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7.07.2023

Holzblasinstrumente und ihre Geschichten

Holzinstrumentenbauerin: Lisa Winiger wohnt in unserem Quartier.

Lisa Winiger in ihrer Werkstatt.

Fanfarenklänge, Fasnacht, Filmmusik – wo begegnen Sie Blasinstrumenten? Können Sie eine Oboe von einem Fagott unterscheiden? Welche Instrumente erkennen Sie anhand Ihres Klanges? Wie viele Klappen hat eine Querflöte? Und wie reinigt man eine Klarinette?

Text: Claudia Jakob. Fotos: Lisa Winiger und Claudia Jakob

Lisa Winiger ist Profi auf diesem Gebiet, sie kennt die Holzblasinstrumente und weiss, was sie brauchen, um wieder zu klingen und zu glänzen.

Ich habe mich um 9.30 Uhr mit Lisa Winiger in ihrer Werk­statt verabredet, welche sich in St. Georgen befindet. An der Strasse weist ein Plakat auf das neue Geschäft hin – Lisa hat gerade erst am 18. März 2023 ihr Eröffnungsfest veranstaltet. Ich steige die steile Treppe hinauf und höre Stimmen. Eine Kundin mit einer Tuba ist in der Werkstatt, ein Teil muss angelötet werden. Somit ist schon mal eines klar: Hier wird nicht nur Holzblasinstrumenten geholfen, sondern allen Blasinstrumenten.

Lisa und ich haben gerade mal Zeit, einander hallo zu sa­gen, schon betritt die nächste Kundin die Werkstatt: Ihre Querflöte braucht dringend eine Revision, die junge Frau spielt in der Otmarmusik. Sie ist so froh, dass es nun in St. Gallen eine Holzinstrumentenbauerin gibt, die sich ihrer Querflöte annimmt, so kann sie sich den Weg nach Zürich oder Olten sparen. Die Kundin geht zufrieden und wir ha­ben endlich Zeit, miteinander zu reden.

Wo die Liebe hinfällt

Lisa Winiger hat sich schon als Kind mit Blasinstrumenten beschäftigt, sie spielte Saxophon. Doch bevor sie Holz­instrumentenbauerin wurde, liess sie sich im Musik Hug in Basel zur Detailhandelsfachfrau im Instrumentenverkauf ausbilden. Da es in jener Filiale eine Werkstatt für Blas­instrumente gab, folgte die Ausbildung zur Holzblasinstru-mentenbauerin. Nach deren erfolgreichen Abschluss wech­selte sie zum Musik Hug in St. Gallen mit der Absicht, ein bis zwei Jahre zu bleiben. Es wurden jedoch ganze 17 dar­aus – sie ist bis heute geblieben. Lisa traf in St. Gallen ihren Mann, mit welchem sie zwei Kinder hat und seit zwei Jah­ren nun in Oberhofstetten wohnt.

Lisa blieb bis 2013 bei Musik Hug, wurde Werkstattleiterin und führte ihre eigene Abteilung. Dies hätte sie vielleicht auch länger als acht Jahre getan, wäre die Filiale nicht ge­schlossen worden.

Hier ist Präzision gefragt!

Holzinstrumentenbauerin – eine Rarität

Während andere neue Stellen suchen müssen, wurde Lisa von ihrem neuen Arbeitgeber gefunden. Holzblasinstru-mentenbauer*innen gibt es nicht wie Sand am Meer, das sind seltene Perlen, die gefunden werden müssen. Nach acht Jahren in Anstellung wagte es Lisa, sich ihren Traum zu erfüllen: eine eigene Werkstatt in St. Gallen zu eröffnen. Ihr ehemaliger Mentor trat in den Ruhestand und überliess Lisa seine gut erhaltene Werkstatt. Doch wohin damit? Sie erzählte einer Turnerfreundin in St. Georgen von ihrem Problem, doch diese hatte gleich eine Lösung bereit: Sie hätten eine 1-Zimmerwohnung zu vermieten!

Zufälle gibt es nicht

Ich habe Lisa als eine sehr offene und an Menschen interes-sierte Person kennengelernt. Unsere Kinder waren schon gemeinsam in der Kita, damals fiel sie mir wegen ihrem breiten Lächeln im Gesicht auf.

Die Leidenschaft für ihren Beruf ist sicht- und spürbar. Lisa gerät ins Feuer, wenn sie von der Ausbildung und ihrer Ar­beit erzählt. Ich bin beeindruckt von allen Geräten und kleinen Teilen, die sich in der Werkstatt finden.

Lisa hat viel investiert, um ihre Werkstatt in Schwung zu bringen, es ist kein Zufall, dass es bei ihr gut läuft. Sie ak­quiriert aktiv neue Kund*innen und hört ihnen zu. «Hinter jedem Instrument steckt eine Geschichte. Diese möchte ich gerne hören», meint sie. «Ich liebe den Kundenkontakt und bin gerne unter Menschen. Das ist ein wichtiger und schö­ner Teil meiner Arbeit.»

Natürlich gibt es auch den anderen, nämlich dann, wenn sie mit den Instrumenten alleine ist und sie ihnen ein zweites Leben schenkt oder es ihnen (und ihren Besitzern) etwas erleichtert.

Kein Stillstand

Im März war der grosse Eröffnungstag und seitdem fährt Lisa fast täglich zu ihrer Werkstatt in St. Georgen. Die eige-ne Werkstatt hat ihr Leben stark verändert, doch das ist noch nicht alles: Ab Sommer 2023 wird sie neu in der Aus­bildung der Holzblasmusinstrumentenbauer tätig sein. Jährlich wird sie 80 Lektionen in Arenenberg unterrichten und so ihr Wissen den zukünftigen Holzblasinstrumenten-bauern weitergeben. Es erfüllt sie mit Stolz, dazu beitragen zu können, dass dieses Kleinhandwerk nicht ausstirbt und in der Schweiz gelernt werden kann.

Eine offene Werkstatt

Lisa Winigers Werkstatt ist zentral gelegen und, sobald man sie betritt, fühlt man sich direkt wohl. Die Werkzeuge sind geordnet, die Werkbank bereit für das nächste Instru­ment und das Notizbuch liegt aufgeschlagen auf dem Schreibtisch. Ein Duft von Kaffee hängt in der Luft – wer einen möchte, bekommt ihn auch. Doch was am wichtigs­ten ist: Nicht nur Lisas Werkstatt ist offen, sondern auch ihr Herz und ihre Ohren für alle, die mit ihrem Instrument bei ihr vorbeikommen.

Weitere Infos zur Werkstatt unter: www.lisawiniger.ch 

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