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27.01.2020

„Es geht um die Sache und die ist mir sehr ernst“

Dominic Truxius ist das Gesicht der Klimabewegung. Eben erst 18 geworden, ist er der zweitjüngste Kandidat der Stadt.

Dominic Truxius kandidiert am 8. März auf der Liste der SP  für einen der 120 Sitze im kantonalen Parlament.

Erich Gmünder

Heute (Montag, 27. Januar) wird der zweitjüngste Kantonsratskandidat aus dem Wahlkreis St. Gallen-Gossau, Dominic Truxius, 18 Jahre alt und ist damit noch rechtzeitig vor dem Wahltermin am 8. März stimm- und wahlberechtigt. Der Kantonsschüler wohnt in Oberhofstetten und stand uns Red‘ und Antwort.

Herzliche Gratulation, Dominic. Warum kandidierst du für den Kantonsrat? Was willst du dort bewegen?

Als eines der Gründungsmitglieder des Klimastreiks ist es wohl kaum schwer zu erraten, was mir wichtig ist. Die Klimakrise spitzt sich immer rasanter zu und Handlungswille der St.Galler Parlamente, dem entgegen zu wirken, ist kaum erkennbar. Doch die Signale sind unübersehbar. In St.Gallen fielen diesen Winter nur wenige Zentimeter Schnee, in Australien brennt seit Monaten eine Fläche in der Grösse von Belgien, und um vorauszusehen, dass der folgende Sommer ein Hitzesommer sein wird, brauchen wir keinen „Wetterschmecker“.

Das muss sich schleunigst ändern. Dafür, und noch für ganz viel andere wichtige Themen, wie die Gleichberechtigung aller Geschlechter, mehr Rechte für Sans-Papiers, eine offene und kulturelle Stadt St.Gallen sowie den Schutz aller von der Gesellschaft unterdrückten Minderheiten, stehe ich. Ob nun ich oder andere junge Menschen, welche diese Themen aktiv vertreten, in unser kantonales Parlament gewählt werden, ist schlussendlich nicht sehr wichtig. Es geht um die Sache und diese ist mir sehr ernst.

Wir sind jung, wir sind laut, weil man uns die Zukunft raubt:“ Dominic Truxius führt die Klimabewegung an.

Du bist Kantonsschüler und bekannt als eines der beiden Gesichter (zusammen mit Miriam Rizvi) der Klimajugend in der Stadt St. Gallen. Was habt ihr erreicht?

Das ist eine gute Frage. Obwohl St.Gallen es versäumt hat, den Klimanotstand auszurufen, haben wir Grosses geleistet. Wir haben es geschafft, eine Bewegung zu erschaffen, in welcher so viele junge Menschen Hoffnung sehen. Wir haben es geschafft, die als politisch uninteressiert dargestellte Jugend auf die Strasse zu bringen und ihre Meinung zu sagen. Wir haben aber auch geschafft, und das ist mir persönlich am wichtigsten, dass Menschen zusammen mit uns aufblühten und jetzt ein selbstbestimmtes und solidarisches Leben führen. Das alles geht weiter und diesen Erfolg kann uns niemand mehr nehmen.

Euer grosses Vorbild ist ja Greta, welche mit ihrem freitäglichen Schulstreik die Fridays for Future ins Leben gerufen hat und anführt. Was bedeutet sie für dich?

Ich würde nicht sagen, dass Greta für mich persönlich ein Vorbild ist. Ich finde es erstaunlich, mit welchem Mut sie monatelang ALLEINE vor dem schwedischen Parlament gesessen ist. Zu sehen, wie sie Millionen von Leuten bewegt, find ich super. Ich habe jedoch meine eigene Meinung und die weicht bestimmt auch in einigen Punkten von denen Gretas ab. Das ist auch total in Ordnung.

Sie erlebt oft massive Feindlichkeiten und Hasskommentare. Worauf führst du das zurück und hast du auch Ähnliches erlebt?

Ich finde das einfach unerhört und ehrlich gesagt auch ziemlich peinlich. Wenn ich im Radio höre, wie irgendwelche SVPler nichts Besseres zu tun haben, als über Greta herzuziehen, dann fehlen mir oft die Worte. Denn es sind eben auch jene bürgerlichen Politiker*innen, welche an Klimadebatten in den Parlamenten nicht einmal anwesend sind. Selber zu nichts im Stande sein, dann aber alles kritisieren, was andere erreicht haben, ist so einfach wie lächerlich.

Durch das Aufkommen namentlicher Rechtspopulist*innen in ganz Europa wurde das politische Klima bewusst aufgeheizt. Emotionen und Hass sind ihre Mittel, politischen Druck auszuüben. Der Rahmen des „Sagbaren“ hat sich ganz klar verschoben. Ich als junger, weisser Mann bin da noch eher von Hass und Gewalt verschont geblieben. Jedoch erlebe auch ich oft Anfeindungen, bis zu gerufenen Morddrohungen, wenn ich durch die Stadt gehe. In einigen wenigen Fällen kam es auch schon zu Handgreiflichkeiten. Das alles gibt mir schwer zu denken. Jedoch ist mir klar, dass es genau deswegen umso wichtiger ist, dass wir weitermachen.

Der Greta-Effekt hat auch die Schweizer Politik in den Wahlen massiv geprägt – genügt das, was bisher geschah?

Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach. Nein, natürlich reicht es nicht! Ja, es sind sehr viele Politiker*innen aus dem Grünen-Lager ins Parlament gewählt worden. Und ja, das Parlament wurde jünger. Leider wurden aber ebenso viele Heuchler*innen und ignorante, neoliberale Schwindler*innen gewählt. Vor den Wahlen machte die GLP schön auf Grün. Sie trugen Solarzellen an Klimastreiks durch unsere Stadt und sprachen von ihrer Vision der innovativen, grünen Schweiz. Zur gleichen Zeit lehnten aber ALLE GLP-Stadtparlamentarier*innen den Klimanotstand ab, sprachen sich grundsätzlich gegen das politische Mittel „Streik“ aus und ALLE neuen Nationalrät*innen der GLP waren für den Kauf neuer Kampfjets in Höhe von 24 Milliarden Franken.

Deswegen und auch weil wir immer noch eine rechts-, bürgerliche Mehrheit in unserem Parlament haben, hat der Wahlerfolg 2019 noch lange nicht gereicht.

Vor allem die grünen oder grün angehauchten Parteien haben profitiert, nicht jedoch die SP. Warum kandidierst du für diese Partei?

Das ist leider Tatsache, aber vielleicht tut es der SP auch gut. Ich bin absolut kein Parteipolitiker und grundsätzlich ist es mit egal, ob Politikerin XY in der SP oder bei den Grünen ist. Mir ist es wichtig, für welche Themen eine Person einsteht und mit welcher Konsequenz sie diese verfolgt. Die SP hat den Anschluss zu den jungen Menschen in unserer Gesellschaft verloren. Das ist sehr schade, aber auch änderbar. Wer weiss, vielleicht können wir diese Menschen mit neuen, jungen Gesichtern wieder zurückgewinnen.

Was bedeutet für dich das Quartier Riethüsli?

Das Quartier Riethüsli ist mir persönlich sehr wichtig. Hier fühle ich mich wohl und zuhause. Ich bin hier gemeinsam mit einigen meiner Freund*innen aufgewachsen. Wir haben zusammen gespielt, sind hier zusammen in den Chindsgi und zur Schule gegangen. Natürlich haben wir hier im Quartier aber auch jede Menge Quatsch gemacht, haben uns aber auch entwickelt. An all das erinnere ich mich immer wieder, wenn ich durch unser Quartier gehe und dabei muss ich auch oft etwas über mein früheres Ich schmunzeln.

(Das Interview wurde schriftlich geführt)

Wie das Tagblatt vom 29.1.2020 darüber berichtete:

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