20.04.2022
«Diese Fröhlichkeit und Dankbarkeit – einfach unbeschreiblich»
Gleich drei Einweihungen in der gleichen Woche - Agnes Benz von Hand für Afrika blickt zurück.
Erich Gmünder, Text und Fotos
Agnes Benz sucht nach Worten, wenn sie gebeten wird, ihre Gefühle bei der Einweihung der Krankenstation in Ngascop, einem kleinen Dorf weitab von der Landstrasse zu beschreiben. «Über 3000 Menschen feierten mit uns bis in den späten Abend hinein, ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man sieht, mit welcher Dankbarkeit und Freude ein solches Werk von der Bevölkerung angenommen wird.»
Agnes Benz war seit Anfang März fast sechs Wochen in Senegal auf ihrem 46. Trip unterwegs zu den verschiedenen Projekten ihres Hilfswerks Hand für Afrika, das vor bald 20 Jahren im Riethüsli gegründet wurde.
Auf dem Programm der Delegation des Vorstandes standen diesmal gleich drei Einweihungen: Die neue Krankenstation, die grosszügige Erweiterung der Schule in Khombole sowie die Inbetriebnahme von drei Getreidemühlen im Landwirtschaftsprojekt in Godèle, das vor 14 Jahren mit Unterstützung von Hand für Afrika gestartet wurde. Doch der Reihe nach.
Warum nun eine Krankenstation
Hauptaufgabe des Hilfswerks ist es eigentlich, den Kindern aus einfachen Verhältnissen mit Hilfe von Spenden und Patenschaften – insgesamt sind es zurzeit über 1000 – den Schulbesuch zu ermöglichen. Doch es wird nicht weggeschaut, wenn bei einem der regelmässigen Besuche andere Bedürfnisse sichtbar oder Wünsche an sie herangetragen werden. So entstand vor drei Jahren eine einfache Krankenstation mit drei Räumen in der Pfarrei Ngascop. Doch diese stiess bald an ihre Grenzen: Immer mehr Mütter wollten hier in geschütztem Rahmen ihre Kinder gebären, oder Menschen suchten sie bei schwerer Krankheit oder mit Verletzungen auf, eine Art Notfallstation.
Deshalb wuchs der Wunsch, für die Menschen im Einzugsgebiet eine grössere Station zu bauen. Der Boden wurde von einem einheimischen Christen geschenkt, dessen Familie auch die Hauswartung übernimmt. Dank tatkräftiger Unterstützung eines Ärzteehepaars aus dem Thurgau und finanzieller Hilfe des Schweizer Hilfswerks Kinder in Not sowie weiterer grosser Sponsoren dauerte es von der Idee bis zur Realisierung durch eine einheimische Architektin und Handwerker nur gerade ein Jahr.
Die Krankenstation abseits der Landstrasse
Der Ort Ngascop liegt im Einzugsgebiet von 54’000 Menschen. Die nächstgelegene Krankenstation in Bambey ist für Menschen, die nicht über ein Pferde- oder Eselgespann oder ein Motorrad verfügen – ein Auto ist hier selten zu sehen – nur durch lange Fussmärsche zu erreichen. Eigentliche Strassen gibt es hier nicht, sondern nur Sandpisten, wo es in der Regenzeit jeweils kaum mehr ein Durchkommen gibt.
Geführt wird die neue Station von Ordensfrauen mit Pflegediplom, sie werden unterstützt durch einheimische Hebammen und Pflegefachleute. Einmal pro Woche hält ein Arzt Sprechstunde. Als Krankenauto dient ein Tricycle, ein dreirädriges Fahrzeug, das die Patienten zu Hause in den Dörfern abholt oder bei schweren Fällen in ein Spital in einer der nächstgelegenen Städte bringt.
Die neue Krankenstation umfasst insgesamt 19 Räume, alle eingerichtet mit Hilfsgütern von Hand für Afrika aus der Schweiz, die in zwei Containern von Hand für Afrika angeliefert wurden: Das reicht von Spitalbetten – gespendet vom Notkerianum in St. Gallen – die hier ein zweites Leben erhalten, über zahlreiche Büromöbel bis zu medizinischem Material und Medikamenten, die von Schweizer Firmen gespendet wurden.
Ein Volksfest
Kaum eingerichtet, stand das grosse Einweihungsfest an. Draussen wurde von den Frauen an rund 50 Kochstellen das Mittagessen für die erwarteten 2000 Gäste zubereitet.
Im Festzelt überboten sich die Vertreter von Staat und Religionsvertretern im Loblied auf das Werk: Eine Vertreterin des Gesundheitsministeriums, der Dorfchefs und Stadtpräsidenten, Botschaftsrat Mathias Domenig von der Schweizer Botschaft in Dakar, der zuständige Bischof André Gueye aus Thiés bis zu den katholischen Geistlichen und den Imamen aus den verschiedenen Dörfern zeigten sich begeistert.
Die Trommeln lockten immer mehr Leute heran, die Polizeimusik spielte, die Leute begannen zu tanzen und blieben bis in den späten Abend.
Schätzungsweise 3000 Menschen waren es am Schluss.
Sechs Klassenzimmer für 500 Schüler
Auf dem Programm standen aber noch zwei weitere grosse Einweihungen. Einerseits die Schule Ste. Thérèse de Lisieux in der Stadt Khombole. Hier besuchen 400 Schüler den Unterricht, bisher auf sechs Klassen verteilt, mit Klassengrössen bis zu 7o Kindern. Nun wurde nicht nur ein neues Schulgebäude mit weiteren sechs Klassenzimmern in Betrieb genommen, sondern auch ein Kindergarten mit drei Klassen, ein Administrativgebäude mit Bibliothek, Informatikzimmer und Sekretariat. Zusätzlich wurde das Schulgelände mit einer Mauer umfriedet. Geplant ist auch ein Sportplatz. Aufgrund der grossen Nachfrage ist bereits ein weiteres Schulgebäude mit sechs Klassenzimmern geplant, sowie ein Collège mit Maturitätsabschluss zur Vorbereitung auf den Besuch der bereits bestehenden Universität.
Auch hier wurden die Gäste und Geldgeber aus der Schweiz von Kindern und Erwachsenen frenetisch gefeiert.
Selbstversorgung für sechs Dörfer
2008 wurde auch das erste Landwirtschaftsprojekt in der Region Godèle in Angriff genommen. Hier werden Gemüse, Früchte wie Mangos und Cashewnüsse angebaut, primär zur Selbstversorgung, der Überschuss wird auf den Märkten verkauft. Mittlerweile umfasst das Projekt bereits acht Dörfer, die vom Ertrag leben.
Für die Bewässerung wurden Dutzende Zisternenbrunnen gebaut, die das kostbare Nass aus rund fünf Metern heraufbefördern. 2020 wurde ein Entsalzungsdamm gebaut, um die fruchtbare Erde zu schützen. Zusätzlich wurden in den letzten Jahren 60 Trockenklos gebaut, welche insbesondere den Frauen den Schutz der Privatsphäre ermöglichen.
Nun wurden im Rahmen eines grossen Volksfestes gleich drei elektrische Getreidemühlen in Betrieb genommen. Diese erleichtern insbesondere die mühsame Arbeit der Frauen, welche die Hirse von in althergebrachter Weise von Hand mahlen mussten. Sie werden von Strom angetrieben, der von einer Photovoltaikanlage produziert wird.
Auf dem anspruchsvollen Reiseprogramm stand auch ein Besuch bei Landfrauen, die mit einem Mikrokredit arbeiten.
Die Caurie-Bank, einst von Abbé Ambroise, Mitgründer des Hilfswerks Hand für Afrika ins Leben gerufen, ermöglicht mittlerweile 117’000 Frauen die Existenzsicherung und Weiterentwicklung ihres Kleingewerbes als Bäuerin, Händlerin oder Schneiderin.
Autor/in: Erich Gmünder | 20.04.2022 | 1 Kommentar | Tools:
André Bamat
25.04.2022 / 15:05 Uhr
Ein sehr gelungener und ausführlicher Bericht. Es ist schön zu sehen, wie engagierte Leute ihre Unterstützungsprojekte direkt mit lokalen Vertretern/Innen umsetzen können. Dem Autor Erich sei gedankt für seinen Beitrag.