1.11.2021
Nachhaltig und gemütlich – so leben Zanolaris
Auf kleinem Fussabdruck - eine Oberhofstetter Familie macht es vor.
Text: Claudia Jakob, Fotos: Claudia Jakob, Andreas Zanolari
Der aktuellste Bericht des Weltklimarats, der Anfang August veröffentlicht wurde, zeichnet ein düsteres Bild für die Zukunft unserer Erde, wie wir sie heute kennen: Die Klimaerwärmung nimmt ihren Lauf und Extremwettersituationen werden auch in unseren Breitengraden häufiger auftreten. Während unsereins immer noch gerne um die Welt jettet und mit dem SUV herumfährt, lebt eine naturliebende Familie so nachhaltig wie möglich, ohne auf Komfort zu verzichten.
Wer schon einmal im Winter nicht auf die Solitüde steigen wollte, weil es mit dem Schlitten zu beschwerlich war, hat vielleicht den kleinen Hang angrenzend an den Hafnerwald als Piste benutzt. Mit viel Schuss landet man fast bei der Familie Zanolari im Garten: die Eltern Bettina und Andreas mit den drei Kindern Mattia (5), Carla (4) und Lorena (2). Ihr Haus hebt sich von den anderen im Quartier ab: Es wurde aus Massivholz gebaut und hält, man kann es fast nicht glauben, nur mit Holzdübeln, ohne Leim und beinahe ohne Schrauben. Eine natürliche Bauweise, aus natürlichen Stoffen und mit einer feinen Technik ausgestattet – dieses Haus fasziniert und macht Lust auf Nachhaltigkeit und Ökobewusstsein!
Wie alles begann
Das Ehepaar Bettina und Andreas Zanolari lebt schon seit vielen Jahren im Quartier Riethüsli, früher noch zur Miete an der Hochwachtstrasse. Auf der Suche nach einem Eigenheim stiessen sie auf ein geplantes Doppeleinfamilienhaus am Rande des Hafnerwaldes. Sie entschieden sich im Jahr 2012 zum Kauf der einen Hälfte, jedoch verzögerte sich der Bau des Hauses bis März 2014, weil die andere Haushälfte nicht verkauft werden konnte.
Da Andreas daran interessiert war zu erfahren, wer ihre Nachbarn werden sollten, fragte er beim Architekten nach. Wie erstaunt war er, dass es der Landbesitzer selbst war, da er den Bau des Hauses vorantreiben wollte. Die Umstände und der Zufall wollten es so, dass Zanolaris und der Landbesitzer sich darauf einigen konnten, dass sie das gesamte Land kaufen, den Architekten behalten, jedoch ein eigenes Projekt realisieren konnten. Somit wurden die Karten neu gemischt, Bettina und Andreas konnten von Neuem beginnen und ihre Vorstellungen sowie Visionen in die Planung einfliessen lassen.
Gut planen und gut bauen
Da nun kein bestehender Plan mehr da war und es nicht mehr nur darum ging, welche Küche oder Fliesen man aussuchen sollte, begann für Andreas und Bettina der grosse Gestaltungsprozess. Auf die Frage, wer mehr Einfluss nehmen konnte, antwortete Bettina: «Ich habe Andreas viel Handlungsspielraum gelassen, da ich ihm vertraut habe und selbst zu wenig Ahnung von allem hatte.»
Andreas las sich in viele Bereiche ein, besuchte Messen, tauschte sich mit vielen Handwerkern aus und bekam mit der Zeit ein klares Bild von ihrem Heim. «Ich möchte in einem Haus wohnen, dessen Bauweise ich verstehen kann. Ich wollte den Prozess nachvollziehen können sowie das Material und seine Eigenschaften kennen. Ausserdem war es mir wichtig zu wissen, wer daran arbeitet und woher das Material kommt.»
Nach langer Recherche entschieden sie sich für einen Massivholzbau der Firma Nägeli AG in Gais. Ab Dezember 2014 wurden die Elemente vorgefertigt, im Juni 2015 stand das Haus am Rande des Hafnerwaldes schon, innerhalb eines Tages wurde es aufgerichtet. Die beiden liessen es sich nicht nehmen und schliefen schon an diesem Abend zum ersten Mal, damals noch auf Mätteli und in einem Schlafsack, in ihrem eigenen Zuhause – umgeben vom wohligen Holzduft und ohne Betonfeuchte.
Bettina war damals mit ihrem ältesten Sohn Mattia schwanger. Als er im September zur Welt kam, verbrachte der Kleine fast jede Minute auf der Baustelle, doch er liess sich weder von der Kreissäge noch vom Surren der Akkuschrauber wecken. Auch die ganze Umgebung wurde in den folgenden Jahren von ihnen gestaltet und selbst angelegt.
Selbst Hand anlegen
Kaum stand das Haus, begann nun die grosse Arbeit von Bettina und Andreas. Unzählige Stunden an Abenden und Wochenenden verbrachten sie mit Familie und Freunden im Haus und legten selbst Hand an. Sie verlegten die Böden, kümmerten sich um die Fassaden, isolierten das Dach und brachten die Holzdecken an. Bettina war damals mit ihrem ältesten Sohn Mattia schwanger. Als er im September zur Welt kam, verbrachte der Kleine fast jede Minute auf der Baustelle, doch er liess sich weder von der Kreissäge noch vom Surren der Akkuschrauber wecken. Auch die ganze Umgebung wurde in den folgenden Jahren von ihnen gestaltet und selbst angelegt.
Die beiden haben viel Liebe und Herzblut in ihr Eigenheim gesteckt, die Freude ist spürbar und springt auf einen über, wenn man ihnen zuhört.
Rund um das Haus der Familie Zanolari sind Häuser mit Mauerwerken zu sehen, die mit einer Isolationsschicht die Kälte draussen und die Wärme drinnen behalten sollen. Die Hülle ihres Hauses besteht zu hundert Prozent aus Holz, welches in einfachen Produktionsprozessen geschichtet wurde. Im Haus drinnen sind die Holzwände sichtbar. Nach 21 Zentimetern kreuzgeschichteten Massivholzlagen folgt eine 12cm dicke Holzweichfaserisolation. Auf die schützende Holzhartfaserplatte wurde noch eine hinterlüftete Holzschalungsfassade montiert. Damals aus Budgetgründen so entschieden, würde Andreas heute kompromisslos die ganze Wand aus Massivholz bauen.
Das Eindrückliche am Ganzen ist: Die gesamte Konstruktion kommt ohne Leim aus, die Elemente werden mittels Dübeln miteinander verbunden. Das Haus am Hafnerwald wurde aus 50 Tonnen lokalem Holz gebaut und speichert dadurch dauerhaft 50 Tonnen CO2 – das entspricht dem Verbrauch eines Autos über 200 000 km (welches sie auch nicht haben). Während bei Beton- oder Mauerbauten der Kälte-/Wärmeausgleich ohne Heizen innerhalb weniger Stunden bis zwei Tagen erfolgt, kann es beim Massivholzbau sieben Tage bis zwei Wochen dauern, bis der Temperaturausgleich vollzogen wurde. Das Holz sowie die Bauweise isolieren das Haus auf eine fantastische Art und Weise, welche ein angenehmes Raumklima sowie eine effiziente Heizung zulässt. Es gibt heutzutage schon Massivholz-Passivhäuser, die ohne Heizung im Winter 20 Grad Raumtemperatur halten können!
Alles Gute kommt von oben
Für die Familie Zanolari ist es wichtig, so nachhaltig wie möglich zu leben. «Wir fliegen nicht in die Ferien, sondern nehmen den Zug nach Italien», schmunzelt Andreas. So war es für sie klar, dass die Energie für das Haus ebenso nachhaltig produziert werden musste. Das grosse, nach Süden ausgerichtete Dach sorgt mit einer Solaranlage nicht nur für warmes Wasser, sondern mit der Photovoltaikanlage auch für den hauseigenen Strom. Im Keller befindet sich ein 900 Liter Wasser-Kombispeicher. Warmes Brauchwasser wird mit einer Durchlaufspirale in diesem Tank erwärmt und im Haus verteilt. Dank der frischen Aufbereitung ist eine «keimfreie» Tanktemperatur von über 60 Grad nicht nötig – was enorm Energie spart. Scheint die Sonne, wird das Wasser im Tank erwärmt, somit hat die Familie im Sommer immer heisses Wasser. Während der langen Wintermonate, manchmal auch schon in den Herbstferien, heizen sie mit ihrem modernen Holzofen. Dieser steht im Wohnzimmer und ist mit Wasserleitungen umwickelt, womit 50% der Heizenergie als erwärmtes Wasser nach unten in den Tank geleitet wird und so später als Warmwasser zur Verfügung steht.
Das Feuer trägt auch dazu bei, dass sich das ganze Haus erwärmt, da dank warmen Massivholzböden keine Bodenheizung notwendig ist. «In den Zimmern befinden sich Lehmwand-Heizungen, da nach Bauvorschrift alle Wohnbereiche auf 21 Grad geheizt können müssten», erklärt Andreas. Eigentlich könnte in einem Massivholzhaus gut darauf verzichtet werden. «Wenn wir im Winter warm duschen oder unsere Kinder baden wollen, müssen wir dafür sorgen, dass das Wasser im Tank genügend warm ist. So produzieren wir bewusst Wärme, indem wir ein Feuer in unserem Ofen entfachen. Jedoch müssen wir dies planen, da wir vier bis fünf Stunden Vorlaufzeit benötigen. Das Bewusstsein für den Energieverbrauch geben wir so schon früh unseren Kindern mit», erklärt Bettina und fügt schmunzelnd an, «eine kühle Dusche geniessen wir vielleicht dreimal pro Winter.»
Verkauf im Sommer, Einkauf im Winter
Wie viel Strom verbrauchen Sie im Jahr? Andreas und Bettina können genau Auskunft geben: Im gesamten Jahr benötigen sie 3000 kWh. Ihre Eigenproduktion beträgt jedoch 5500 kWh. Dank eines Batteriespeichers können sie 2000 kWh vom produzierten Strom selbst verbrauchen und die restlichen 3500 kWh werden für den Öko-Strom-Mix an die St.Galler Stadtwerke verkauft. «Vor allem in den Wintermonaten kaufen wir noch knapp 1000 KWh Ökostrom ein. Über das ganze Jahr können wir unseren eigenen Strom zu 40 Prozent nutzen», rechnet Andreas vor.
Der Verkauf des Überschusses zahlt sich aus. Mit dem Ertrag können sie die Stromkosten über das ganze Jahr mehr als decken, der Überschuss fliesst in die Amortisation. Wenn wir schon über Energieverbrauch sprechen: Zanolaris benötigen neben der Sonne für ein ganzes Jahr nur sechs Ster Holz. Daraus entstehen gesamthaft Nebenkosten für Holz, Strom und Wasser von knapp 150 Franken pro Monat.
Ein Garten für Tiere und Menschen
Doch nicht nur das Haus weckt das Interesse, auch der Garten ist naturnah gestaltet und bietet Platz für die Kinder, für den Gemüseanbau sowie für viele Pflanzen, Insekten und Tiere. So gibt es Bienenhäuser, Trockenmauern und Stein- und Asthaufen, welche unter anderem einen Feuersalamander beherbergen. Ausserdem hat die Familie einen Igel von der Igelstation vom Walterzoo übernommen.
Es gäbe noch so vieles mehr, welches zu erwähnen wäre: ein Naturkeller, die «Spielburg» im Estrich, das Cargo-Velo – eine unendliche Fülle an Ideen und Inspirationen, die den Rahmen dieses Artikels sprengen würden.
Während des kurzen Nachhausewegs nach dem Gespräch auf der von der Abendsonne beschienenen Terrasse der Familie Zanolari gehen mir viele Gedanken durch den Kopf. Inspiriert durch ihre konsequente Lebensweise, so bewusst wie möglich zu leben, überlege ich mir, wie wir unser Zuhause nachhaltiger gestalten und so für unsere Kinder eine bessere Zukunft ermöglichen können.
Der Beitrag erschien zuerst in der QZ Riethüsli-Magazin PDF
Autor/in: Claudia Jakob | 1.11.2021 | Keine Kommentare | Tools: