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20.03.2020

„Bis jetzt hat sich bei keinem Patienten der Verdacht bestätigt“

Corona-Pandemie - wenn sich besorgte Menschen beim Hausarzt melden. Interview mit Dr. Stefan Schindler.

Mit Hygienemaske – so empfangen Dr. Stefan Schindler und seine Mitarbeiterinnen zurzeit die Patienten in der Praxis an der Hochwachtstrasse. Fotos: EG

Interview: Erich Gmünder

Corona ist in aller Munde – und das spüren natürlich vor allem Anbieter im Gesundheitsbereich. Wie gehen Sie mit den Fragen und Sorgen Ihrer Patienten um, was empfehlen Sie ihnen und wie schützen Sie sich selber? Das wollten wir von Dr. Stefan Schindler wissen, der an der Hochwachtstrasse 8 im Riethüsli zusammen mit einer Kollegin eine Hausarztpraxis betreibt.

Herr Schindler, wie wirkt sich die Pandemie auf Ihre Praxis aus? Haben Sie vermehrt Anfragen in Bezug auf Corona-Infektionen?

Wir haben mehrere Termine absagen müssen, wie beispielsweise Check-ups, die nicht dringend sind, und hörten dann am Telefon die Sorgen unserer Patienten, und wir haben natürlich viele Anfragen, die telefonisch zu uns kommen, weil Leute, die sich kränklich fühlen, Angst haben, sie hätten sich mit Corona angesteckt.  Dazu kommen auch viele Anfragen, wie es sich mit der Arbeitsfähigkeit verhält. 

Was sagen Sie diesen Leuten?

Im Prinzip sind die Richtlinien vom BAG oder vom Kantonsarzt klar, wie man da vorgehen soll. Wenn jemand keine Symptome hat, die Richtung viralen Infekt hindeuten, dann ist die Empfehlung, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um einen Infekt mit dem Corona-Virus handelt, und dann kann man auch weiter arbeiten gehen. Wenn man Symptome hat wie Husten und Fieber und sich relativ schlecht fühlt –  halt so, wie sich ein grippaler Infekt anfühlt -, dann ist die Empfehlung, dass man sich für zehn Tage in Selbstisolation begibt und den Verlauf abwartet. 

Hatten Sie bereits Patienten, die an Corona erkrankt sind oder blieb es bei Verdachtsfällen?

Wenn jemand Fieber und Husten hat, dann besteht natürlich ein gewisser Coronaverdacht, da hatten wir Patienten, aber bei keinem hat sich der Verdacht beim Abstrich bestätigen lassen. 

Also sind die Tests negativ ausgefallen?

Ja.

Wie soll jemand vorgehen, der oder die sich krank fühlt und unsicher ist bezüglich der Symptome? 

Das Einfachste ist, und das haben wir jetzt relativ oft, wenn er oder sie uns anruft. Dann kann man gemeinsam die Symptome durchgehen und eine Triage machen, ob es wirklich verdächtig ist oder nicht. Gemäss den Empfehlungen vom BAG und vom Kantonsarzt ist der Zeitpunkt für einen Abstrich erst gekommen, wenn jemand wirklich Fieber über 38 Grad hat, deutliche Husten- oder Atembeschwerden zeigt und das Gefühl hat, dass sich die Atmung zunehmend verschlechtert.

Und wenn dann der Zeitpunkt für einen Test gekommen ist – wie soll er oder sie dann vorgehen?

In St. Gallen ist es inzwischen so organisiert, dass die Permanence der Polipraxis, die vor kurzem im Hotel Walhalla eröffnet worden ist, sich darauf spezialisiert hat, die Abstriche zu machen, so dass wir von dieser Aufgabe entlastet sind. Die Notfallpraxis unter Leitung des früheren Chefarztes der ZNA am Kantonsspital, Prof. Dr. Josef Osterwalder, ist an 365 Tagen offen und hat professionell ausgestattete Räumlichkeiten, die jeweils desinfiziert werden, so dass das Ansteckungsrisiko extrem gering ist. 

Das entlastet uns, weil wir damit relativ sicher sein können, dass Patienten, bei denen ein hochgradiger Verdacht auf Corona-Infektion besteht, gar nicht mehr in unsere Praxis kommen, so dass wir das Ansteckungsrisiko von uns und unseren Patienten fernhalten können. 

Welche Weisung ist aus Ihrer Sicht am wichtigsten?

Das Wichtigste ist: keine sozialen Kontakte, die nicht unbedingt nötig sind. Die Abstandsregel mit 2 Meter Abstand ist ebenfalls essenziell, und dann natürlich weiterhin Händewaschen und vor allem: nicht mit den Händen ins Gesicht gehen. Das ist das Schwierigste… (lacht). Nochmals: Der springende Punkt ist, dass man die sozialen Kontakte auf ein Minimum herunterfahren muss. Da sehe ich, dass die meisten Menschen sehr grosse Mühe damit haben. 

Dürfen Angehörige der Risikogruppen, insbesondere Leute über 65,  noch das Haus verlassen, um an die frische Luft zu kommen, und wenn ja, worauf müssen sie achten

Es gibt klare Weisungen des Bundesrates, dass ältere Menschen und chronisch Kranke nicht hinaus gehen sollten. Selbstverständlich würde nichts passieren, wenn sie alleine im Wald spazieren gehen. Die Frage ist immer, wie andere Menschen sozial mit ihnen agieren. Wenn man verantwortungsvoll miteinander umgeht, dann ist das kein Problem. Wenn aber andere Menschen vorbeigehen, die sich nicht an diese Abstandsregeln halten, dann sind Angehörige dieser Risikogruppe schlicht gefährdet, weil sie keinen Einfluss auf das Verhalten anderer nehmen können. Wenn jemand sieht, dass weit und breit kein anderer Mensch zu sehen ist, spricht aus medizinischer Sicht nichts dagegen. 

Ich bin 66 und möchte meine Hunde weiter spazieren führen. Darf ich das noch?

Für Sie als Angehöriger eine Risikogruppe gilt, dass Sie das Haus nicht verlassen sollten. Wer die 65 überschritten hat, sollte den Kontakt mit anderen Menschen meiden. Wenn Sie mit ihrem Hund spazieren gehen und auf die zwei Meter Abstand zu anderen Menschen achten, dann wird Ihnen wahrscheinlich nicht viel passieren, obwohl sie sich über eine bundesrätliche Weisung hinwegsetzen.  

Wie helfen Sie Angehörigen der Risikogruppe, wenn diesen die Decke auf den Kopf fällt und sie sich eingesperrt fühlen?

Ich empfehle ihnen, die sozialen Kontakte via Telefon oder elektronische Medien zu pflegen. Allenfalls, bei Schlafstörungen oder Angstzuständen, können wir auch mit Medikamenten unterstützen. Wichtig ist auch, dass sich Angehörige oder Nachbarn um solche Menschen kümmern und ihre Hilfe anbieten, beispielsweise für sie einkaufen gehen. Wir alle aber müssen unsere sozialen Kontakte herunterfahren und haben Zeit für anderes, beispielsweise wieder einmal ein Buch zu lesen. Es braucht vermutlich eine gewisse Umgewöhnungszeit.

Wie schützen Sie selber sich resp. Ihre Mitarbeitenden vor einer Ansteckung

Es geht eigentlich nicht darum, uns schützen zu können, sondern wir versuchen eher, die Patienten vor uns zu schützen, falls wir mal angesteckt sein sollten und das nicht wissen. Wir tragen deshalb Hygienemasken, die zwar für uns selber keinen grossen Schutz darstellen, aber zumindest verhindern, dass unsere feuchte Aussprache zum Patienten kommt.

Wir vermeiden Körperkontakt und versuchen ebenfalls, den vorgeschriebenen Abstand einzuhalten, obwohl wir, da wir Masken tragen, theoretisch näher gehen könnten, weil wir ja keine Tröpfchen aussenden. Allfällige Körperkontakte werden nur mit Handschuhen ausgeführt, und vor und nach jeder Behandlung werden alle Flächen, mit denen der Patient in Berührung gekommen ist, desinfiziert.

Müssten Sie die Praxis schliessen, wenn Sie oder Ihre Kollegin angesteckt würden?

Nein, denn wären meine Kollegin oder ich betroffen, dann müsste der oder die Betreffende in Quarantäne gehen. Aber die Praxis ist aufgrund unserer Hygienemassnahmen nicht infiziert, meine Kollegin könnte also weiter machen, wenn es mich erwischen würde, und umgekehrt.

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