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2.07.2019

Wie das Riethüsli zu zwei Kirchen kam

32 Jahre Katholische Kirche - Ende und Neuanfang.

Archivbild: Erich Gmünder

Fredi Hächler*
Es ist nicht überliefert, ob die Riethüsler beider Konfessionen schon vor dem Zweiten Weltkrieg konkrete Ideen hatten und allenfalls schon Massnahmen trafen, um eine eigene Kirchgemeinde mit Gotteshaus zu erhalten. Der katholische Bevölkerungsanteil wurde gegen Ende der 50er-Jahre aktiv und gründete am 14. Februar 1960 im Wirtshaus Nest eine Sektion Riethüsli der KAB (Katholische Arbeiter-Bewegung). Ein wichtiges Ziel dieses Vereines war es, im Riethüsli eine katholische Gemeinde mit Pfarrer und Kirche zu gründen. Aus reformierten Kreisen kam zu dieser Zeit keine Initiative für eine eigene Kirchgemeinde.

Der lange Weg zur eigenen katholischen Kirche

Schon am 24. Mai 1958 deponierten katholische Quartierbewohner ihre Wünsche bei ihrer Kirchenverwaltung zum Bau einer eigenen Kirche. Gegen Ende des Jahres 1958 fand sich unter der Initiative von Edwin Gattiker eine Gruppe von 17 Männern zusammen mit dem beinahe konspirativen Namen Aktion im Nest. Aus diesem Kreis der Interessierten wurde die KAB im Nest gegründet. Es sollte aber noch über zehn Jahre dauern, bis das 1968 ins Leben gerufene Initiativkomitee Kirchenbau-Verein am 3. März 1971 sich tatsächlich konstituierte, vorerst mit dem Ziel, ein eigenes Pfarreizentrum im Riethüsli zu realisieren. Am 29. August 1971 fand auf dem Schulhausplatz erstmals eine Eucharistiefeier statt. Noch war die KAB Riethüsli ein reiner Männerverein. Erst 1981 wurde der Frauenkreis als unabhängiger Verein gegründet, der anfänglich auch noch günstige Kartoffel- und Weinaktionen für das Quartier organisierte.

Nun reagierte auch die katholische Kirchenverwaltung in der Stadt unten und ernannte 1972 den Domvikar Viktor Staub für die Vikarstelle im St.Otmar. Er hatte zudem den Auftrag, eine Pfarrei Riethüsli mit einer eigenen Kirche aufzubauen. Das ehemalige Konsumlokal an der Teufener Strasse 146 (später bis 2013 Riethüsli-Treff) wurde 1972 als Pfarreilokal angemietet und das katholische Quartierleben bekam eine eigene Dynamik. 1973 wurde das erste kirchliche Riethüslifest organisiert, seit 1974 wurden Berggottesdienste unter freiem Himmel bei der Bollenwies im Alpstein abgehalten, bei der Viktor Staub oft die Predigt hielt. Im gleichen Jahr erscheint in der Zeitung ein Artikel gegen den Kirchenbau. Das Pfarrvikariat Riethüsli feierte seit 1975 Gottesdienste in der Aula der GBS mit Taufen, 1977 fand hier die erste Trauung statt.

1983: Erstes halbjährliches Pfarreiprogramm

Es gab auch Bestrebungen, zusammen mit den reformierten Quartierbewohnern ökumenische Anlässe zu organisieren. So fanden 1976 ökumenische Suppentage und Altersnachmittage im Pfarreilokal statt, am 25./26. September ein gemeinsames Riethüslifest in der GBS. Seit 1978 konnte die katholische Jugend in den Blauring oder in die Jungwacht eintreten und Bischof Otmar Mäder übernahm persönlich die Firmung in der GBS. Am 8. Dezember 1979 startete die Aktion Riethüsli-Zmorge, die bis heute erfolgreich durchgeführt wird.

Die Gespräche von 1982 mit der reformierten Kirchenvorsteherschaft zu gemeinsamen Aktivitäten führten zu keinem Ziel. Auch mit dem eigenen Kirchenbau wollte es nicht vorwärtsgehen. Wo sollte sie stehen und wie finanziert werden? Auf dem Areal der ehemaligen Gärtnerei Buchmüller-Wartmann wäre eine geeignete Parzelle vorhanden. Noch heute spukt in den Köpfen von älteren Riethüslern der Gedanke herum, dass der reformierte Albert Buchmüller laut Servitut keinen Boden für einen katholischen Kirchenbau verkaufen wollte. Wie gesagt, Gerüchte.

26. September 1987: Glockenaufzug der Heilig-Geist-Kirche. Archiv der Stadt St. Gallen

Die Stadt signalisierte 1983 den Katholiken die Bereitschaft, den Boden für einen Kirchenbau an der Oberen Berneggstrasse 81 (KIGA Nest) zur Verfügung zu stellen, wenn in der Nähe ein gleichwertiger Ersatz angeboten würde. Doch die Riethüsler sind gegen eine Schliessung oder Verlegung des KIGA. 1985 lässt der Kirchenbauverein diese Lösung fallen und prüft, die freiwerdende Behelfskirche Halden auf dem Gelände neben der reformierten Kirche im Baurecht aufzustellen. Die Stadt als Landbesitzerin stimmt dieser Lösung zu. Am 26. September 1887 findet der Glockenaufzug statt und am 31. Oktober kann Bischof Mäder die ‚neue‘ Heilig Geist Kirche feierlich einsegnen.

1980: Die Reformierten waren schneller

Tatsache aber ist, dass nun auch die reformierten Riethüsler in den 70er-Jahren eine eigene Kirchgemeine mit Kirche planten. Sie konnten auf dem Gelände der ehemaligen Gärtnerei das heutige Kirchgemeindezentrum mit der Kirche 1980 realisieren. Voller Dankbarkeit brachte man eine Gedenktafel für die Grosszügigkeit von Albert Buchmüller am Gebäude an und nannte einen Raum Buchmüller-Stube. Als Pfarrer amtete von 1980 bis 1988 Thomas Scheibler, von 1988 bis 2012 Virginio Robino.

1980: Mit einem Volksfest werden die Glocken der reformierten Kirche aufgezogen. Foto: Archiv der Stadt St. Gallen

Unschwer kann man sich eine gewisse Frustration bei den Katholiken vorstellen. 1982/83 gab es Bestrebungen, die Räumlichkeiten im neuen reformierten Kirchgemeindehaus mitbenutzen zu können, was aber nicht zustande kam.

Am 14. September 1983 errichteten die Katholiken als weithin sichtbares Zeichen ein neues Kreuz auf der Solitüde und am 31. Oktober erhob Bischof Mäder den Pfarrkreis Riethüsli zur selbständigen Pfarrei.

2013: Ökumene

Für die Zeit nach der Pensionierung von Pfarrer Robino 2012 wurde das kirchliche Zusammenleben im Riethüsli neu organisiert. Das katholische Pfarreilokal an der Teufener Strasse 146 wurde aufgegeben. Im reformierten Pfarrhaus wurde im Sommer 2013 ein ökumenisches Zentrum mit den beiden Pfarrämtern eingerichtet, wieder unter dem Namen Riethüsli-Treff. In Zukunft sollen der Diakon Hanspeter Wagner und die neugewählte Pfarrerin Elisabeth Weber (mit einer 60%-Stelle) die kirchlichen Anliegen im Riethüsli gemeinsam leiten. Es soll ein neuer Quartiertreff im Kirchgemeindehaus entstehen mit dem Namen Nest.Punkt, eine Art Quartier-Beiz für alle, und Möglichkeiten bieten von privaten Anlässen bis zu kulturellen Events für Gross und Klein.

*Fredi Hächler, Riethüsli – Geschichte und Geschichten

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