18.01.2020
Wo Kinder ihre Kreativität voll entfalten können
Neuerdings im Riethüsli zuhause: Die «kleine kunstschule» neben unserem Bahnhof.
Im Rahmen der Museumsnacht öffnete der Verein «kleine kunstschule» die Türen zu den neuen Räumlichkeiten am Riethüsliweg 7 einer breiteren Öffentlichkeit. Seither finden im Riethüsli regelmässig unterschiedliche Kunst- und Gestaltungskurse für Kinder und Jugendliche statt.
Elisabeth Weber
Im Riethüsli hat die Schule nach 15 Jahren Arbeit an der Kleinbergstrasse 1 in St.Gallen ein neues Zuhause gefunden. Das Atelier befindet sich im ersten Stock des Gebäudes, das gegenüber der Haltestelle der Appenzellerbahnen liegt. Es ist geräumig und erinnert an einen Werkraum, den SchülerInnen aus der Schule bereits kennen. Überall gibt es Werkzeuge, Holzbearbeitungsmaschinen sind in einem abgetrennten Raum. Zwei Werkbänke und Regale mit unterschiedlichsten Materialien begrüssen den Gast.
Selber Erfahrungen machen
Es ist Samstag. Die «offene Werkstatt» ist geöffnet. Zwei Jungen arbeiten bereits selbstständig an der Werkbank. Konzentriert, mit einem Holz-stechbeutel in der Hand werden aus einem Stück Holz, das eingespannt ist, Holzspäne entfernt. Eine Kugel soll es werden. Sie lachen und lassen sich nicht von der Frage verunsichern, ob ein grösser Holzwürfel ihre grossartige Projektidee nicht erleichtern würde. Auf die Situation angesprochen, lächelt Esther Wiesli, Vorstandsmitglied des Vereins «kleine kunstschule», St.Gallen. «Bei uns wird prozessorientiert gearbeitet», fügt sie an. Die Jugendlichen sollen in der offenen Werkstatt genau solche Erfahrungen machen dürfen, wie es der Versuch zeigt, aus einem verhältnismässig kleinen Holzwürfel eine Kugel herauszuarbeiten.
Erweitern Menschen nicht eben dadurch ihre Werk- und Fachkompetenz? Das Lernen an und durch Experimente, das Verwerfen von Methoden, der Umweg ist für das Werkverständnis des Vorstandsmitgliedes zentral. In der Tat können Kinder und Jugendliche am Riethüsliweg 7 sehr vielseitig experimentieren, ausprobieren, testen, Spuren legen und kopieren. Die Werkstatt stellt nicht nur ein breites Angebot an Werkzeugen und Maschinen zur Verfügung. Auf den Regalen finden sich auch unterschiedlichste Materialien: Ton, Stein, Wasserfarbe, Abfall, Textilien, Kreide, Gips, Holz, Papiermaché, Draht und Naturmaterialien. Der Entfaltung der eigenen Kreativität scheint von Seiten der Anbieter definitiv nichts im Weg zu stehen. Sogar eine Nähmaschine könne das Atelier Interessierten zur Verfügung stellen.
Experimentierfreude wecken
Der Blick auf die weiteren im Raum anwesenden acht Kinder, die am Nebentisch konzentriert arbeiten, zeigt, dass im Gestaltungsatelier auch Technik und künstlerisches Know-how von ausgewiesenen Fachpersonen vermittelt wird. In den Kursen, zu denen sich maximal zehn Kinder verbindlich gegen eine Kursgebühr anmelden können, werden während 16 Wochen à 2 Lektionen in Gruppen mit Gleichaltrigen nicht nur unterschiedlichste Kreativitätstechniken vermittelt. Esther Wiesli geniesst an der Kursarbeit auch die gegenseitige Freude am Arbeiten, Entwickeln. Die durch den Kurs gewährleistete Kontinuität hilft den Kindern, ihre Fortschritte nicht nur zu sehen, sondern sie auch zu dokumentieren, eines von zehn Qualitätsmerkmalen der 13 schweizerischen Bildschulen, zu denen sich auch die «kleine kunstschule» zählt.
Bei uns, sagt das Vorstandsmitglied aus Erfahrung, bestehen viele Möglichkeiten, Ideen untereinander auszutauschen. Sie selbst profitiere als ausgebildete Werklehrerin davon. Darin sieht sie neben dem tollen Team, das relativ lose organisiert zusammenarbeitet, einen Teil ihrer persönlichen Motivation, sich unentgeltlich im Verein zu engagieren.
Das Vorbild stammt aus Finnland
Das Vorbild des Konzeptes, dem sich die «kleine kunstschule» verschrieben hat, stammt aus Finnland. Dort gibt es seit Jahrzehnten Gestaltungsschulen. Sie funktionieren ähnlich wie die Musikschulen. Wer dort Unterricht bezieht, erfährt Bildung, die deutlich über das hinausgeht, was die Schulen im Bereich Musik bzw. Gestaltung vermitteln können.
In der schweizerischen Bildungslandschaft ist das finnische Gestaltungsschulkonzept noch nicht so lange verankert. 13 sogenannte Bildschulen haben sich im Laufe der letzten Jahre zusammengeschlossen. Sie haben ein gemeinsames Konzept erarbeitet mit den wichtigsten Grundsätzen und Qualitätsmerkmalen. Die Vorstandsmitglieder nehmen an regelmässig stattfindenden Konferenzen teil.
Alle sollen es sich leisten können
Der Verein «kleine kunstschule» finanziert sich mit Kursgeldern und mit Spenden von Privatpersonen und Stiftungen. Die Sicherung der Finanzierung ist Aufgabe des Vorstandes. Entschädigt werden lediglich Kursleiterinnen und Kursleiter. Mittlerweile besteht auch ein Fond, der finanziell schwächeren Familien eine Kurskostenreduktion ermöglichen kann. Alle Kinder, die gestalterisch tätig sein möchten, sollen die Möglichkeit erhalten, Kurse zu belegen oder in der offenen Werkstatt ein eigenes Projekt zu realisieren.
Die Frage, worin sich die Kunstschule von dem offenen Kunstlabor des Kunstmuseums bzw. von dem Kinderkunstklub unterscheidet, hat Esther Wiesli schnell beantwortet. «Wir lehnen uns nicht nur an fertige Kunst an.» Das ist der wichtigste Unterschied. «Bei uns besteht keine Anbindung an ein Museum.» Esther Wiesli ist bewusst, dass im Gestaltungsatelier dennoch ähnlich gearbeitet wird, wie es Kinder und Jugendliche im Kunstlabor oder im Kunstclub tun. Die Eigeninitiative des Kindes steht im Vordergrund. «Wir haben nicht den Anspruch, dass alles, was geschaffen wird, dann auch Kunst ist. Wir sind zufrieden damit, dass sich Kinder mit dem, was um sie herum ist, beschäftigen und dafür eine Form finden. Wir lehnen uns an Joseph Beuys Aussage: «Alles ist Kunst und jeder ein Künstler.»
«kleine kunstschule»
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Autor/in: Nicola Zoller | 18.01.2020 | Keine Kommentare | Tools: