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21.06.2020

Viel Wissenswertes über den unbekannten Wald und seine Bewohner

Ortsbürgergemeinde lud die BürgerInnen zur Waldbegehung im Erlebnisraum Menzlen.

  1. Erich Gmünder, Text und Fotos

Wissen Sie, was ein Kobel ist? Oder wie viele Insekten eine Eiche beherbergt? Woher der Name Eichhörnchen stammt? Wie viele Eicheln ein Eichelhäher aufs Mal transportieren kann und welche Bedeutung er für die Eiche hat? Oder wie rasch sich der Borkenkäfer ausbreiten kann und welches sein Lieblingswirt ist?

Mitte Mai wurde der neue Walderlebnispfad durch den Menzlenwald eröffnet, am Samstag lud die Waldbesitzerin und Initiantin des Erlebnispfades zur Waldbegehung. Rund 50 Bürgerinnen und Bürger liessen sich coronagerecht in vier Gruppen durch den Wald führen und erfuhren viel Wissenswertes über die aussergewöhnlichen Lebensgemeinschaften im Lebensraum Wald.

Wir hefteten uns an die Fersen von Forstingenieur Urban Hettich, Leiter Forst und Liegenschaften der Ortsbürgergemeinde St. Gallen und damit Herr über 1100 Hektaren Wald, und hingen wie die anderen unserer Gruppe an seinen Lippen.

Karge Bedingungen fürs Überlegen

Erste Station beim Müschelifelsen. Eindrücklich ist hier zu sehen, mit wie wenig Wurzelraum Bäume umgehen und sich trotzdem kräftig entfalten können. Zum Beispiel die Buchen. Sie nützen jede Gelegenheit, wo es geeignetes Material hat. Beim Sandsteinfelsen sind das die dünnen Schichten des weichen Mergels – zwischen den Sandsteinschichten – und holen hier Wasser und Nährstoffe. Trotz der dünnen Schicht gewinnen sie genügend Kraft, um den Stürmen zu trotzen.

Zum Tragen kommt dabei die jüngere Erkenntnis, dass sich die Bäume auch untereinander vernetzen und via Wurzeln Nährstoffe austauschen können. Damit sei auch die Theorie widerlegt, dass das Wurzelreich der Bäume nur so gross sei wie die Kronenbreite, sagte Urban Hettich.

Unter der Rinde: Der Buchdrucker (Borkenkäfer)

Diese greifen bei einer Massenvermehrung vorerst nur die geschwächten Rottannen an. Hat es davon nicht mehr genug, fliegen sie auch die gesunden Bäume an. Die ersten paar Tausend, so Hettich, „ersaufen“ zwar elendig im austretenden Harz gesunder Bäume, aber irgendwann seien auch diese angreifbar. Ein Weibchen kann bis zu 60 Eier ablegen, die Hälfte davon sind wiederum Weibchen, welche sich rasch fortpflanzen. Sie vermehren sich explosionsartig und können bis zu dreimal im Jahr Eier ablegen. Der Menzlenwald sei dank seiner guten Mischung weniger gefährdet, da der Anteil der Rottannen relativ gering sei. Bei anderen Waldgebieten im Besitz der OBG, beispielsweise oberhalb von St. Georgen mit einem Rottannenanteil von bis zu 70 Prozent, könnte es jedoch ein ernsthaftes Problem geben.

Hier bezeichnen Tafeln den geschätzten Jahrgang der Bäume: Fichte 1975, Douglasie 1880, Ahorn 1930, Linde 1994.

Generationenübergreifende Gemeinschaft

Eine ganze Gruppe von Weisstannen – dicke, dünne – , aber alle im gleichen Jahr gepflanzt und gesetzt. Hier zeigte der Waldkenner das Spiel von Konkurrenz, das auch im Wald funktioniert. Die einen, welche genug Licht haben, schaffen es rasch, sich in die Höhe zu und breit zu machen, während die anderen im Schatten stehen und immer mehr Mühe haben, bis sie absterben. Trotzdem erreichen alle die gleiche Höhe. Jene mit der grössten Krone erreichen aber die grössere Stabilität – sichtbar an den mächtigen Stämmen –  und trotzen Stürmen und Schnee.

Wichtig sei bei der Waldbewirtschaftung, dass ständig auf die Altersdurchmischung geachtet werde. Denn wenn ein Sturm ältere Bäume umwerfe, seien die Jungen parat und legten sofort los, sobald sie Licht erhalten. Das funktionierte allerdings nicht bei allen Baumarten gleich gut. Eine Weisstanne beispielsweise könne hundert Jahre auf den geeigneten Moment warten, wachse nur wenige Zentimeter in die Höhe und wenige Millimeter im Umfang, und wenn dann der Moment komme, mache sie Sprünge von einem halben Meter und mehr pro Jahr. Eine Buche könne allenfalls zehn bis 20 Jahre Unterdrückung überstehen, aber dann sei der Zeitpunkt verpasst und sie wachse auch bei guten Bedingungen nicht mehr. Hettich: „Das kann man ja auch bei Menschen beobachten, die lange unter der Knute sind. Wenn sie dann mal dürfen, dann mögen sie auch nicht mehr“ (Gelächter). 

Die Eiche als Gastgeberin

Die Eiche ist die wichtigste Gastgeberin im Wald, nämlich die Baumart, welche bei weitem am meisten Lebewesen beherbergt: Über 1000 Insektenarten können hier vorkommen, darunter alleine 500, die auf keiner anderen Baumart überleben können. Die Eiche habe damit eine riesige Bedeutung für die Artenvielfalt im Wald, unter anderem auch für Moose und Flechten.

Der Eichelhäher

In enger Symbiose mit der Eiche lebt der Eichelhäher, welcher sich von Eicheln ernährt. Diese versteckt er im Herbst nicht etwa am dunkelsten Ort im Wald, zum Beispiel unter der Eiche, sondern dort, wo die Lichtverhältnisse ideal sind. Im Frühling sucht er die Verstecke auf, frisst jedoch von den aufgekeimten Eicheln nur die Keimblätter weg, dass dass der Rest der Pflanze überlebt und weiterwachsen kann. Damit sorgt er für die Verbreitung der Eiche. Er kann übrigens bis zu elf Eicheln aufs Mal ins Versteck bringen, indem er zehn Eicheln in den Kropf würgt und die elfte, die grösste und vitalste,  in den Schnabel nimmt. Mit der schweren Fracht fliegt er bis zu fünf Kilometer weit und sorgt damit für die Verbreitung des robusten Baumes.

Hier wurde das Nest in grossem Massstab nachgebaut, der Kobel.

Das Eichhörnchen

Der Name hat trotz Namensähnlichkeit  nichts mit der Eiche zu tun, sondern kommt vom mittelhochdeutschen Wort „Eid“, flink: das flinke Hörnchen. Das Eichhörnchen ist das einzige Lebewesen im Wald, das sich durch alle Schichten des Waldes bewegt, von der Bodenschicht bis zur Krone.  Das Eichhörnchen baut für seine Nachkommen ein kugelrundes Nest, wo es seine Jungen aufzieht – den Kobel. Im nachgebauten Kobel können sich Kinder verstecken und sich fühlen wie die jungen Eichhörnchen. 

Zum Abschluss gab es eine feine Bechinger-Bratwurst frisch vom Grill.

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