22.

22.03.2020

„Dieser Ort gibt uns das Gefühl, nicht allein zu sein“

Erster Sonntag ohne Gottesdienst - aber die Kirchen sind nicht geschlossen.

Erich Gmünder

Seit dem vergangenen Montag ist alles anders – auch in den Kirchen: Es finden keine gemeinsamen Gottesdienste und Anlässe mehr statt, selbst Beerdigungen dürfen nur noch im engsten Familienkreis durchgeführt werden, und seit vergangenem Freitag sind Ansammlungen mit mehr als fünf Personen verboten. Trotzdem bleiben aber die Kirchen offen, für Einkehr und stille Gebete.

Auch die Paritätische Kirche Riethüsli lädt mit viel Symbolik zur Einkehr ein. Das beginnt bereits beim Weg zur Kirche: Fussabtritte lenken die Schritte zur Kirche hin. Allerdings: Beim Eingang werden Menschen mit ansteckenden Krankheiten gebeten, der Kirche fern zu bleiben. Die Sicherheit geniesst auch hier die höchste Priorität.

Im Innern steht ein Dispenser bereit, der – berührungsfrei – Desinfektionsmittel auf die Hand sprüht. Die Stühle stehen entsprechend weit auseinander, damit der Minimalabstand von zwei Metern eingehalten werden kann.

Auf dem Altartisch lädt ein Fürbittenbuch dazu ein, Bitten, Hoffnungen und Dank auszudrücken.

Ein Eintrag im Fürbittenbuch.

Mit einem Audio-Dokument von rund zehn Minuten Dauer lädt Elisabeth Weber, die reformierte Pfarrerin im Riethüsli, die Menschen in Corona-Zeiten zum sonntäglichen Mitfeiern ein. Der «Sonntags-Impuls» beginnt jeweils mit dem Anzünden einer Kerze (wenn möglich auch bei den Mitfeiernden). Es folgt ein Kirchenlied zum Mitsingen, ein persönlich gehaltener Denkanstoss von Elisabeth Weber zu einem Bibelwort und endet mit einem Gebet mit Stille und dem Segen. An der Orgel wird Pfarrerin Elisabeth Weber von Gottlieb F. Höpli begleitet. 

Die Audio-Datei zum Mithören auf PC, Whatsapp und SMS kann bestellt werden bei elisabeth.weber@ref-sgc.ch.

Der Sonntagsimpuls dauert 10 Minuten und kann hier angehört werden (oben auf Start klicken!).

Eine Klagemauer aus Ziegelsteinen steht links – sie enthält erst einen gefalteten Zettel. 

Bei einem spontanen Besuch treffe ich zwei Kirchgängerinnen an: Heidi Oggenfuss und Vreni Wild. Sie zünden Opferkerzen an sowie die beiden Kerzen neben der Gottesmutter, und beten und singen gemeinsam. 

Beide sind regelmässige Gottesdienstbesucherinnen und sind froh über die Alternativangebote.

„Ich brauche einen solchen Ort, weil ich hier die Verbindung zu Gott, aber auch zu den Mitmenschen noch stärker spüre als zuhause im stillen Kämmerlein“, sagt Heidi Oggenfuss. „Hier bin ich nicht allein, auch wenn sonst niemand hier ist: Ich nehme ja meine Liebsten in Gedanken hierher mit, aber auch die Patienten, die Ärzte und das Pflegepersonal und alle, die in diesen schwierigen Zeiten alles geben, und schliesse sie ins Gebet ein. Auch wenn wir nicht mehr so nahe beisammen sein dürfen – wir können ja telefonieren oder skypen. Wir Menschen brauchen einfach ein Gegenüber. Wir sind nicht fürs Alleinsein geschaffen.“

Vreni Wild pflichtet ihr bei: „Ich vermisse die Gottesdienste sehr. Wir brauchen die Gemeinschaft gerade in solchen Zeiten. Darum gibt es ja nun auch Gebetszeiten, wo wir alle zur gleichen Zeit zusammen beten. Da fühlt man sich mit allen verbunden – das ist wie ein Kreis, der um die ganze Welt geht und die Dunkelheit vertreibt. – Der Mensch ist ein soziales Wesen, wir verkümmern, wenn wir nicht füreinander schauen. 

Das erste, was mir hier aufgefallen ist, dass es zwar eine Klagemauer hat, aber keine Dankesmauer, wo man ein Zettelchen einstecken könnte. Wir haben ja soviel Grund zur Dankbarkeit, auch wenn wir gerade in solchen Zeiten dazu neigen, nur das Schlechte zu sehen. Gerade jetzt können wir darum bitten, zu sehen, was alles gut ist, und dankbar dafür zu sein.“ 

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