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8.09.2020

Nach der Neugestaltung der Teufener Strasse: Was gilt jetzt für Fussgänger, Radfahrerinnen, Autofahrer?

Mit der Polizei unterwegs zu den neuralgischen Stellen - eine Art Betriebsanleitung:

Mit Thomas Bachmann unterwegs zu verschiedenen neuralgischen Punkten der neugestalteten Teufener Strasse, wie hier bei der Einmündung Solitüdenstrasse.

Erich Gmünder, Text und Fotos

Die Neugestaltung der Teufener Strasse bewegt − die Freude über die farbenfrohe Gestaltung inklusive Begrünung mischt sich mit negativen Gefühlen: Ärger über langes Anstehen an der Ampel, Irritation bei der Benutzung des neuen Mehrzweckstreifens sowie des kombinierten Geh- und Radwegs − und Sorgen von Eltern, welche sich am liebsten die Passerelle zurückwünschen würden.

Thomas Bachmann ist Leiter Verkehrs- und Marktplanung bei der Stadtpolizei St. Gallen. Wir haben mit ihm die neuralgischen Punkte besucht – und präsentieren hier eine Art Betriebsanleitung.

Das Riethüsli hat nicht nur erstmals eine Lichtsignalanlage, u.a. als Ersatz für die Passerelle, sondern auch einen rund 300 Meter langen, sandfarbenen Mehrzweckstreifen in der Mitte erhalten – notabene wohl der längste zusammenhängende Mehrzweckstreifen der Stadt.

Der Mehrzweckstreifen darf und soll befahren werden!

„Manche Leute denken, er dürfe nicht befahren werden, doch das stimmt nicht“, sagt der Stadtpolizist. So neu der Streifen ist, so unklar ist für viele auch die Benutzung resp. sind die Möglichkeiten, die er bietet. Und die sind vielfältig – ausser Parkieren ist fast alles erlaubt.

Thomas Bachmann hält erst einmal fest, was ein solcher Mehrzweckstreifen genau ist und was er soll. Ganz pragmatisch handelt es sich um eine „farbliche Gestaltung der Fahrbahn“, die rein rechtlich keine Relevanz besitzt. Wie der Name es sagt, erfüllt er mehrere Zwecke:

Im Vordergrund steht die gestalterische Wirkung: Dass die Mitte des Quartiers nicht einfach aus einer grossen, dunklen Asphaltfläche besteht. Der Mehrzweckstreifen hat aber auch eine verkehrsberuhigende Wirkung durch die optische Verengung der Fahrbahn und soll demzufolge zu einer Reduktion der Geschwindigkeit führen, indem er von den motorisierten Verkehrsteilnehmern eine gewisse Aufmerksamkeit fordert. Umgekehrt hilft er bei der Verflüssigung des Verkehrs.

Was gilt denn nun?

Aus verkehrlicher Sicht dient er als Einspur- und Überhol- sowie Ausweichstrecke. Die folgenden Regeln gelten für alle rollenden Verkehrsteilnehmerinnen, also sowohl für den Langsamverkehr wie für Automobilisten:

  • Einspuren: Anwohner oder Besucher können den Streifen befahren und ihn als Warteposition benutzen, bis die Gegenfahrbahn frei ist. Der Verkehrsfluss ist dadurch gewährleistet. Insbesondere Rad- oder Rollerfahrer fühlen sich damit in einer sicheren Position gegenüber den drängelnden Autofahrern im Rücken.
  • Ausweichen: Ein stehendes Auto oder der Bus darf auf dem Streifen mit der nötigen Vorsicht umfahren werden.
  • Überholen: Das gleiche gilt für das Überholen langsam fahrender Fahrzeuge, wobei besondere Vorsicht vonnöten ist.

Der Mehrweckstreifen hat laut Thomas Bachmann eine psychologische Wirkung: Er erhöht die Aufmerksamkeit für die anderen Verkehrsteilnehmer, gerade weil er im Gegensatz zu konventionellen Signalen oder Markierungen eine diffuse Bedeutung hat. Die Farbe sensibilisiert und das Tempo wird reflexartig etwas gedrosselt. Die gleiche Wirkung wird auch mit dem roten Radstreifen bei der Einmündung der Demutstrasse erreicht. Wobei der Experte er nicht verhehlt, dass die Wirkung dieser gestalterischen Massnahmen mit der Zeit einer Gewöhnung weichen und verpuffen kann. 

Radfahren auf dem Trottoir erlaubt

Die Teufener Strasse aufwärts ist insbesondere wegen der Blauen Zone für Radfahrer nicht ungefährlich. Deshalb dürfen sie ab Einmündung Felsenstrasse-Strasse seit längerem das Trottoir benützen. Mit dem Abschluss der Sanierung dürfen Radfahrer nun das Trottoir auf der ganzen Länge der Teufener Strasse bis kurz vor der Demutstrasse befahren. Die Markierung wurde entsprechend angepasst. 

Die gleichzeitige Nutzung durch Fussgänger und Radfahrer kann zu Konflikten führen. Dies insbesondere auch, weil heute mehrheitlich E-Bikes unterwegs sind, durch welche sich Fussgänger bedrängt fühlen können. Thomas Bachmann hält fest, dass die Fussgänger erste Priorität haben und die Radfahrer gefordert sind, entsprechend Rücksicht zu nehmen, sprich sich bemerkbar zu machen, zu bremsen oder auch einmal abzusteigen. Dies gilt insbesondere auch beim Engpass beim Kiosk, speziell wenn dort Leute aus dem Bus aussteigen. 

Was gilt auf dem kombinierten Rad- und Gehweg?

Die gleichen Regeln gelten auch auf dem kombinierten Rad- und Gehweg auf dem früheren Trassee. Hier steht zwar mehr Platz zur Verfügung. Trotzdem ist es Pflicht für die Radfahrer, diese Stecke mit Vorsicht und Rücksicht auf die Fussgänger zu benützen, da diese wie erwähnt erste Priorität geniessen.

Weil umgekehrt den Radfahrern stadteinwärts kein Radstreifen zur Verfügung steht, wird oft der kombinierte Geh- und Radweg in der Gegenrichtung benützt, was ausdrücklich erlaubt ist, so Thomas Bachmann: „Der kombinierte Geh- und Radweg darf in beide Richtungen benützt werden. Auf eine Signalisation bei der Höhe Einmündung Hochwacht wurde jedoch verzichtet. Wenn diese gestellt worden wäre, müsste der kombinierte Geh- und Radweg vom Fahrradlenker benützt werden. Mit der heutigen einseitigen Signalisation muss nur der bergwärtsfahrende Radfahrer den kombinierten Geh- und Radweg benützen. Dem Abwärtsfahrenden ist dies freigestellt, sprich, es ist nicht verboten.“

Dieser Automobilist handelt vorbildlich: Sicherheitsstopp vor dem Queren des Geh- und Radweges.

Einmündung Hochwacht und Solitüdenstrasse: Trottoirüberfahrt

Bei der Einmündung der Solitüdenstrasse wie an der Hochwacht sind mit dem Wegfall der Zahnradstange auch die Signaltafeln „Kein Vortritt“ entfallen. Dafür wurde hier das Trottoir baulich entsprechend durchgezogen, mit Randsteinen auf beiden Seiten. Für den rollenden Verkehr auf den beiden Quartierstrassen hat das jedoch die gleiche Bedeutung wie die Signale: Wer über ein Trottoir auf eine Haupt- oder Nebenstrasse fährt, muss den Benützern dieser Strassen und des Trottoirs den Vortritt gewähren.

Thomas Bachmann weiss aus eigener Beobachtung, dass diese Einmündungen für die schwächeren Verkehrsteilnehmer ein gewisses Gefahrenpotenzial aufweisen. So hat er Autofahrer beobachtet, die ohne anzuhalten direkt auf die Teufener Strasse eingebogen sind. Vor dem Trottoir sollte jedoch ein Sicherheitshalt eingeschaltet und das Auto erst vorgezogen werden, wenn damit der Langsamverkehr nicht blockiert wird. 

Bei der Einmündung der Im Grund-Strasse macht diese Signalisation alles klar.

Aus fachlicher Sicht würde Thomas Bachmann eine optische Unterstützung sprich zusätzliche Markierung am Boden begrüssen, zum Beispiel durch eine farbliche Gestaltung, um die Aufmerksamkeit der Autofahrer zu erhöhen und Fussgänger und Radfahrer besser zu schützen. Durch das Gefälle verleite insbesondere die Solitüdenstrasse zu einem erhöhten Tempo, hat er beobachtet. 

Konfrontationsgrün: eine Herausforderung speziell für Kinder

Eltern haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Schulkinder bei den beiden Fussgängerübergängen am Knoten Demutstrasse plötzlich mit abbiegenden Autos konfrontiert sind und sich dabei verunsichert fühlen.

Beim sogenannten Konfrontationsgrün haben Fussgänger und Autofahrer gleichzeitig grün. Beim Autofahrer blinkt zusätzlich noch ein gelbes Warnlicht. Dies einerseits beim Fussgängerstreifen am Standort der ehemaligen Passerelle, andererseits beim Übergang über die Demutstrasse, wo der Verkehr aus dem Appenzellerland Richtung St. Georgen ebenfalls gleichzeitig grün erhält.

Diese Regelung gelte an vielen Übergängen in der Stadt und habe sich inzwischen bewährt, und zwar sowohl aus Sicht Autofahrer für die Verflüssigung des Verkehrs wie auch für Fussgänger mit kürzeren Wartezeiten.

Thomas Bachmann macht aber darauf aufmerksam, dass für die Autofahrer Grün grundsätzlich nicht einfach freie Fahrt bedeute, sondern man immer Vorsicht walten lassen müsse. Das sei auch gesetzlich so geregelt. Das Gleiche gelte umgekehrt sinngemäss auch für die Fussgänger.

Fussgängerstreifen beim Café Schwyter

Der Fussgängerstreifen wurde stadteinwärts verlegt und befindet sich nun unmittelbar bei der Abzweigung Demutstrasse. Dies vor allem aus Rücksicht auf die Sicherheit der Schulkinder. Diese konnten bisher die Treppe hinunter und gleich über den Fussgängerstreifen rennen. Laut den gesetzlichen Grundlagen sollen keine „direkten Linien“ ermöglicht werden – ein kleiner Umweg erhöhe die Sicherheit. In den letzten Jahren haben der Kanton und die Stadt alle Fussgängerstreifen überprüft. 90 Prozent wurden als gefährlich bezeichnet und zu einem grossen Teil eliminiert. Nur 10 Prozent galten als ungefährlich – es handelt sich dabei samt und sonders um solche, die mit einem Lichtsignal gesichert sind.

Die Strasse darf auch ausserhalb des Fussgängerstreifens überquert werden, aber nur, wenn der nächste Fussgängerstreifen mehr als 50 Meter entfernt ist. Dies trifft auf die Überquerung der Teufener Strasse zwischen alter Post und Quartierladen resp. Durchgang zur Bahnstation knapp zu….  

Die gute Sichtbarkeit ist das wichtigste Kriterium bei der Anlage eines Fussgängerstreifens. Beim Übergang Nestweiher werden die Sichtweiten trotz der Bepflanzung eingehalten. Jedoch: Die Bepflanzung der Ruderalfläche darf 60 cm Höhe nicht überschreiten, das wird mit dem entsprechenden Unterhalt gewährleistet.
Die Mittelschutzinsel dient dem sicheren Überqueren der Strasse. Durch das etappenweise Überqueren der Strasse ist die Sicht jederzeit gegeben. 
  • Passerelle wäre die sicherste Lösung

Verständnis zeigt Thomas Bachmann für die Eltern, welche sich anstelle des Fussgängerstreifens die Beibehaltung respektive Modernisierung der provisorischen, auf rund 10 Jahre Nutzungsdauer ausgelegte Passerelle beim Übergang Höhe Nestweiher gewünscht hätten. Eine Unter- oder Überführung sei erwiesenermassen der sicherste Übergang. „Es kommt jedoch auf die Sichtweise einzelner Personengruppen an. Unter- und Überführungen sind z.B. für Behinderte eher schwierig zu bewältigen. Aus diesem Grund hätte auf den Fussgängerstreifen nicht verzichtet werden können.“

  • Kein zusätzlicher Verkehrsunterricht

Die neue Situation mit der Lichtsignalanlage nach dem Wegfall der Passerelle sei kein Grund, den Verkehrsunterricht an der Schule speziell darauf auszurichten. Aufgrund der Rechtslage liege der Schulweg in der Verantwortung der Eltern. „Wir schreiben die Schulwege nicht vor, aber wir zeigen den Kindern das richtige Verhalten im Verkehr, und dazugehört selbstverständlich die korrekte Benutzung der Lichtsignalanlage.“

  • Kamera läuft

Aufmerksame Passanten haben bemerkt, dass der Verkehr am Knoten Demutstrasse durch eine Kamera überwacht wird. Diese Kamera, ausgestattet mit einem Fischauge, nehme aber keine Bilder auf, sie diene der Verkehrsüberwachung und könne im Bedarfsfall auf einem Monitor im Polizeikommando aufgeschaltet werden. 

2 Kommentare

  1. Alwin Oggenfuss

    19.09.2020 / 08:35 Uhr

    Danke Maria Pappa ,
    eine Stadträtin, die nicht nur redet, sondern handelt .
    Unsere Stimme am Wahlsonntag 27.September ist Ihnen gewiss .
    H + A Oggenfuss

    Antworten

  2. Bühler Walter

    09.09.2020 / 12:17 Uhr

    Auf der Solitüdenstrasse sollte bei der Einmündung in die Teufenerstrasse VOR dem Radstreifen eine Stopp Signalisierung angebracht werden.
    Dies, weil sonst von rechts (von Teufen her) auf dem Radstreifen fahrende Velofahrer zu sehr gefährdet sind.

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