23.

15.03.2022

Oberhofstetter Familien initiieren Aufnahme von Flüchtlingsfamilien

«Initiative Ukraine @Riethüsli» gegründet.

Bettina und Andreas Zanolari hatten in einer der letzten Ausgaben der Quartierzeitung ihr nachhaltiges Einfamilienhaus in Oberhofstetten vorgestellt. Jetzt wollen sie vorangehen und einer ukrainischen Mutter mit Kind(ern) vorübergehend  Obdach gewähren. Archivfoto: zVg.

„Die aktuelle Situation in der Ukraine ist einfach nur schlimm und macht uns unglaublich traurig! Wir planen Flüchtlinge aus der Ukraine bei uns aufzunehmen und möchte zusätzlich eine „Ukraine@Riethüsli“ Gruppe organisieren“.

So lautete der Text der Initiative, die Andreas Zanolari zusammen mit seiner Frau Bettina und NachbarInnen am Wochenende startete. Innert kurzer Zeit wurde viel Bereitschaft im Quartier und darüber hinaus spürbar.

Andreas Zanolari gab uns Auskunft über seine Ziele und den Stand der Aktion.

Die Fragen stellte Erich Gmünder

Wie ist die Idee entstanden

Andreas Zanolari: Dass wir uns vorstellen können, Flüchtlinge bei uns zu Hause aufzunehmen, haben wir schon in den ersten Kriegstagen in unserer Familie besprochen und uns bald dafür entschieden. Wir sahen die Bilder und wollten helfen. Spontan dachten wir an eine Mama mit kleinen Kindern oder in der Schwangerschaft, welche nun allein in die weite, unbekannte Welt geflohen ist. In unserer privaten Situation könnten wir «ihr» die beste Unterstützung bieten.

Über meine Kinder erfuhr ich am Freitag von einer anderen Familie im Quartier, welche auch Flüchtlinge aufnehmen möchte. Diesen Sonntag las ich wieder einige News und fühlte – wie so oft in den letzten Tagen – eine starke Ohnmacht. Einfach nur darauf zu warten, bis sich Campax oder die Stadt bei uns melden, «jetzt haben wir jemanden für euch», war keine Option. Ich wollte jetzt schon etwas tun. Ich fragte bei der erwähnten Familie nach, wie sie sich das vorstellen, was sie schon gemacht haben und da merkte ich, dass dieser Austausch vorab guttat und wertvoll war. Die Idee einer «Initiative Ukraine @Riethüsli» war nun da.

Warten war nicht angesagt. Also nutzte ich den WhatsApp Chat «Marktplatz Riethüsli» mit 100 Mitgliedern, um Unterkünfte und Helfer ausfindig zu machen. (Anmerkung: Ich hatte vor ca. 1 Jahr dem Meta-Konzern den Rücken gekehrt. Wegen Putin habe ich nun Whatsapp nochmals installiert.)

Wie habt ihr euch organisiert?

Da die Aktion erst 2 Tage alt ist, sind wir noch nicht organisiert. Ich sammle zurzeit einfach die Angebote aus dem Quartier, damit wir einen Pool mit allen Informationen bezüglich Flüchtlinge im Riethüsli haben. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es eine Art Organisations-Team gibt, welches sich die Quartierarbeit in der Sache etwas aufteilt. Da gehören Private gleichermassen dazu wie Institutionen. Dafür müssen sich aber erst einmal die Aufgaben konkretisieren.

Wer kann da mitmachen und wo können sich Interessierte melden?

Alle! Jede/r, der/die helfen will! Da es sich um eine Quartierinitiative handelt, ist die einzige (verhandelbare) Bedingung Wohn-/Arbeitsort Riethüsli.

Wer ist die Ansprechperson gegenüber der Öffentlichkeit?

Das bin zurzeit ich. Falls wir ein Projektteam gründen, wenn es zu gegebener Zeit Sinn macht, werden die Rollen neu verteilt.

Was ist das Ziel der Vernetzung?

Zweck der Gruppe ist:

  • Netzwerk für Helfende im Quartier
  • Austausch unter den Haushalten mit Flüchtlingen
  • Netzwerk für die Flüchtlinge selbst im Quartier
  • Pool für Angebote und Unterstützungsanfragen (ich bräuchte für meine Flüchtlinge…/ ich hätte…)
  • Basis für weitere Ideen, wie Ukrainer-Anlässe ausserhalb der Host-Familien (Flüchtlinge lernen Flüchtlinge kennen/ können sich austauschen)
  • etc.

Das Ziel besteht zurzeit vor allem darin, Informationen zu sammeln und ein Netzwerk aufzubauen, das sich agil positioniert. So sind wir fähig, rasch und gut zu reagieren, egal, welche Aufgaben auf uns zukommen. Wir dürfen nie vergessen, dass es um Menschen in höchster Not geht und davon gibt es aktuell in Europa – leider – Millionen!

Trefft ihr euch nur via WhatsApp oder auch physisch?

Die WhatsAppgruppe war der erste Schritt (da sehr schnell umsetzbar). Ich habe aber auch schon persönliche Gespräche geführt mit Nachbarn (Anmerkung: Bernadette und Ruedi Steiger), welche seit ein paar Tagen schon zwei ukrainische Frauen beherbergen. Sie werden vom Schwiegersohn administrativ unterstützt und haben auch zur Initiative in Teufen (Tagblatt berichtete ausführlich) gute Kontakte.

Wenn es dann losgeht, möchte ich sicherlich auch physische Treffpunkte aufgleisen. Wenn uns der Krieg etwas zeigt, dann, dass wir Menschen sind. Und Menschen müssen einander «spüren», nicht nur digital organisieren.

Wie ist der aktuelle Stand? Wo könnt ihr die Familien unterbringen? Für wie viele Personen habt ihr schon Angebote? Wer vermittelt euch die Flüchtlinge?

Per Dienstagnachmittag haben wir 7 Haushalte im Quartier, welche Zimmer bis hin zu einem ganzen  Stockwerk oder einer Einliegerwohnung anbieten können. Das könnte für 20-30 Personen reichen. Dazu kommen ca. 20 Helfer*Innen, welche nicht die Möglichkeit haben, Flüchtlinge zu beherbergen, aber trotzdem helfen wollen. Die Angebote reichen von Übersetzungsangeboten (Russisch, Weissrussisch), über die Stadt zeigen, den ÖV kennen lernen, Deutschkurse, Kinderbetreuung, Kontakte für Studierende und Dozierende an der OST oder einfach «Ich helfe, wenn es mich braucht. Meldet euch!»

Fast alle Haushalte haben sich selbst bei Campax oder der Gemeinde gemeldet und Platz angeboten. Heidi Kundela hat zusätzlich direkten Kontakt zu einem Projekt in Seewis (darüber habt ihr ja schon ausführlich berichtet). Wenn der Krieg nicht «überraschend» schnell endet, werden wir sicher alle Plätze brauchen. Die Medien reden schon von potenziellen 15 Millionen Flüchtlingen für «Westeuropa».

Habt ihr fachliche Unterstützung? Beispielsweise durch Flüchtlingsorganisation, Ukrainervereinigung oder durch Stadt und Kanton? Oder seid ihr auf euch allein gestellt?

Noch nicht. Dafür ist es noch zu «früh», bzw. hatte ich noch keine Zeit, mich darum zu kümmern. Bei den Sozialen Diensten ist die Initiative platziert, aber die werden zurzeit auch alle Hände voll zu tun haben. Mit Vertretern der Schule Riethüsli und der Kirche Riethüsli hatte ich schon Kontakt und beide Institutionen unterstützen gerne. Am Donnerstag trifft sich das Leitungsteam beider Kirchen im Quartier und bespricht, wie sie einen Beitrag leisten können. Elisabeth Weber erzählte mir von einem Projekt der HEKS, welche Familien mit Flüchtlingen beratend zur Seite stehen kann und sie ist auch in einer Gruppe der Stadt, welche Begegnungsorte für Flüchtlinge organisieren möchte. Es sind alle irgendwo dran und ich bin sicher, dass sich die richtigen Stellen zur rechten Zeit finden. Alle Menschen, mit denen ich spreche, möchten helfen und halten die Augen und Ohren offen für Möglichkeiten. Das stimmt mich sehr zuversichtlich und ist Balsam für die Seele!

Wie wurde die Idee aufgenommen? Wie ist die Stimmung gegenüber den Flüchtlingen?

Die Reaktionen waren meist sehr positiv. Viele begrüssen die Initiative, es geht nun etwas, denn viele wollen helfen. Einige deponieren aber auch Respekt vor dem, was wir tun – also nicht primär die Organisation dieser Initiative, sondern die private Aufnahme von Flüchtlingen. Wir hätten doch schon 3 Kinder und im Sommer kommt das vierte. Weshalb wir das trotzdem machen, fragen sie sich….

Wir leben so privilegiert, wie kein Prozent auf dieser Erde. Auch wenn unsere private Situation nicht nur «Schoggi» ist, haben wir mehr als genug, es geht uns so gut und das möchten wir teilen. Ich bin überzeugt, dass alles, was man gibt, irgendwann in irgendeiner Form zurückkommt und wenn nicht, hat es mich trotzdem glücklich gemacht, weil es anderen dadurch besser ging.

Anfragen und Angebote an Andreas Zanolari, andreas@zanolari.com, Mobile 079 229 60 92.

Mehr zum Thema

Kommentieren

Die Angaben "E-Mail-Adresse", "Adresse" und "PLZ/Ort" werden nicht veröffentlicht, sondern dienen zur eindeutigen Identifizierung der Urheberschaft. Bitte alle Felder ausfüllen.