9.

7.01.2020

„Der einzige Weisse unter 500 Schwarzen“

Christoph Balmer ist zurück aus Südafrika - Neue Leitungsaufgabe in der Pfarrei - Start am Sonntag, 12. Januar in der GBS-Aula.

Christoph Balmer im Tuck Shop (kleiner Lebensmittelladen) in Majakaneng. Fotos: zvg

Christoph Balmer-Waser erhielt ein aussergewöhnliches Angebot: Zur Reaktivierung der 30-jährigen Partnerschaft zwischen dem Erzbistum Pretoria und dem Bistum St.Gallen wurde er im Rahmen des gesamtschweizerischen Personalaustauschprogramms «Fidei Donum» angefragt, ein ökumenisches Jugendprojekt mit Lehrlingsprogramm in Ha Phororo und Majakaneng, nahe bei Pretoria, auf- und auszubauen.

Thomas Christen

Der St.Galler Pfarrer Christoph Schönenberger betreut das katholische Jugendbildungszentrum Ha Phororo bereits seit Beginn der Partnerschaft zwi-schen den beiden Bistümern. Im Sinne von Taizé vermittelt er religiöse Bildung und fördert das Zusammenleben der Menschen, die in diesem Zentrum leben.

Mit dem neuen Projekt baute Christoph Balmer-Waser – neben der Förderung dieser Grundsätze – Möglichkeiten für Jugendliche mit wenig Perspektive und familiärem Rückhalt für eine Anlehre und späteren Eintritt in eine berufliche Ausbildung auf. Das Programm schliesst neben Tätigkeiten im Jugendbildungszentrum auch eine schulische Bildung in Pretoria mit ein. Die Trainings- oder Anlehrkurse dauern ein Jahr. In dieser Zeit sollen sie den Anschluss in die Wirtschaft schaffen – analog dem Brückenjahr unserer Berufsschulen.

Ausflug mit den Trainees nach Kapstadt.

Christoph Balmer-Waser arbeitete während den drei Jahren massgeblich im jüngeren Projekt im Dorf Majakaneng mit. Er begleitete in dieser Zeit drei Kurse und fand für fast alle Trainees eine Anschlusslösung! 

In Südafrika ist der Glaube wichtig und tief in der Gesellschaft verankert.

Der Umgang mit Gott sei sehr unverkrampft. So wird auch der religiöse Teil im Projekt als normaler Bestandteil des Tages angesehen und selbstverständlich gelebt. Trotz vielen unterschiedlichen Glaubensfärbungen – die römisch-katholische Kirche hat dabei einen Anteil von rund sechs Prozent – ist der offene und alltägliche Umgang mit dem Glauben die Gemeinsamkeit. Es sei nicht ungewöhnlich, dass ein Buschauffeur vor einer Fahrt mit den Fahrgästen ein Gebet anstimme, um für eine unfallfreie und problemlose Fahrt zu bitten, erzählt Balmer-Waser. Auch gehört es beispielsweise dazu, vor Arbeitsantritt mit der Belegschaft oder im Restaurant vor dem Essen mit den Gästen zu beten.

Die Familie und dieses Gottvertrauen sind für die Menschen wichtige Anker im Leben. Denn die staatlichen Behörden sind schwach und verhalten sich oft unsolidarisch, die Korruption und die Kriminalität sind hoch. Die Rahmenbedingungen für ein geordnetes Leben sind für viele Menschen nicht vorhanden. Balmer-Waser fasst es kurz zusammen: «Der öffentliche Service ist ein Debakel! Man schätzt die funktionierende Verwaltung in der Schweiz wieder. Es gibt Rechtssicherheit und wenn man eine Frage hat, bekommt man eine Antwort.» Paradox ist auch, dass die häusliche Gewalt in Südafrika trotz der gelebten Religiosität sehr hoch ist. «Eigentlich sollte Südafrika das friedlichste Land der Welt sein.» Man kann sich vorstellen, dass Projekte wie Ha Phororo und Majakaneng Inseln Ansätze mit vielfältigen Perspektiven sein können.

Besuch beim Coiffeur.

Alles in Südafrika läuft über Beziehung.

Durch seine Arbeit, die Vermittlung «seiner» Jugendlichen schuf er sich viele Freundschaften mit Familienanschluss. Drei seiner Trainees wurden Vater – und er damit quasi zum Grossvater mit schwarzen Enkeln. Ein prägendes, positives Erlebnis war für Balmer-Waser eine Beerdigung. Als die Mutter eines Lehrlings verstarb, wurde er zur Beerdigung eingeladen. Der einzige Weisse unter rund 500 schwarzen Menschen zu sein, beeindruckte ihn umso mehr, weil man ihm Dankbarkeit entgegenbrachte und er trotz der Traurigkeit des Anlasses zum Mittelpunkt wurde. Und das nur, weil ein Weisser echtes Interesse an den Belangen der Einheimischen zeigte. Dies spürte er in vielen Begegnungen und fühlte sich oft von den Familien auf- und angenommen. Es bräuchte so wenig.

Christoph Balmer-Waser am Sternsinger-Gottesdienst in der Paritätischen Kirche Riethüsli. Foto: EG, 5. Januar 2020

Christoph Balmer-Waser kehrte vergangenen Herbst von seiner Arbeit in Südafrika zurück ins Riethüsli. Zwei Südafrikaner führen das Jugendprojekt weiter. Für junge Erwachsene aus der Schweiz bietet sich dieses spannende Jugendprojekt als Praktikumseinsatz förmlich an. (Weitere Infos sind zu finden unter www.auslandpraktikum.ch.) Balmer-Waser kann sich übrigens gut vorstellen, über seine Zeit in Ha Phororo und Majakaneng einem grösseren Publikum zu berichten – weitere Informationen demnächst unter www.riethüsli.ch

Startschuss für die erweiterte Seelsorgeeinheit

Im Dezember startet Christoph Balmer mit seiner neuen Aufgabe in der Seelsorgeeinheit St.Gallen Zentrum. Die Pensionierung des Pfarreibeauftragten Diakon Hanspeter Wagner und die erfolglose Suche nach einem Nachfolger wird nun zu einer Pfarreierweiterung von St.Otmar, Riethüsli und neu St.Georgen führen. Pfarrer Beat Grögli fragte Balmer-Waser an, gemeinsam mit der Seelsorgerin Barbara Walser in Co-Leitung den Prozess dieses Ausbaus in den Pfarreien organisatorisch zu gestalten und aufzugleisen. Das Seelsorge-Team und die Co-Leitung stehen bei diesem neuen Weg der Quartierpfarreien noch in der Anfangsphase.

Am Gottesdienst vom 12. Januar 20, 10.30 Uhr in der Aula der GBS Riethüsli, wo die ganze Seelsorgeeinheit St.Gallen-Zentrum eingeladen ist, fällt der offizielle, gemeinsame Startschuss. Pfarreiangehörige erhalten da aktuelle Informationen zum Prozess und können sich über offene Fragen beim anschliessenden Mittagessen in der Mensa der GBS austauschen. Freiwillige aus den drei Pfarreien sollen dazu ermuntert werden, den Prozess nicht nur mitzutragen, sondern aktiv mit zu gestalten, zu formen.

Der Prozess der neuen Gestaltung soll gemeinsam vollzogen werden. Denn: «Das Göttliche im Menschen ist da, es muss nur ausgetauscht, ermuntert und bekräftigt werden. Wir als Co-Leitung bilden den Rahmen dazu», erklärt Balmer-Waser. In Südafrika hat er wieder neu entdeckt, Vertrauen in die Menschen, die Sache zu haben und die Beziehung unter den Menschen zu pflegen. «Wir sind getauft, konfirmiert oder gefirmt und wir haben alles, was wir brauchen, um das Ziel gemeinsam zu erreichen!»

Zurück zu den Anfängen

Apropos Gottesdienst in der Aula Riethüsli: Mancher Riethüsler und manche Riethüslerin erinnert dieser Ort an die Anfänge der Pfarrei. Pfarrer Viktor Staub erreichte nach vielen Gottesdiensten in der Aula sein grosses Ziel der quartiereigenen Kirche. Es besteht also Hoffnung, dass die Wahl des Ortes ein gutes Omen für den Startschuss in eine neue Ära sein wird.

Kommentieren

Die Angaben "E-Mail-Adresse", "Adresse" und "PLZ/Ort" werden nicht veröffentlicht, sondern dienen zur eindeutigen Identifizierung der Urheberschaft. Bitte alle Felder ausfüllen.