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14.04.2020

Slowdown im Lockdown

Klagemauer, Tageshelden, Aufsteller... Unser Corona-Blog - frisch von der Leber!

Kein Ereignis hat in jüngster Zeit die Welt so allumfassend betroffen und im gemeinsamen Kampf vereint wie ein kleines Virus namens Sars-CoV-2. Wie beschäftigt es uns im Alltag, beim Einkauf, an der Arbeit, auf der Erholungssuche?

In dieser Rubrik sammeln wir spontane Eindrücke, Erlebnisse, Gedankensprünge aus unserer Redaktion, aber auch aus dem ganzen Quartier resp. Kreis der LeserInnen. Schreibt uns eure Beobachtungen, heiteren und besinnlichen Erfahrungen und Erlebnisse an info@riethüsli.ch

Slow down

Eigentlich schön, die oft selbstverursachte Termindichte ist weg. Keine Sorge mehr, etwas zu verpassen oder nicht rechtzeitig erledigt zu haben. Slow down ist wohltuend. Man geniesst die schöne Umgebung, lebt in deutlich kleinerem Aktionsradius und ist zufrieden – geht doch!

Michael Töpfer  21.4.2020 1300

Zum ersten Mal meine Nachbarn kennengelernt

Die Welt steht still und viele haben Angst –  und doch habe ich selten eine so friedliche Stimmung wie jetzt erlebt. Das Leben draussen war noch nie so intensiv. Im Garten sitzend ist es spannend zu beobachten, wie viele auf einmal den Wald erkunden. Muskelmänner, die das Fitnessstudio gegen den Sport im Freien austauschen. Kinderlachen überall. Die Kreativität erscheint grenzenlos.

Obwohl ich schon seit langem in diesem Haus lebe, habe ich zum ersten Mal unsere Nachbarn kennen gelernt. Es scheint, als ob wir uns alle näher stehen als zuvor. Aber ich vermisse auch das Stadtleben am Abend und freue mich auch die Zeit, in der wir uns wieder umarmen dürfen. Aber haben wir wirklich etwas daraus gelernt? Wohl kaum, denn leider wird über die Ursache des Problems kaum gesprochen. Wir sind wie immer Weltmeister darin, nur Symptome zu bekämpfen.

Sarah Gmünder 21.4.2020 0800

Ich und Corona?! 

Zwischen mir und Corona gibt es kein UND. Stattdessen schreibe ich nur von dem, was Corona mit mir gemacht hat: Ich bin zur Solotänzerin mit Möglichkeit der Aufzeichnung meines tänzerischen Bemühens geworden. Logischerweise werde ich uns den Einblick auf meine private Tanzbühne ersparen. Das weltberühmte Virus hat uns schon genügend Einblicke in private(ste) Lebenswelten ermöglicht: Balkonbilder. Wohnzimmerbilder. MusikerInnen auf Dachterrassen. Homestories – Zeitvertreibvideos…

Noch fast erstaunlicher für mich ist aber meine zweite Verwandlung: Aus dem Lehrer-Kind, das ich einmal war, ist eine Lehrerin geworden! Gottnochmal: wie ist es möglich, dass ich diese Rolle, die ich nie im Leben freiwillig gewählt hätte, mir habe auferlegen lassen? War es Gruppendruck? Falsch verstandene Kindesliebe? Ein verborgener Wunsch, meiner Tochter Bildung und schulische Kompetenz zu vermitteln? Ich weiss es nicht.

Ich weiss nur: meine Welt OHNE Corona fühlte sich besser an: Da durfte ich meiner Tochter einfach NUR Mutter sein und konnte mit realen Menschen tanzen!

Elisabeth Weber 17.4.2020 11.00

Frisch wie der Frühling – Inauens Fohlen auf der Vorderen Bernegg. Foto: Erich Gmünder

Inauens Fohlen am Bernegghang

Das Fohlen hat’s uns angetan!
Beim Spaziergang schaut’s uns an.
Es denkt, und das nicht ohne Grund:
„Ich bin jung und kerngesund.“
Da fragen sich dann Frau und Mann,
ob ein Fohlen denken kann?
Es denkt! Man sieht’s an seinen Augen.
Denkt, dass die Menschen wenig taugen.
Sie glauben nach wie vor und blind,
dass sie die Corona der Schöpfung sind.

Martin Wettstein 16.4.2020 1400

Mein grösster Wunsch

Meine Gedanken zur aktuellen Situation in Worte fesseln? Schwierig, aber versuchswürdig.
Mich erstaunt, ja erschreckt die Bandbreite der Nachrichten (nicht zu verwechseln mit Informationen), der Reaktionen der Individuen, der Regierungen, der Organisationen. Von fake-news zu facts-news, von Hilfsbereitschaft (Einkaufshilfen) zu Egoismus (Klopapier- und Hefehamsterer), von Balkongesängen zu Aggression. Mensch kann alles.
Ich versuche mich, wenn immer möglich, an Fakten (schon diese zu erkennen ist schwierig) und dem gesunden Menschenverstand (was man halt so darunter versteht) zu orientieren und dem Konjunktiv nicht allzu viel Raum zu geben.
Wir werden es so oder so überstehen und mein grösster Wunsch ist, dass COVID-19 in unseren Gesellschaften deutliche Spuren hinterlässt. Damit meine ich nicht die zu beklagenden Toten, sondern z.B. unser ewiges Wachsdummsdenken oder zwanghafte Klobalisierung.

Harry Salomon 15.4.2020 1800

Nachbarliche Plauderei mit Abstand. Foto: EG

Was bleibt dereinst?

Nun ist es also schon vier Wochen her, seit der Bundesrat die zweitstärkste Stufe der Pandemielage gezündet hat. Am 16. März hat er dem ganzen Land den Lockdown verordnet.

Dieses Datum wird in die Geschichte eingehen – für mich auch unvergesslich, weil ich just an diesem Tag meinen 66. Geburtstag feiern durfte (wobei die Feier dann in einem Spaziergang mit anschliessendem Imbiss im Restaurant Unterer Brand bestand, wo wir Frau Linder als letzte Gäste vor der Zwangsschliessung gute Nacht sagten). Die letzte Stufe, das absolute Ausgehverbot, dieser Kelch ging an uns vorbei. Und dabei soll es bleiben: Vorsichtig hat der Bundesrat letzte Woche angekündigt, dass er genau einen Monat später, am 16. April, verkünden will, wie sein Plan aussieht, das System schrittweise wieder hochzufahren: Wann, welche Bereiche zuerst etc.

Hand aufs Herz: Kennen Sie jemanden, der vom Coronavirus persönlich betroffen ist? Ich meine jemanden, der oder die selber krank geworden ist oder jemanden kennt, der oder die krank wurde. Ich kenne glücklicherweise niemanden.

Das macht es auch so schwierig. Irgendwie ist die ganze Situation unfassbar, unwirklich, ja surreal: Blauer Himmel, fröhliches Vogelgezwitscher, Blütenpracht und summende Bienlein auf der Nektarsuche. Das Vieh, das erstmals draussen weidet.

Friedliche Bilder, die vergessen machen, welche Gefahr uns allen droht. Bei manchen, oft jüngeren Leuten entsteht manchmal der Eindruck, dass sie das ganze als „Räuber und Poli“-Spiel anschauen: Man höckelt eng nebeneinander im Freien, unterschreitet mit einem Schulterzucken die Abstandsregel, und wartet mal ab, ob jemand einem eine Streife auf den Hals hetzt – uns passiert nichts, wir gehören ja nicht zur Risikogruppe.

Ich kenne aber – wie Sie bestimmt auch – viele, die durch die Restriktionen betroffen sind: Die Grosseltern oder Heimbewohner, die ihre Kinder, Enkelkinder oder andere Bezugspersonen seit Wochen und nun auch an Ostern nur mehr am Telefon hören (oder allenfalls via Bildtelefon sehen) durften. Die Coiffeuse meines Vertrauens, deren Laden nun seit vier Wochen stillsteht. Die Lehrkräfte an den  Schulen, die nach drei Wochen Homeschooling gerade Ferien haben und sich auf weitere Wochen Fernunterricht vorbereiten müssen. All die Restaurants, welche dicht gemacht haben –  eine faktische Ausgangssperre. All die Anlässe, wo man sich im Quartier traf – in der Kirche, am Riethüsli-Zmorge oder beim Schlummertrunk am Freitagabend im Nestpunkt. 

Noch weiss niemand, wie lange es dauert, bis wir uns wieder unbeschwert die Hand reichen oder unsere Liebsten umarmen dürfen. Wir verfolgen am TV oder im Internet die Medienkonferenzen und vernehmen mit einem gruseligen Schauder die neuesten Zahlen von Infizierten, Todesfällen und Geheilten. Wenn die Zahlen steigen, macht es uns Angst; wenn sie zurückgehen, stellen wir uns die Frage, ob vielleicht die ganzen Massnahmen nicht doch übertrieben waren. Wir lernen bisher unbekannte Begriffe kennen aus Bereichen wie Statistik, Immunologie (Herdenimmunität) oder Mathematik (exponentieller Verlauf) usw.usf.

Das kleine Virus hat uns neue Regeln aufgezwungen: 2 Meter Abstand einhalten, in die Armbeuge husten, regelmässig Hände waschen. Das Virus zeigt sich dem menschlichem Auge nicht – wir kennen nur die schaurigen Bilder aus den Medien von Orten, wo es gewütet hat.

Bei uns werden andere Bilder in Erinnerung bleiben: Leere Schulhäuser und Plätze. Menschen, die in grossem Abstand vor einem Geschäft Schlange stehen, oder kleine Gruppen irgendwo im Freien, die mit gehöriger, räumlicher Distanz miteinander diskutieren. Leute, die unkompliziert Nachbarschaftshilfe anbieten. Auf meinen Wanderungen rund ums Riethüsli komme ich so leicht wie noch nie ins Gespräch mit Menschen, die ich bisher höchstens dem Namen nach kannte oder nur hinter der Autoscheibe gesehen habe. 

Solche Erfahrungen nähren die Hoffnung, dass nach all dem etwas übrig bleibt. Nicht nur eine – wieder einmal – abgewendete Gefahr. Sondern vielleicht eine empathischere Einstellung zu den Menschen, zur Umwelt oder überhaupt zum Leben. Etwas weniger Egoismus und Konsumismus, dafür mehr Zusammengehörigkeitsgefühl und Freude an den kleinen Dingen des Lebens. Schön wäre es, wenn wir im Rückblick einmal sagen könnten: Das Virus hat uns gelehrt, Abstand zu halten, aber gleichzeitig sind wir uns als Gemeinschaft näher gekommen.

Erich Gmünder, 14-4-2020 21.55

Ostern und Corona

Positiv 1: Alle meine Kinder akzeptieren die Corona-Regeln und treffen sich entweder virtuell oder mit Abstand.

Positiv 2: Das Wetter war herrlich, ausgiebige Spaziergänge mit unserem Hund direkt vor der Haustüre.

Positiv 3: Der Corona Vollmond, traumhaft, wie dieser die höchsten Bäume des Menzlenwalds küsste.

Negativ 1: Gefüllte, überfüllte Abfallbehälter und Robidogs in unserem Quartier und in den Randgebieten. Es hat zuwenig Abfallbehälter, im ganzen Menzlenwald hat es gar keinen. Nur bei der Busendhaltestelle Oberhofstetten einen kleinen und dann wieder bei der Hochwachtstrasse einen.

Negativ 2: Viele Menschen jeglichen Alters treffen sich auf der Solitüde oder im Menzlenwald. Grössere und kleinere Gruppen. Der Abfall bleibt oft liegen. Leere Flaschen in die Wiesen geworfen. Reden und Lachen auf der Solitüde bis in die frühen Morgenstunden.

Negativ 3: Schade habe ich keinen Kampfhund, der morgens um 5 zur Solitüde will. 

Nicola Zoller, 14-4-2020 1200

Nachdenklich

Eingesandt von Alfons Sonderegger.

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