18.11.2009
Lausbuben- und Lausmädchenstreiche von anno dazumal
Erika Mangold erinnert sich an ihre Schulzeit in den 30er-Jahren. Teil 2.
Erika Mangold erzählt im zweiten Teil ihrer Jugenderinnerungen über die Streiche der Riethüslerkinder und den Schulweg im harten Winter. Die Kinder vom Riethüsli mussten damals noch nach St. Georgen in die Schule und Kirche gehen, und das war im Winter nicht immer einfach. Erika Mangold ist im Frühling im Alter von 82 Jahren gestorben, kurz nachdem sie ihre Jugenderinnerungen für unsere Quartierzeitung aufgeschrieben hatte.
Erika Mangold (Der Beitrag erschien in der Quartierzeitung Riethüsli-Magazin 3/2009)
Damals waren die Strassen noch nicht schwarz geräumt. Der Schnee blieb einfach liegen. Der Milchmann wechselte von den Rädern auf die Kufen. Wir versuchten natürlich, von hinten auf das Gefährt aufzuspringen, was er im Sommer wie im Winter mit Peitschenhieben zu verhindern trachtete. Rückblickend muss ich sagen, dass es von uns sehr verwegen war. Den Buben gelang es noch am ehesten. Sie kauerten sich einfach zwischen die Tansen und sprangen im richtigen Zeit-punkt wieder ab.
Im Dezember und Januar begann die Schule erst um halb neun Uhr. Um halb acht war es noch zu dunkel. Die Kinder vom Riethüsli, von «hinter dem Freudenberg» und den Laderen hätten das Haus zu früh verlassen müssen. Dafür gab es keine «Nünipause». Es durfte nur kurz gelüftet werden. Nach der grossen Pause um zehn Uhr hatten es die Lehrer keinesfalls eilig, in ihre Schulzimmer zurück zu kommen. Und wir Schüler hätten ruhig sein sollen! Das war zuviel verlangt, und es gab jedes Mal ein entsprechendes Donnerwetter.
Ich erinnere mich noch gut an die Bibelstunde bei Herrn Bieri. Unser Schulkamerad Norbert Bischof referierte über die Lateranverträge in der vierten und fünften Klasse. Wir konnten nur staunen!
Gaslaternen als Zielscheibe
Die Gaslaternen, welche damals die dunkle Demutstrasse hätten erhellen sollen, brannten meist nicht. Das Glas wurde zur Zielscheibe von uns Schulkindern und war oft defekt. Es dauerte Tage, bis die Lampen wieder repariert waren. Dann konnte das «Spiel» wieder von neuem beginnen. Die Buben hatten eine grössere Treffsicherheit als wir Mädchen; das mussten wir neidlos anerkennen. Eigentlich wundert es mich heute noch, dass wir nie erwischt wurden.
Der Stein im Schaufenster
Ein anderes Erlebnis: Über der Eingangstüre zum Konsum (der war dort, wo heute das Pfarreisekretariat untergebracht ist) befand sich ein Dächli. Wir versuchten mit Steinen dessen Dachrinne zu treffen. Statt dort landete ein Stein im Schaufenster. Ich glaube, es war meiner. «Jetzt haben wir das Fenster kaputt ge-macht», bedauerte Kurt. Ganz geheuer war es mir allerdings auch nicht. «Es ist ja nur ein Zimmermann (Spinne), den wir aufgescheucht haben.» Wir zogen es trotzdem vor, zu «Hohls Geiss» herunter zu gehen, unserem Zufluchtsort für alle Fälle (gemeint war die Wei-e, wo die Ziege der Familie Hohl lebte, Red.). Unsere Eltern mussten uns während der Essenszeit suchen, und als sie uns fanden, waren sie so glücklich, dass sie die Strafen für unsere Vergehen vergassen.
Die «Bernegger Kraftmenschen»
Es waren ausgerechnet drei Mädchen, die häufig den Weg durch den Berneggwald zur Schule gingen und sich mit der Zeit «Bernegger Kraftmenschen» nannten. Ich gehörte auch dazu. Es war viel Jungwald zwischen den grossen Tannen. Viele glaubten an eine Kraft, welche sich auf uns übertrug, und sie hatten vielleicht gar nicht so unrecht. Durch die Volkartstrasse (heute Folchartstrasse) kamen wir im Hebelschulhaus wohlbehalten an.
Rorate
Es war nicht das frühe Aufstehen (die Rorate begann um sechs Uhr), sondern der Weg durch das Tal der Demut nach St. Georgen, vor dem ich zurückschreckte. Jeden Morgen, wenn ich die Stelle erreichte, wo der Wald bis an die Strasse kam, nahm ich mir vor, nie mehr in die Rorate zu gehen. Wenn die «Gefahr» vorüber war, warf ich alle diesbezüglichen Vorsätze wieder über Bord. Es war halt einfach zu schön, auf der Empore das «Ave Maria» mitsingen zu dürfen.
Als 1939 der Weltkrieg begann, durfte ich nach der Rorate jeweils in St.Georgen Zmorge essen bei der lieben Frau Barbano, der Mutter meiner Schulfreundin Rita. Da es für Brot und Milch jeweils Märkli brauchte (es war die Zeit der Lebensmittelrationierung), nahm ich diese Zutaten von zu Hause mit und ging nachher direkt zur Schule (in die «Flade»). Rita, meine Freundin, kam na-türlich auch mit, war aber leider in einer anderen Klasse. Unsere Eltern blieben gute Freunde bis zum Tod, und auch wir Nachkommen sind uns treu geblieben.
Ein anderes Kapital war das Theaterspielen. Es war üblich in St.Georgen, dass jede Klasse ein Weihnachtsspiel aufführte. Die Riethüsler konnten da nicht mitmachen. Wegen der früh herein-brechenden Dunkelheit durften wir an den Proben nicht teilnehmen. Das hat uns schwer gefuxt.
Die Schanze im Riethüsli
Das «Grosse Riethüsli» befand sich rechts an der Strasse nach Appenzell und war Restaurant und Haltestelle mit Billetverkauf für die Gaiserbahn, wie das Bähnli damals genannt wurde. Dahinter erhob sich majestätisch die Skischanze, die mein Kamerad Kurt und ich aus eigener Anschauung bestens kannten. Im Sommer verbrachten wir Stunden auf dem obersten Punkt und bestaunten die kurze, sehr steile Abfahrt nach der Landung der Skispringer. Sie mussten die ganze Kraft bündeln, um rechtzeitig vor der Teufener Strasse anzuhalten. Manchmal redeten wir uns ein, es habe Wölfe im nahe gelegenen Wald, und getrauten uns kaum mehr, hinunter zu klettern.
Dann wurde ein Nachtspringen angesagt. Mit Beleuchtung, wie es hiess. Die Aufregung übertrug sich auch auf unsere Kameraden im Hebelschulhaus. Roger Staub (damals einer der berühmtesten Skifahrer) sei auch dabei, wurde gemunkelt. Seine Mütze (die berühmte Roger-Staub-Mütze) ist zu einem Begriff geworden. (Laut Auskunft von Mario Cecchinato ist Roger Staub nie Ski gesprungen und dieses Gerücht deshalb leider wirklich nur einer Kinderphantasie entsprungen. Red.). Soviel mir bekannt ist, war es das allererste Nachtspringen, das durchgeführt wurde.
Erika Mangold erinnert sich an ihre Jugendzeit im Riethüsli, als die Kinder vom oberen Quartierteil noch nach St. Georgen in die Schule gehen mussten. Der lange Schulweg war zwar oft anstrengend, bot aber auch viel Abwechslung und Abenteuer. – Einige dieser Reminiszenzen hat Erika Mangold, die ehemalige Präsidentin der Nestweihergesellschaft und langjährige Redaktorin unserer Quartierzitig, in den letzten Wochen vor ihrem Tod noch für die Nachwelt aufgeschrieben. Hier der zweite Teil ihrer Erinnerungen an die Schulzeit in den Dreissigerjahren. EG
Hier geht es zu Teil 1 der Jugenderinnerungen von Erika Mangold
Autor/in: Erich Gmünder | 18.11.2009 | Keine Kommentare | Tools: