunde genommen müsste er lauten: «Vor lauter Wald die Bäume nicht sehen». Denn es geht eben im neuen «Walderlebnis Menzlen» zu einem schönen Teil um einzelne Bäume.
Martin Wettstein
Bei diesen Bäumen geht es um ihre Jugend, ihr Wachsen und Sterben, ihre Wurzeln, ihre Krankheiten, ihre Bodenständigkeit, ihre Blätter, Nadeln, ihre Rinde, ihre Nachbarn, ihre Nutzniesser, ihre Konkurrenten … (kommt uns zum Teil irgendwie bekannt vor, oder nicht?)
Die Ortsbürgergemeinde St.Gallen (ihr gehört der Menzlenwald) hat vor einiger Zeit Urban Hettich, ihrem Leiter der Abteilung Forst und Liegenschaften, und seinen mitarbeitenden Förstern den Auftrag gegeben, den bestehenden, viel benützten Menzlen-Rundweg und Aufstieg zu einem Erlebnis für Jung und Alt zu gestalten, zu einer Art Pilgerweg mit vielen Stationen, die gedacht sind für Interessierte, für Schulklassen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern, für den Waldkindergarten, für Eltern mit ihren Kindern, für Jugendliche (die zum Beispiel wie Urban Hettich an der ETH Zürich Forstwissenschaften studieren wollen und nicht VWL an unserer heimeligen HSG).
In ungeordneter Abfolge hier einzelne Themen und Fragen an den Stationen.
· Welche Art von Böden ziehen die Bäume vor?
· Wie lässt sich das Alter von Bäumen bestimmen?
· Wie alt sind die ganz alten Bäume auf diesem Weg? Älter als unsere Ur-Ur-Grosseltern?
· Was unterscheidet die Jahrringe von Buchen und Eiben gleichen Alters?
· Warum müssen die jungen Eiben vor den Rehen geschützt werden?
· Mit welchen Tricks setzen die Borkenkäfer (insbesondere die sog. Buchdrucker) den Baumstämmen zu?
· In welche Richtung fällt ein Baum, den die Förster über dem Wurzelstock bereits angesägt haben?
· Warum lassen die Förster heute umgestürzte Bäume oder abgebrochene Äste (sog. «Totholz») einfach liegen?
· Welche Tiere bevölkern hauptsächlich unseren hiesigen Wald? Wovon ernähren sie sich?
· Wie verbringen die Eichhörnchen den Winter auf den Bäumen?
· Was suchen grosse, tellerförmige Pilze an gesunden Baumstämmen? Wie heissen diese Pilze?
· Wie sieht eine «Douglasie» aus?
· Warum wächst ein einzelnes Rottännlein inmitten einer gleichaltrigen Schar seiner Art plötzlich zweimal so schnell?
· Welche Kontakte pflegen die Bäume untereinander über ihre Wurzeln?
(Das versucht übrigens Peter Wohlleben in seinem Bestseller «Das geheime Leben der Bäume» zu ergründen)
Solche Fragen tönen alle ziemlich trocken. Sie sind aber, dem Walderlebnis-Weg entlang, in einer sehr ansprechenden und interessanten, zugänglichen Form gestellt (in wunderschöner Grafik auf goldfarbenen Tafeln). Oft sind sie in einem Experiment lösbar. Oft erscheinen sie als Rätsel, deren Lösung hinter einem beweglichen Deckelchen steht.
(Das erinnert dann ein bisschen an Fensterchen auf einem Adventskalender).
Natürlich kann dieser Pilgerweg nicht alle Fragen ansprechen, die auch noch gestellt werden könnten. Zum Beispiel:
Was bewirken auf die Länge schneearme, trockene Winter im Wald? Wie reagieren einzelne Baumsorten darauf? – Warum tragen gewaltige Stürme so nette Namen wie «Lothar» oder «Burglind»? – Kann man Baumarten zweifelsfrei an ihrer Rinde erkennen? – Warum sind beim Weg-Durchbruch (zwischen den beiden sogenannten Müschelifelsen) die Erdschichten zwar benannt und angeschrieben; aber warum stehen sie so schief?
Frage zum Schluss: Warum sind die Namen unserer hiesigen Bäume eigentlich fast ausschliesslich weiblich? Die Eiche die Tanne die Esche die Eibe die Buche die Föhre die Birke die Linde die Douglasie die Erle die Lärche und so weiter und so fort. – Wissen Sie’s? Ich weiss es auch nicht.
Aber jetzt ist Schluss mit fragen. Jetzt wird nur noch Waldluft eingeatmet, auf dem Walderlebnis-Weg Menzlen.
Autor/in: Martin Wettstein | 11.10.2020 | Keine Kommentare | Tools: