19.

17.12.2022

Tempo 30: Weniger Lärm, mehr Sicherheit

Was für das Tieftemporegime spricht - und was dagegen.

Strassenverkehr verursacht Lärm und schadet damit der Gesundheit. Ein wirksames und einfaches Mittel gegen Strassenlärm sind Temporeduktionen. Der Kanton und die Stadt St. Gallen haben zusammen entschieden, wo und wann Tempo 30 auf dem städtischen Netz nötig und sinnvoll ist.

Das teilten Stadt und Kanton Ende September mit – und lösten je nach politischem Standort Begeisterung oder Enttäuschung aus.

Der Versuch einer Auslegeordnung.

Gesetzliche Grundlagen

In der Schweiz sind rund 14 Prozent der Bevölkerung über-mässigem Strassenlärm ausgesetzt. In der Stadt St. Gallen sind das rund 11 000 Personen. Überschreitet der Lärm die Grenzwerte, müssen Strasseneigentümer Massnahmen ergreifen. Denn der Bund schreibt in der Lärmschutzverordnung vor, wie laut der Verkehr in Wohngebieten sein darf.

Diese Lärmgrenzwerte werden auf mehreren Strassen in der Stadt St. Gallen überschritten.

Warum Temporeduktionen?

Die Stadt und der Kanton St. Gallen sind deshalb verpflich-tet, Lärmschutzmassnahmen umzusetzen. Dies können Massnahmen an Fahrzeugen, an Strassenbelägen oder bei der Geschwindigkeit sein. Mit dem Konzept Temporegime Stadt St. Gallen senken der Kanton und die Stadt auf den betroffenen Abschnitten die erlaubte Fahrgeschwindigkeit. Temporeduktionen sind kostengünstig und senken die Lärmbelastung, wie Beispiele in anderen Schweizer Städ­ten zeigen. Es sind keine baulichen Massnahmen erforder­lich, lediglich die Signalisation muss angepasst werden.

Schrittweise Umsetzung

Die Temporeduktion wird schrittweise umgesetzt. Zuerst soll Tempo 30 nachts auf fast allen Hauptverkehrsstrassen der Stadt gelten. Auf ausgewählten Strassen soll in weiteren Schritten die Reduktion auch tagsüber umgesetzt werden. Die Umsetzungsphase dauert voraussichtlich sechs Jahre. Erste Erkenntnisse zeigen, dass sich diese Massnahmen nur begrenzt auf den öffentlichen Verkehr auswirken.

Diese beiden Etappen betreffen unser Quartier:

Etappe 1 – Tempo 30 nachts auf fast allen Hauptstrassen

In einer ersten Etappe wird Tempo 30 nur nachts von 22 bis 6 Uhr gelten – dafür auf fast allen Hauptstrassen der Stadt St. Gallen, ausgenommen Winkeln. Diese Massnahme soll den Verkehrslärm in der Nacht spürbar senken und bei ge­ringen Kosten einen grossen Nutzen bringen. Ein weiterer Vorteil: Der öffentliche Verkehr kann seine Fahrpläne nachts auch mit reduzierten Geschwindigkeiten einhalten.

Etappe 2 – Tempo 30 tagsüber auf ausgewählten Hauptstrassen

In der zweiten Etappe führen wir Tempo 30 auf einzelnen Strassen auch tagsüber ein. Diese Massnahme betrifft in erster Linie jene Strassen, auf denen eine Temporeduktion tagsüber keine Folgekosten für den Busverkehr mit sich bringt: einzelne Abschnitte der Teufener Strasse, der St.Georgen-Strasse, der St.Josefen-Strasse, der Splügenstrasse, der Felsenstrasse sowie der Gottfried-Keller-Strasse. Damit die Verkehrsteilnehmenden nicht auf untergeordnete Strassen ausweichen, ziehen wir auch Parallelrouten mit ein, etwa die Schönaustrasse. Aus­serdem wird Tempo 30 auch in den Abschnitten zwischen den vorgesehenen Strecken gelten. Dies ermöglicht eine ein­heitliche Signalisation.

Quelle: Tiefbauämter Stadt und Kanton St. Gallen

Weiterführende Informationen auf www.stadttempo.ch

Antworten zu den wichtigsten Fragen

Warum ist Tempo 30 in der Stadt notwendig?

Weil andere Massnahmen in vielen Hauptstrassen der Stadt St. Gallen nicht möglich oder nicht wirksam genug sind. Als Strasseneigentümer sind Stadt und Kanton gesetzlich dazu verpflichtet, weitere Massnahmen zu ergreifen, um den Lärm zu senken: Steigen die Lärmemissionen auf einer Strasse über den Grenzwert, müssen die Behörden soge­nannte «Lärmsanierungen» durchführen.

Wie gross ist die Lärmreduktion?

Weniger Lärm bedeutet mehr Lebensqualität. Wenn Tempo 30 statt Tempo 50 gilt, werden die Lärmemissionen um rund drei Dezibel reduziert. Wir müssten die Verkehrsmen­ge halbieren, um diesen Wert durch eine Reduktion der An­zahl Fahrzeuge zu erreichen.

Wie wirkt sich die Temporeduktion auf die Verkehrssi­cherheit aus?

Wer langsamer unterwegs ist, hat einen massiv kürzeren Bremsweg. Auch die Aufprallenergie bei einem Unfall ist deutlich geringer. Die Fahrzeuglenkenden nehmen zudem viel mehr Details im Strassenraum wahr; sie haben daher eine schnellere und bessere Reaktion. Auf Strassen mit Tempo 30 ereignen sich weniger sowie weniger schwere Unfälle. Schwächere Verkehrsteilnehmende sind sicherer unterwegs, insbesondere Fussgängerinnen und Fussgänger, Velofahrende, Kinder und ältere Personen.

Was bedeutet es für die Lebensqualität?

Fliesst der Verkehr gemächlicher, wertet dies den städtischen Lebensraum auf: Er bietet allen mehr Platz zum Verweilen. Strassen mit Tempo 30 ermöglichen den Menschen, ihre We­ge vermehrt zu Fuss oder mit dem Velo zurückzulegen.

Warum zuerst Tempo 30 in der Nacht?

Nachts sind viele Fahrzeuge schneller unterwegs, weil sie nicht vom Verkehr gebremst werden. Die höhere Geschwin­digkeit führt daher zu mehr Lärm durch einzelne Fahrzeuge, der bei vielen Menschen Schlafstörungen verursacht. Die Bevölkerung hat nachts ein grösseres Ruhebedürfnis und profitiert daher besonders stark von Lärmreduktionen.

Wieviele Menschen in der Stadt profitieren von Tempo 30?

Bereits in der Etappe 1 (nachts) profitieren 18% der Bevölke­rung von der Lärmentlastung. In den weiteren Etappen sind 11% der St.Gallerinnen und St.Galler geringeren Lärmemis­sionen ausgesetzt.

Welche Nachteile bringt Tempo 30?

In erster Linie finanzielle, denn eine Tempoänderung erfor­dert neue Signale und Markierungen. Diese sind jedoch mit verhältnismässig geringen Kosten verbunden. Ein weiterer Nachteil ist auf bestimmten Strassen die verlängerte Reise­zeit, insbesondere für den öffentlichen Verkehr, bei welchem besonders in der Phase 4 (Hauptverkehrsachsen) mit hohen Kosten zu rechnen ist.

Wie wirkt sich Tempo 30 auf den Verkehrsfluss aus?

Diese Frage lässt sich nicht generell beantworten. Denn der Verkehrsfluss hängt von weiteren Faktoren ab, etwa vom Abstand zwischen zwei Verkehrsknoten. Geschwindigkeitsreduktionen können auf gewissen Streckenabschnitten zu einem gleichmässigeren Verkehrsfluss führen.

Wie wirkt sich Tempo 30 auf die Reisezeit aus?

Untersuchungen des Autoverkehrs zeigen, dass Tempo 30 die Reisezeit nicht wesentlich verlängert – sowohl in Bezug auf die Grössenordnung als auch im Verhältnis zur Gesamtreisezeit.

Unter welchen Bedingungen ist Tempo 30 auf Haupt­strassen innerorts möglich?

Innerorts gilt nach Strassenverkehrsgesetz Tempo 50. Da-von dürfen wir nur aus gesetzlich festgelegten Gründen, et-wa Lärmschutz oder Verkehrssicherheit, abweichen. Ein Verkehrsgutachten muss Notwendigkeit, Zweckmässigkeit und Verhältnismässigkeit jeder Massnahme nachweisen. Ab 1. Januar 2023 gilt die Gutachtenpflicht nur noch für die ver-kehrsorientierten Strassen, zu denen fast alle Strassen mit hoher Lärmbelastung gehören

Kann man das Lärmproblem nicht anders lösen?

Mit einer Temporeduktion senken wir die Lärmemissionen dort, wo sie entstehen: beim Verkehr selbst. Damit setzen wir – wie gesetzlich vorgeschrieben – auf eine lärmsenkende Massnahme an der Quelle. Auch andere Massnahmen kämen dafür in Frage: beispielsweise Umfahrungen, Einbahnstrassen, Nachtfahrverbote oder Lastwagenverbote. Viele dieser Massnahmen kommen auf dem Hauptstrassen­netz jedoch nicht zur Anwendung, da der Verkehr ja weiter-hin auf diesen Strassen unterwegs sein soll.

Eine weitere Möglichkeit sind lärmarme Beläge, welche vielerorts auch bereits eingebaut werden. In der Stadt St. Gallen sind die Bedingungen etwas schwieriger. Schnee, Steigung und Höhenlage beeinträchtigen die Langzeitwirkung dieser «Flüsterbeläge». Deshalb läuft in St. Gallen noch eine Testphase. Jedoch reichen auch lärmarme Beläge meist nicht aus, um die Grenzwerte einzuhalten.                                           •

Quelle: stadttempo.ch (Kanton und Stadt St. Gallen)

Die Positionen sind verteilt:

Pro: Umweltverbände, VCS, SP, Grüne, GLP

Kontra: TCS, Gewerbe, Kanton und Stadt St. Gallen, FDP, SVP, Mitte
 

Ein Befreiungsschlag

Als der Quartierverein 2011 die Petition mit 2150 Unterschriften für einen Liebegg-Tunnel einreichte, ernteten wir (der Schreibende sammelte damals selber und war bei der Übergabe dabei) bei den zuständigen Instanzen nur ein müdes Lächeln – unrealistisch, utopisch, nicht finanzierbar. Dabei versprach diese Lösung einen Befreiungsschlag für unser vom Durchgangsverkehr geplagtes Quartier. Endlich hätten wir die Teufener Strasse wieder für uns, wie zu guten alten Zeiten – verkehrsberuhigt, mit Tempo 30 als flankierende Massnahme, damit die AppenzellerInnen auch wirklich die neue Verbindung benutzen würden.

Doch plötzlich, einige Jahre später, kam die gleiche Idee, nun im Rahmen der Engpassbeseitigung St. Gallen, als Vorschlag aus Bern. Das Geld liegt dort parat, die Kantone und die Stadt stehen dahinter. Nur wird dieses Projekt nun von linksgrüner Seite bekämpft, mit den bekannten Argumenten, dass jede neue Strasse neuen Verkehr generiert.

Und nun also das revolutionär anmutende Tempo-30-Konzept, gestützt auf den Lärmschutz, mit der schritt-weisen Einführung von Tempo 30 auf den Hauptstrassen – und das Riethüsli, eines der am stärksten vom Verkehr geplagten Wohngebiete, soll als eines der ersten Quartiere profitieren. Zwar gibt es auch dagegen Opposition – nun von der politisch entgegengesetzten Richtung – und die Pläne sind noch nicht in trockenen Tüchern. Wird Tempo 30 jedoch wie vorgesehen umgesetzt, dürfte es sich für unser Quartier ebenfalls wie ein Befreiungsschlag anfühlen, und das mit minimalen Kosten und maximaler Wirkung. Und zwar nicht irgendwann, sprich frühestens 2040 (was viele unter uns wie der Schreibende kaum mehr erleben dürften), sondern schon ab 2024 (nachts) und Ende 2025 dann ohne Einschränkung.

Die Voraussetzungen, dass das Wohnen und Leben entlang der Teufener Strasse wieder lebenswert und das Riethüsli nicht mehr einfach als Ansammlung von ein paar Häusern an einer vielbefahrenen Strasse wahrgenommen wird, sind günstiger als 2011, insbesondere mit der modernisierten Bahnverbindung und der geplanten Dosieranlage.

Erich Gmünder

Magazin Riethüsli Dezember 20224 | 

1 Kommentar

  1. Alwin Oggenfuss

    20.12.2022 / 16:46 Uhr

    Liebe Riethüsler ,

    Tempo 30 ja , aber halten sich die Autofahrer daran ? Wenn ich an der Bus Haltestelle Fähnernstrasse auf den Bus warte und sehe wie die Autofahrer in dieser 30. Zone Gas geben , dann frag ich mich , was soll das ganze . Auf der Solitüdenstrasse halten sich nur wenige Autofahrer ans Limit leider. Ich habe auch schon Bussen wegen zu schnellem Fahren bezahlt ,bin aber der Meinung wenn schon 30 km h soll man sich auch daran halten . Fortsetzung folgt .

    Antworten

Kommentieren

Die Angaben "E-Mail-Adresse", "Adresse" und "PLZ/Ort" werden nicht veröffentlicht, sondern dienen zur eindeutigen Identifizierung der Urheberschaft. Bitte alle Felder ausfüllen.