12.09.2020
Nun erklingt das Glöcklein im Verein mit den drei Grossen (VIDEO)
Feierlicher Aufzug und erstmaliges Geläute der vereinigten Riethüsler Kirchenglocken.
Bildbericht: Erich Gmünder
Mit einem klassischen Glockenaufzug durch die Schuljugend, einem Festakt und einem besinnlichen Moment, als die vier Glocken erstmals gemeinsam im Kirchturm läuteten, feierten die beiden Kirchen im Riethüsli das Zusammengehen in der „Gmeinsam-Kirche“.
Der ergreifendste Moment kam ganz am Schluss des vierstündigen Festes: Als das kleine Glöckchen der katholischen Kirche punkt 14.45 Uhr erstmals zu schwingen begann und mit seiner hellen Stimme vor allem die Herzen der alteingesessenen Katholiken berührte. Einige unter ihnen bekamen feuchte Augen oder Hühnerhaut. Vor allem jene, die vor 33 Jahren den Glockenaufzug und die Einweihung des Kirchenprovisoriums noch selber miterlebt hatten.
Nach einigen Minuten ertönte das volle Geläute – die vier klangen einträchtig und harmonisch zusammen -, um schliesslich der kleinen Glocke am Schluss nochmals die Szene zu überlassen.
IM VIDEO: Zum ersten Mal läuten die Glocken vom Riethüsli im gleichen Turm
GALERIE GELÄUTE UND DENKMALENTHÜLLUNG
Das Denkmal erinnert an die 33-jährige Geschichte der katholischen Kirche
Den Anfang des nachmittäglichen Festaktes machte die Enthüllung des kleinen Denkmals am Fusse des Kirchturms, wenige Meter neben dem Standort der inzwischen abgebrochenen katholischen Kirche. Hier erinnert nun das Turmkreuz zusammen mit dem steinernen Sockel des Ambos an die kurze, 33-jährige Geschichte der katholischen Kirche im Riethüsli – ein messianisches Alter.
Der Güggel auf der evangelisch-reformierten Kirche stehe als Wetterhahn für das Symbol des Weckrufs am Anfang des Tages, aber auch als mahnende Erinnerung an die Verleugnung Jesu durch den Apostel Petrus in der Passion, wo der Hahn, wie von Jesus vorausgesagt, gekräht hatte nach der dritten Verleugnung Jesu durch den späteren ersten Papst der katholischen Kirche.
„Ab heute kommt also das katholische Kreuz dem reformierten Wetter-Güggel ganz schön nahe, so nahe wie kaum irgendwo anders“, sagte Andres Büsser, der als Mitglied des Kirchenparlamentes die treffenden Worte für den feierlichen Moment fand.
In Wirklichkeit sei die Skulptur mit dem Kreuz auf dem Stein nämlich ein „ganz katholisches Symbol“. Schliesslich habe der Liebe Gott nach der Überlieferung zu Petrus gesagt: Du bist der Fels, auf auf diesem Felsen werde ich meine Kirche bauen. „Dass dieser fundamental katholische Petrusbezug sich hier im Schatten des stolzen reformierten Güggels jetzt so breit machen kann“, könne als gutes Zeichen für das paritätische und ökumenische Zusammenleben im Riethüsli verstanden werden.
50 Kinder ziehen an einem Seil
Den Anfang des Festtages machte der feierliche Aufzug der kleinen Glocke auf den Turm der evangelischen Kirche. Mit vereinten Kräften zogen Dutzende Kinder die 180 kg schwere, bekränzte Glocke in die Höhe, wo sie von Mitarbeitern der Glockenfirma Muff in das Geläute integriert wurde.
GALERIE GLOCKENAUFZUG
Zusammenwachsen
Die Zeit, bis das Geläute bereit war zum gemeinsamen Erklingen, wurde überbrückt mit einem Mittagessen und Ansprachen im Festzelt.
Die Vertreter der beiden Kirchen beschworen den ökumenischen Geist der Zusammenarbeit über die Konfessionsgrenzen hinaus, der mit diesem Tag besiegelt wurde.
„Eine glückliche, wilde Ehe“
„Was hier an verschiedenen Tönen zusammenkommt, ist pure Harmonie“, sagte Armin Bossart. Zwar hätten die vier Glocken schon seit über drei Jahrzehnten – ganz bewusst aufeinander abgestimmt – in enger Nachbarschaft geläutet. „Was aber bislang als Konkubinat, in getrennten Haushalten, gelebt wurde, zieht heute in die erste gemeinsame Wohnung. Es mag noch eine wilde Ehe sein, aber es ist eine glückliche.“
Er sehe das auch als Sinnbild für das gute Zusammenleben im Riethüsli von Evangelisch-Reformierten und Römisch-Katholischen. Je einzeln, je für sich, funktioniert es. «Zusammengefügt als harmonische Einheit entfaltet sich erst der volle Klang und die volle Wirkung. Heute erleben wir den Beweis, dass 4 eben mehr ist als 3+1.»
Einklang im Mehrklang
„Heute, mit dem Glockenaufzug, haben wir unserem Haus ein weiteres, wundervolles Zeichen von Gmeinsam gegeben, mit ausserordentlicher Symbolkraft“, sagte Nadeshna Lay, fragte aber gleich kritisch: „Was haben wir da gerade gemacht? Was werden wir hören, wenn später an diesem Tag die Glocken läuten? Werden wir eine katholische Glocke hören, die kein Zuhause mehr hat und und in einem reformierten Turm Gastrecht geniesst? Sehen wir einen reformierten Turm, der einer katholischen Glocke ohne eigenes Haus grosszügig Gastrecht gewährt, weil da genug Platz ist? Oder werden wir ein Geläut hören – Einklang im Mehrklang – eine klingende Einladung in dieses Haus an uns alle?
Wenn wir uns anstrengen, werden wir sie immer auseinander halten könnten. Wir werden immer wissen, welches die katholische Glocke ist und welchen Ton die reformierten läuten. Aber ich bin ziemlich sicher, wenn wir einfach nur hinhören und die rufende Musik geniessen: Dann ist es nur einziges ‚gmeinsames‘ Geläut, das jetzt noch einladender klingt als zuvor.“
Die drei jungen Magier Emil, Joah und Julian aus dem Quartier unterhielten das Publikum mit bezaubernden Kunststücken, während sich die Gäste beim Lunch vom Grillstand, Salat- und Kuchenbüffet verpflegten.
Weitere Bilder in der GALERIE
Autor/in: Erich Gmünder | 12.09.2020 | Keine Kommentare | Tools: