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22.08.2023

So könnte das Quartier profitieren vom Liebegg-Anschluss

Überwältigendes Publikumsinteresse am Informations- und Dialoganlass von Stadt und Kanton in der GBS.

Erich Gmünder, Text und Fotos

Stadtrat und Baudirektor Markus Buschor – und nicht nur er –  war sichtlich überrascht vom grossen Aufmarsch zum gemeinsam mit dem Kanton organisierten Anlass. Schon eine Viertelstunde vor Beginn waren die meisten Plätze in der Aula besetzt.

Erstmals wurden die Teilprojekte für die sogenannte Engpassbeseitigung – 3. Röhre, unterirdischer Kreisel im Güterbahnhofareal, unterirdischer Spange unterm Feldli (Kostenpunkt insgesamt 1,3 Milliarden Franken) und zur Liebegg (Kostenpunkt 150 – 200 Millionen Franken) öffentlich vorgestellt. Soweit ist alles bekannt. Doch erstmals wurden konkrete Zahlen zur Entlastungswirkung auf die Quartiere entlang der Teufener und der Oberstrasse präsentiert. 

Alle Illustrationen: zVg.

Diese sind insbesondere im Quartierzentrum Riethüsli frappant. Zwar steigen die Frequenzen bis zur mutmasslichen Eröffnung im Jahr 2040 nochmals leicht an, von 11’900 auf 12’900 Durchfahrten. Sie nehmen dann aber auf einen Schlag ab um 72.9 Prozent auf 3’500 im Quartierzentrum; sprich die Blechlawine reduziert sich auf einen Viertel. Im unteren Bereich (Rampe) ist die Entlastung mit 73,9 Prozent sogar noch leicht stärker.

Wie können die Quartiere von  dieser Entwicklung profitieren und den neu gewonnenen Raum nutzen? Die Planer haben dafür je drei Varianten studiert und diese wurden mit anschaulichen Visualisierungen präsentiert. Ziel der sogenannten flankierenden Massnahmen: Den Verkehr möglichst auf die neue Spange bringen, respektive die Durchfahrt auf der Teufener Strasse unattraktiv machen, und anderseits den neu gewonnen Lebensraum aufwerten.

3 Varianten fürs Quartierzentrum

Die Qual der Wahl – welche der drei Varianten darf es sein? Hier mit dickem Mehrzweckstreifen in der Mitte.

Die Varianten für das Quartierzentrum Riethüsli: Der Strassenraum wird bei allen drei Varianten verengt zugunsten mehr Aufenthaltsqualität, die Lichtsignalanlagen entfallen (mutmasslich Tempo 30). Den Unterschied macht je nachdem aus, wie stark die Strasse zugunsten der Freiräume verengt wird, ob die Fussgängerstreifen erhalten bleiben, ein Mehrzweckstreifen eingefügt oder die Strasse ähnlich wie bei der Begegnungszone als Teil des Lebensraums betrachtet wird. Separate Radstreifen sind hier nicht vorgesehen.

Stadtingenieur Beat Rietmann stellt die verschiedenen Varianten vor.

Die Varianten für den unteren Teil der Teufener Strasse

Desgleichen im unteren Bereich der Teufener Strasse, der sogenannten „Rampe“ (ab Abzweigung Oberstrasse): Kombinierter Rad- und Gehweg aufwärts  – gegenüber heute massiv breiter mit bis zu 4 Metern, mit Parkplätzen  in der Blauen Zone, separate Radstreifen aufwärts mit und ohne Mittelschutzinsel.

Oder an der Oberstrasse. Wobei dort die Entlastungswirkung teilweise entfällt und im Gegenteil mit einer Zunahme um bis zu 25 Prozent gerechnet wird.

An sogenannten „Marktständen“ wurden anschliessend die Varianten diskutiert. Die Feedbacks und Einwände sollen in die definitiven Gestaltungsprojekte einfliessen und in sogenannten „Bestvarianten“ konkretisiert werden. Damit man parat ist, wenn dann das Gesamtprojekt definitiv realisiert wird.

Da dies erst im Jahre 2040 der Fall sein könnte und der Strassenraum bis dahin noch für den Durchgangsverkehr gebraucht wird, respektive grösstenteils erst danach umgestaltet werden kann, sind diese Visionen noch Zukunftsmusik und die älteren Anwesenden dürften dies nicht mehr erleben…

Regierungsrätin Susanne Hartmann, Die Mitte.

Stadtrat Buschor und die kantonale Bau- und Umweltdirektorin, Regierungsrätin Susanne Hartmann (Die Mitte) zeigten in ihren Einführungsreferaten auf, dass das Projekt Engpassbeseitigung zwingend ist, um einen Verkehrskollaps zu verhindern, aber ebenso, um die Quartiere von der Verkehrslawine zu entlasten, welche insbesondere das Quartierzentrum Riethüsli entzweischneidet.

Sie erzählte, dass sie die Verhältnisse vor Ort aus eigener Anschauung kennt, ist sie doch verwandtschaftlich verbandelt, da in Oberhofstetten ihr Zwillingsbruder Raffel mit seiner Familie wohnt. 

Dass nicht alle oder vielleicht sogar der grössere Teil der Anwesenden die Lösung nicht in diesem Ansatz sehen, kam nicht zur Sprache; dafür fehlte auch die Zeit. Brav wurden die Referate beklatscht und sogar die Planerinnen erhielten einen Applaus.

Beim anschliessenden Apéro im Freien mit Gratis Bier und Wein wurde kontrovers diskutiert und da waren dann auch ganz andere Töne zu hören: Wollen wir die künftigen Generationen mit diesen riesigen Investitionen belasten, ist es heute noch angezeigt, die Verkehrsprobleme mit Konzepten aus dem letzten Jahrhundert zu lösen, braucht es nicht vielmehr ein Umdenken, gerade auch mit Blick auf die Klimakrise, sprich stärkere Förderung des öffentlichen Verkehrs und immissionsarmer Verkehrsmittel?

Die Beschäftigung mit den geradezu idyllischen (und zugegeben verführerischen) Visualisierungen  – praktisch verkehrsfrei, kaum ein Auto, nur vereinzelt Radfahrende und zu Fuss gehende – lenke von dieser grundlegenden Thematik ab, wurde etwa gesagt.

Für Diskussionen ist gesorgt – die zahlreichen Velos vor dem GBS könnten ein Hinweis sein, dass die skeptischen Stimmen nicht so leicht verstummen werden.

So geht es weiter:

Das letzte Wort haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Stadt St. Gallen und von Appenzell Ausserrhoden.

Haben Sie noch Fragen?

Hier finden Sie alle Visualisierungen und Informationen – die Folien der gestrigen Veranstaltung können Sie hier anschauen und herunterladen: Präsentation Liebegg Anschluss 22_08_23 PDF

Hier geht es zum offiziellen Auftritt Zubringer Güterbahnhof im Rahmen der Engpassbeseitigung

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4 Kommentare

  1. Bösch Walter Samuel

    22.08.2023 / 17:15 Uhr

    Ganz meine Meinung! Danke für die Zusammenfassung.

    Antworten

  2. Marcel Baur

    22.08.2023 / 11:35 Uhr

    Für mich stellen sich ein paar wichtige Fragen:
    Weshalb veranstalten Kanton und Stadt rund 17 Jahre vor Inbetriebnahme eine solche "Werbeveranstaltung?" Ich halte das für politisch fragwürdig.
    Viele der gezeigten Möglichkeiten wären bereits heute und ohne den Anschluss Güterbahnhof/Liebegg bereits möglich. Alleine der beige Streifen im oberen Teil der Teufenerstrasse wirft Fragen zur Gestaltung auf. Warum hat man nicht bereits dort mit einer ökologischen Aufwertung begonnen?
    Die Verkehrszahlen wirken aus meiner Sicht mehr als unglaubwürdig. Man kann sie auch nicht nachvollziehen, da der Kanton die Grundlagen für seine Berechnungen nicht publiziert
    Und dann ist da noch Stadtrat Buschor und der Leiter des TBA, Beat Rietmann. Sie fühlen sich zwar nicht an das gutgeheissene Postulat(notabene mit der Mehrheit des Stadtparlamentes) gebunden, lassen aber mit ihrem Auftritt jegliche politisches Gespür vermissen. Hier wäre Zurückhaltung angesagt und man hätte das wohl besser einfach dem Kanton überlassen.
    Alles in allem nimmt niemand die Gegener, die durchaus gute Gründe haben, ernst und macht vorwärts wie wenn es keinen Wiederstand geben würde.

    Antworten

    • Patrick Hager

      23.08.2023 / 12:10 Uhr

      "Viele der gezeigten Möglichkeiten wären bereits heute und ohne den Anschluss Güterbahnhof/Liebegg bereits möglich." Genau so sehe ich das auch. Wäre günstig, wirkungsvoll und schnell umsetzbar.

    • Martin Wettstein

      25.08.2023 / 15:10 Uhr

      "Werbeveranstaltung "Liebeggtunnel"
      Die fleissigen Verantwortlichen (Buschor, Rietmann, Hartmann) halten den Tunnel für unabdingbar. Sie nehmen heutige Daten und Zahlen zum MIV (Motorisierter IndividualVerkehr),
      rechnen sie hoch und verlängern sie in die nächsten Jahrzehnte. Die Folgen für die Teufener Strasse seien: noch mehr Staus, kollapsähnliche Zustände mehrmals am Tag. Also, ganz klar: Der Liebeggtunnel müsse her,damit der MIV flüssiger werde. Es gehe um Engpassbeseitigung!
      Dass der MIV in Zukunft wohl ganz anders aussehen wird...kein Denken dran!
      Nein, liebe Verantwortliche: Die Entwicklung des Verkehrs muss dringend neu gedacht werden. Aber dafür braucht es Soziologen, Zukunftswissenschaftler, Mobilitätsfachleute... An der HSG und der FHS müssten solche doch zu finden sein. Und sonst gibt es ja auf der Welt auch Städte, die ganz andere Medikamente gegen den Verkehrs-Erstickungstod erprobt haben und anwenden.
      Was wir brauchen, auch im Riethüsli, ist: Engpassbeseitigung in den Köpfen.

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