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26.02.2020

90 ehemalige Läden, 20 Milchmänner im Riethüsli

Einkaufen im Quartier - früher und heute. Teil 1. (April 2016)

Ein Lädeli in der Zwischenkriegszeit: Konrad Künzler führte einen Obst- und Delikatessen-Laden, Im Grund 6 (Haus rechts) im ersten Stock. Foto Noldi Duttweiler

Es war einmal … Der Aufschrei im Quartier war gross, als 2013 die letzte Beiz, 2014 der letzte Quartierladen geschlossen wurden. In der Quartierzeitschrift 2/2014 wurde vom verschwundenen Einkaufsparadies Riethüsli berichtet und im Editorial eine Entwicklung zum kalten Wohnquartier befürchtet.

Fredi Hächler (Riethüsli-Magazin 1/2016

Wer in der Vergangenheit stöbert, findet im Quartier gegen 90 ehemalige Läden, und in Akten und Adressbüchern können ungefähr 20 Milchmänner nachgewiesen werden.

In der dreiteiligen Serie – die mit dieser Ausgabe startet – soll die Geschichte unserer Läden, Betriebe und Wirtshäuser nachgezeichnet werden, die nachweisbar 1766 begann: In einer äbtischen Rechnung wird erstmals der Sandsteinbruch in der Watt (gegenüber der Wattstrasse 2) erwähnt, 1822 folgte mit dem Grossen Riethüsli das erste Wirtshaus und ab 1884 konnte man im Colonialwaren-Laden an der Teufener Strasse 99 einkaufen.

Eine erstaunliche Vielfalt an Geschäften folgte.

Und heute?

Rund 180 grössere und kleinere gewerbliche Betriebe wurden im Verlauf der Zeit bekannt, neben den bereits erwähnten Läden. Aber «Non-Non-Food»-Betriebe gibt es immer noch zuhauf im Quartier, hier eine Auswahl: Die renommierte Projektagentur Alltag GmbH, Teufener Strasse 95, K&L Architekten AG, Obere Berneggstrasse 66, die Gärtnerei Schnittstell, Solitüdenstrasse 2 oder Elektro Kundert AG, Teufener Strasse 138.

Sie können sich aber auch an mehreren Orten die Haare schneiden, beim Auto den Benzintank auffüllen oder es zur Reparatur bringen, den Computer auf Viren überprüfen oder sich in einem der verschiedenen Massagesalons auf mehrere Arten verwöhnen lassen. Aber die Leim-, Zigarren-, Riri- und Joghurtfabrik sind für immer verschwunden. Darüber mehr im 2. Teil dieser Geschichte (Ausgabe Juli 2016) und über die ehemaligen Standorte der 38 Quartierbeizen lesen Sie dann im 3. Teil (Ausgabe November 2016).

90 und mehr Läden

Man muss heute also für den täglichen Bedarf ausserhalb des Quartiers einkaufen gehen. Wenden wir uns deshalb nochmals der Vergangenheit zu und werfen einen Blick in die gute(?) alte Zeit. Bis in die 60er-Jahre umfasste unser Quartier rund 2000 Einwohner (2015: 4400). War das Riethüsli damals ein Einkaufsparadies? Viele der über 90 Verkaufslokale waren kleine Tante-Emma- Läden im Nebenerwerb und existierten nur wenige Jahre, andere dagegen waren Familienbetriebe über mehrere Jahrzehnte. Aber die Auswahl war doch erstaunlich. So gab es zum Beispiel in der Zeit von 1925 bis 1975 an der Solitüdenstrasse fünf Lebensmittelläden, darunter ein USEGO (1963 bis 1975) und den Lebensmittelverein St.Gallen (1954 bis 1956).

Aber nicht nur in den Läden konnten sich die Riethüslerinnen und Riethüsler täglich mit Lebensmittel eindecken. Ältere unter Ihnen können sich vielleicht noch an die folgenden Möglichkeiten erinnern. Da zogen ab den 40er-Jahren gleich zwei Gemüse- und Früchtehändler – beide hatten auch einen Colonialwaren-Laden – mit Ross und Wagen durch das Quartier: Attilo Bartolin und Anton Blum.

Ebenfalls hatten früher die drei Kioske an der Teufener Strasse (bei der Nr. 68, 126 und 144) Früchte und Gemüse im Angebot. Heute existiert nur noch der Mittlere. Bis 1997 kurvte zum Ärger der noch existierenden Läden der Migros-Verkaufswagen durch unser Quartier. Und dann gab es noch die Milchmänner mit ihrem Angebot.

Die Milchmänner des Quartiers

Von den 20 heute noch bekannten Milchmännern waren viele hauptberuflich Bauer. Meistens waren sie also nur «Nebenerwerbs-Milchler», die zwei bis drei Strassenzüge bedienten.

Wer durfte überhaupt wo Milch austragen? Die Rayons waren in der Stadt sehr umkämpft. Sie wurden darum durch den städtischen Milchverband zugeteilt. Für zusätzliche Strassen musste eine beträchtliche Gebühr entrichtet werden.

Der erste bekannt gewordene Milchmann war A. Höhener an der Teufener Strasse 129a im Jahre 1895. Im Quartier bekannt war damals der Milchmann Hermann Christen mit seinem Milchladen (bis 1965), aus dem später damm Christen-Lebensmittel hervorging.

Peter Pfister, der letzte Milchmann im Quartier. Foto Benjamin Schlegel

Wohl der bekannteste Milchmann war Peter Pfister. Der Grossvater von Peter bewirtschaftete an der Oberhofstettenstrasse 40 einen Bauernhof, den sein Sohn Josef erbte. Der jüngere Sohn Otto baute an der Oberhofstettenstrasse 8 ein neues Haus und übte nun den Beruf des Milchmannes aus. Dazu hielt er Schweine, Kaninchen und Schafe, so, wie wir es vom seinem Sohn Peter kennen.

Peter Pfister ging zusammen mit seinem Vater Otto dem Beruf des Milchmannes nach, von 1989 an alleine. 2009 pensionierte er sich als Milchmann selber, hielt aber weiter seine Tiere an der Oberhofstettenstrasse 8. Vis-à-vis an der Guggerstrasse 3 baute er sich zusammen mit seiner Frau Helga ein neues Haus und einen neuen Schafstall. So ganz kann Peter Pfister das «Milchlen» nicht lassen. Noch immer sammelt er mit seinem Auto die Milch bei den Bauern ein und sichert so den Transport in die Milchzentrale.

Nur noch älteren Personen im Quartier haben Erinnerungen an die unermüdlichen Milchmänner, die bei Sonne, Regen und Schnee Milch, Eier, Käse, Butter oder Brot nach Wunsch ins Haus lieferten. Sie haben noch das Schäppern der Milchkesseli beim Ausmessen im Ohr. Die Tradition des täglichen Milchaustragens ist verschwunden – eine Quartierinstitution weniger.

Das Milchbüchli, Milchprodukte Hermann Christen, vor 1965.

1 Kommentar

  1. Ursula Mayer

    07.01.2024 / 16:34 Uhr

    Ich bin enttäuscht, dass ich keinen Bericht über meine Grosseltern Josef und Maria Bottlang-Wernli, Sägegässlein, St. Gallen, die in den 30er und 40er Jahren das Geschäft J. Bottlang-Wernli, Milchprodukte und Colonialwaren, hatten.

    Freundliche Grüsse
    Ursula Mayer-Wegelin, Spanien, meine Mutter (94jährig) ist Tochter von Bottlang-Wernli

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