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30.05.2020

Licht am Ende des Tunnels… ?

Das Altersprojekt an der Demutstrasse.

Das von der Stadt in erster Instanz bewilligte Bauprojekt mit dem zusätzlichen Geschoss ist 60 Zentimeter höher und bietet neu Platz für 40 statt 27 Wohnungen. Visualisierung: zVg. 

… oder Fortsetzung der unendlichen Geschichte? Nach einer erneuten Einsprache geht das Warten weiter. Michael Töpfer sprach mit dem Einsprecher und einem Bewohner, der sich nichts sehnlicher wünscht, als im Quartier bleiben zu dürfen.

Michael Töpfer (Riethüsli Magazin Mai 2020)

Franz Schneider ist kein Mann grosser Worte. Er ist inzwischen 87 Jahre alt und wohnt seit 50 Jahren im Quartier in der Oberhofstettenstrasse. Als pensionierter Briefträger ist er auch heute noch viel als Spaziergänger unterwegs – ein Bewegungsmensch. Nicht selten trifft man ihn mit einer Tüte in der Hand. Darin sammelt er den Abfall auf, den andere achtlos weggeworfen haben, was für eine sehr soziale Haltung spricht.

Franz Schneider ist unsere schöne Umgebung wichtig. Ausserdem war er passionierter Gärtner, hatte einen eigenen Garten und war anderen beim Gärtnern behilflich. Seit dem Tod seiner Frau 2018 wohnt er alleine in einem Haus mit 6 Zimmern, was ihm zu viel ist, zu gross, zu aufwendig. Zudem findet er, in ein solches Haus gehöre eine Familie mit Kindern.

Franz Schneider war von Beginn an sehr interessiert an dem bereits 2013 aufgegleisten Alterswohnprojekt im Quartier. Er möchte das Riethüsli, dessen Quartierverein er einst präsidierte, nicht verlassen, er ist hier verwurzelt. Inzwischen zweifelt er, ob er dessen Fertigstellung noch erleben wird. Früh hatte er bereits Kontakt aufgenommen mit anderen Interessentinnen und Interessenten. Es waren nicht wenige. Von diesen mussten bereits einige zwangsweise das Quartier verlassen, weil es zuhause nicht mehr ging, einige sind inzwischen schon verstorben.

Die persönliche Geschichte von Franz Schneider zeigt exemplarisch, dass ein Bedarf für Alterswohnungen mit Betreuungsangebot im Quartier besteht. Im Übrigen spricht ja auch die Demographie für die zunehmende Nachfrage nach derartigen Projekten.

Warum also steht der Bau nicht schon längst?

Es gibt anhaltende Differenzen mit einem Anstösser, Hansjürg Albrecht. Dieser ist, wenn ich ihn recht verstanden habe, der Meinung, dass das ganze Projekt der Christlichen Wohnbaugenossenschaft (CWG) bereits einen Geburtsfehler hat: Die Umzonung von einer «Grünzone» zu einer «Zone für öffentliche Bauten und Anlagen» erfolgte 2013 nach seiner Meinung zu Unrecht unter der Annahme bzw. der nicht eingehaltenen Ankündigung, dass ein Spitexstützpunkt mit erheblichem Flächenbedarf integriert werden sollte. Von den damals geplanten 19 Parkplätzen für die Spitex sind im aktuellen Projekt noch 3 übriggeblieben, der Raumbedarf schrumpfte von mehr als 450 qm auf 74 qm.

Aus der ursprünglichen Annahme resultierte auch die Notwendigkeit eines einzigen Baukörpers, eine Lösung mit 3 Einzelgebäuden wurde als unvereinbar mit dem damaligen Betriebskonzept der Spitex bezeichnet. Allerdings gibt es ein Verwaltungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2016, nach welchem die Umzonung auch ohne jegliche Spitexbeteiligung rechtens wäre, da unbestritten ein Bedarf für altersgerechte Wohnungen besteht.

Stadt: Grünes Licht für Korrekturgesuch mit viertem Stockwerk

Inzwischen ist ein Korrekturgesuch von der CWG eingegangen und am 24.1.2020 vom Amt für Baubewilligungen genehmigt worden. Dieses sieht jetzt vier Stockwerke vor statt ursprünglich drei, und 40 Wohnungen statt 27. Die Erhöhung der Anzahl an Wohnungen ist möglich wegen des zusätzlichen Stockwerks und mehr kleinen 1½-Zimmer-Einheiten bei gleichzeitiger Verkleinerung der grösseren Wohnungen. Ziel ist auch, den Mietzins möglichst günstig gestalten zu können.

Durch Wegfall der Dachterrasse und eines Attikaaufbaus erhöht sich das Gebäude in dem neuen Plan lediglich um 60 cm, die Länge reduziert sich gar um 1 m.

… und wieder Rekurs

Gegen diese Planänderung resp. Bewilligung hat der Einsprecher erneut Rekurs eingelegt mit der Begründung, sie verstosse gegen «Treu und Glauben», denn das Projekt weiche zu sehr vom ursprünglich geplanten ab. Er äussert auch den Verdacht, dass womöglich die Spitex jetzt gar nicht mehr eingeplant ist, was aus der Einteilung der Kellerräume (!) geschlossen werden könne.

Das Misstrauen ist also gross. Hj. Albrecht ist insgesamt der Meinung, dass sowohl die Genehmigungsbehörde nicht korrekt gearbeitet und entschieden habe – er spricht hier von Sankt Galler «Filz» – , als auch von Seiten der Christlichen Wohnbaugenossenschaft mehrfach betrügerisch vorgegangen worden sei. Er wünsche diesbezüglich «Transparenz», was ja nichts anderes bedeuten kann, als dass die beteiligten Institutionen öffentlich ihr aus seiner Sicht erhebliches und wiederholtes Fehlverhalten zugeben müssten.

Die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, ist mehr als gering, worüber ich mich mit Herrn Albrecht telefonisch ausgetauscht habe. Hinzu kommt: Sich in juristischen Auseinandersetzungen auf «Treu und Glauben» zu berufen, ist zwar möglich, aber doch etwas schwammig. Besser und erfolgversprechender wäre eine präzise Rechtsvorschrift, gegen die ein Verstoss geltend gemacht wird.

Insofern sind die Aussichten des Rekurses vermutlich gering. Was aber erreicht wird, ist eine erneute Verzögerung des Projektes. Und jetzt sind wir wieder bei Franz Schneider, der dankbar wäre, wenn das Kriegsbeil endlich begraben würde, der Bau rasch fertiggestellt wird und er noch ein paar Jahre seines Lebens hier im Quartier verbringen könnte – mit bedarfsweiser Unterstützung durch die Spitex, die ja nach wie vor vorgesehen ist.

Ein Trost für Hansjörg Albrecht ist vielleicht, dass ihm der Anblick des verhassten Gebäudes erspart bleiben wird, da er das Quartier, wo er aufgewachsen ist, schon seit längerer Zeit verlassen hat und in der Lustmühle wohnt. 

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