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28.06.2020

Unsere Solitüde

Vor 30 Jahren wurde das Ausflugsrestaurant Solitüde geschlossen - wehmütiger Blick zurück.

Nach 1950: Wehmut mag manche beschleichen beim Anblick der Solitüde mit der legendären Schaukel, im Fenster vermutlich Frau Speck, im Vordergrund Emil jun.       Foto: Sammlung Peter Uhler

La Solitude – die Einsamkeit. Damit war es 1884 mit der Eröffnung des Wirtshauses vorbei. Der damalige Landwirt eröffnete auf seinem Bauernhof das stadtbekannte Ausflugsrestaurant mit  Saalanbau. Es wurde stadtbekannt und war der Treff der QuartierbewohnerInnen. 1990 wurde es für immer geschlossen.

Fredi Hächler, Quartierhistoriker

Noch mögen sich ältere Riethüslerinnen und Riethüsler an Feste erinnern mit Ländlermusik und Alphorn, an die Vesperplättli, an den Apfelsaft und die Rauchschwaden der Villiger-Stumpen. Die Kinder liessen sich mit einem Süssmost und einem Nussgipfel zu einem Sonntagsspaziergang überreden. Der Höhepunkt war die Schaukel – später durch ein metallenes Gerüst verstärkt – , die noch immer verloren dort oben steht, mit einer Kette abgeschlossen.

1892: Werbung im Stadtanzeiger zur Fasnachtszeit für die Stadtbevölkerung. Später wurden für das Riethüsli Quartier regelmässig Kafikränzchen organisiert.

Beliebt war die Solitüde für Versammlungen, Sitzungen und Jassrunden mit einer dehnbaren Polizeistunde. Doch das Wirtshaus mit dem Saalanbau hätte mit der Zeit eine dringende Renovation benötigt. Der Heimatschutz war von der geplanten Renovation nicht begeistert, es sollte möglichst bleiben, wie es immer war: Eines der legendären Ausflugsrestaurant der Stadt.

Sonntagsvergnügen in den 1930er-Jahren.
Die legendäre Schaukel übte auf Gross und Klein eine grosse Anziehungskraft aus.
Erinnerungen an die Wirtin Lina Speck mit Tochter Hildegard, als die Solitüde einfach zum Quartier gehörte.

Beliebt war die Solitüde als Ort für Versammlungen der Vereine aus dem Quartier und von Sitzungen, die nicht selten feuchtfröhlich etwas später endeten.

Immer ein Höhepunkt waren die 1. Augustfeiern. Nicht ganz überraschend war, dass die Partei der städtischen Grünen ihre Gründungsversammlung am 28. Mai 1983 dort oben abhielt. Symbolträchtig wählten sie einen Eckpunkt des Grünen Rings der Stadt St.Gallen als Startort aus.

Als sich in den 1980er-Jahren keine Lösung für die dringende Renovation abzeichnete, war es nur eine Frage der Zeit, bis im Wirtshaus die Lichter ausgingen. Im Mai 1990 brachte die Ostschweiz eine wehmütige Reportage mit Bild von der endgültigen Schliessung.

Im Jahre 2007 spielte das Lehrerkabarett Jonudenhalt sein Programm vor der geschlossenen Wirtschaft und brachte viele ins Träumen, wie es doch hätte sein können, hier oben weiterhin das Feierabendbier zu trinken. Die Ruine des Saalanbaues musste auf Anordnung der Stadt abgebrochen werden, und es dauerte noch Jahre, bis das ehemalige Wirtshaus zum heutigen Wohnhaus umgebaut wurde.

Die Rechnung für 11 Veltliner, 8 Kaffee-Williams und 1 Bier dürfte in der Quartiervereinskasse unter Diverses abgebucht worden sein.

28. Mai 1983: Gründung der städtischen Partei der Grünen auf der Solitüde.

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