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14.03.2021

Lädeli uf – Lädeli zuä

Der Kiosk in der Hochwacht und andere Geschichten.

Der Kiosk Hochwacht 2019. Foto: Google Streetview.

Fredi Hächler

Wenn Sie jetzt etwas irritiert denken, bei uns im Quartier gehen doch (fast) alle Läden zu, dann stimmt es so nicht, denn einer geht tatsächlich immer mal wieder zu – und dann eben wieder auf. Sie haben es bemerkt, wir reden vom Hochwacht Kiosk.

Man kann zurzeit im Riethüsli an drei Orten Lebensmittel einkaufen: In der Bäckerei Schwyter, im Italiener Folino und in der Agrola-Tankstelle. Das war einmal anders. Im Verlaufe der Zeit gab es im Riethüsli über 90 (!) Läden für den täglichen Bedarf. Der erste Colonialwarenladen wurde schon 1884 im Parterre des Wirtshauses Bellevue an der Teufener Strasse 99 eröffnet.

Teufener Strasse 99 um 1920: Das Wirtshaus Bellevue im 1. Stock, unten der 1884 eröffnete Colonialwarenladen, unten rechts der Einstieg der Scheffelsteintreppe.  Foto Stadtarchiv

Neben den Bäckern und den Metzgern gab es früher etwa 40 Colonialwarenläden, einen Comestibles, eine Weinhandlung, eine Delikatessenhandlung, eine Molkerei, mehrere Spezereihandlungen, Lebensmittelläden, Obst- und Gemüseläden, den Städtischen Lebensmittelverein, den Konsumverein und einen USEGO.

Aber meistens waren  –  ausser den drei letztgenannten – alle Lebensmittelläden  kleine Nebenerwerbsbetriebe. Der Boom ging in den 1960/70er-Jahren zu Ende bei einer Quartierbevölkerung nur rund 2000 Einwohnern. Aber die Riethüslerin, der Riethüsler konnte noch an anderen Orten im Quartier einkaufen.

Milchmänner, Migros-Verkaufswagen oder mobile Gemüsehändler

Es sind 20 Milchmänner bekannt. Der erste zog 1895 durch das Quartier, Peter Pfister der letzte, hörte 2012 auf. Sie boten neben den Milchprodukten oft noch andere Lebensmittel wie Brot oder Obst an.

Bis 1997 kurvte zum Ärger der noch existierenden Läden der Migros-Verkaufswagen durch unser Quartier.

Ab den 1940er-Jahren zogen gleich zwei Gemüse- und Früchtehändler – beide hatten auch einen Colonialwarenladen im Quartier – mit Ross und Wagen durch das Riethüsli: Attilo Bartolin und Anton Blum.

Kiosk Hochwacht, Februar 2020, hier soeben wieder eröffnet, aber wegen den Bauarbeiten an der Teufener Strasse gleich wieder  geschlossen … Foto: Fredi Hächler.

Die 3 + 1 Kioske im Riethüsli

Unsere früheren Erinnerungen an Kioske sind Coci-Frösche, Caramelbouché, vielleicht die vier Zigis, die wir für 30 Rappen als Sekundarschüler heimlich dort kauften und verstohlen pafften. Aber ein Kiosk bot damals noch mehr. Es war der Umschlagplatz für den neuesten Quartierklatsch, es gab auch ein saisonales Angebot an Früchten und Gemüse, Zeitungen und vor allem die entsprechenden Heftli.

Kioske haben in den Akten kaum Spuren hinterlassen. Doch auf den alten Fotos kann man sie meist zufällig noch entdecken. So findet man den ältesten Hinweis auf einen Riethüsli-Kiosk auf dem Foto im Riethüslibuch Seite 83. Das Tram konnte 1911 erst bis zur Hochwacht gebaut werden, bis zur Verlängerung ins Nest (1913) musste zuerst die Strasse verbreitert werden.

Jemand pfiffiger musste die Idee gehabt haben, für die Wartenden und Aussteigenden einen Kiosk zu errichten. Auf der Abbildung 101 kann man das Tram und eine einfache Verkaufsgebäulichkeit sehen. Der Hochwacht-Kiosk hatte im Verlaufe der Zeit mehrere bauliche Veränderungen erfahren.

Teufener Strasse-Idylle vor 1930: Fuhrwerk, spielende Kinder, ein Schwatz am Kiosk und keine Autos beim Hochwacht-Kiosk.                                         Sammlung Peter Uhler

Wohl gänzlich in Vergessenheit geraten ist der Kiosk weiter unten, an der Teufener Strasse 68, ebenso das Wirtshaus Quelle/Schweizer (1887-1945) im Hintergrund. Er ist auf dieser ‘friedlichen’ Foto der Teufener Strasse mit den obligaten Rossbollen abgebildet. Das kleine Kioskhäuschen ist auf den Stadtplänen von 1927 bis 1948 zu finden, hat also gut 25 Jahre existiert.

Der Kiosk um 1930 an der Abzweigung zur Melonenstrasse (Teufener Strasse 68). In der Mitte rechts das damalige Wirtshaus Ruhsitz/Tschudiwies (TS 62), das heute noch existiert. Foto Stadtarchiv
Das ‘Dorfzentrum’ mit flatternder Wäsche im Riethüsli um 1935, noch ohne Trottoir: Die nun elektrifizierte Appenzellerbahn, rechts der Städtische Konsumverein, im Vordergrund der Kiosk (um 1925 bis 1967) am Standort der späteren neuen Post. Foto Stadtarchiv

Der dritte Kiosk dürfte bei den älteren Riethüslerinnen und Riethüslern noch in Erinnerung sein. Auch er erscheint erstmals im Stadtplan von 1927 und wurde 1967 für den Neubau der Post abgebrochen. Im Adressbuch von 1940 wurde er z.B. so aufgeführt: Jakob Lieberherr, Teufener Strasse 144, Kiosk mit Früchten & Gemüse. Auch dieser Kiosk war ein Laden mit Lebensmitteln, der mit den übrigen rund zwei Dutzend Läden im Quartier zu dieser Zeit konkurrierte – bei einer geschätzten Einwohnerzahl von weniger als Tausend Riethüslern.

Und der 4. Kiosk

Dieser frühere Kiosk an der Teufener Strasse bei der (damaligen) Nummer 18 beim ehemaligen Marthaheim gehörte doch wohl nicht mehr zu unserem Quartier, würde ein gestandener Riethüsler wohl sagen. Wohl doch – wenn man bedenkt, dass unser Quartierverein von 1950 bis 1978 das Gebiet bis zum Hauptbahnhof(!) ‘betreute’ und entsprechend zuerst QV Bahnhof-Nest und später QV Bahnhof-Riethüsli hiess. Aber dort unten wohnten wohl nicht die ‘richtigen’ Riethüsler … . Dieser Kioskstandort lässt sich auf den Stadtplänen von 1913 bis 198 nachweisen.

Kiosk Teufener Strasse/Unterstrasse um 1940: Er ‘gehörte’ damals zum Gebiet unseres Quartiervereins. Das Schild rechts weist hin auf die Kaffeehalle im Marthaheim.                   Sammlung Peter Uhler

1 Kommentar

  1. Egidio Mombelli

    26.03.2021 / 09:00 Uhr

    Kiosk ....vis-à-vis Post Im Grund, der Lieberherr (Ständelimaa) zitterte wie Espenlaub, er konnte sich nicht selber rasieren, deshalb ging er zum Coiffeur Steiger. Wie ein Wunder kam er jeweils ohne Schaden davon, mein Onkel Otto hatte ihn meines Wissens nie geschnitten. Chapeau !

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