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4.07.2019

Neuer Aufbruch nach dem Abbruch

Die Katholische Kirche gehört bald der Vergangenheit an

Zwei Kirchtürme im Quartier – dieses Bild ist bald Geschichte. Fotos: Erich Gmünder

Ende Juni fand offiziell der letzte Gottesdienst in der katholischen Kirche Riethüsli statt. Nach 32 Jahren erfolgte der Auszug aus der Heiliggeist-Kirche, die ursprünglich nur als Provisorium gedacht war.

Erich Gmünder

Für viele Katholiken der älteren Generation ist dieser Schritt mit Emotionen verbunden: Sie haben freudig mitgeholfen, dass das Riethüsli vor bald 50 Jahren eine eigene Pfarrei erhielt und Jahre später endlich eine eigene Kirche.

Der Glockenaufzug am 26. September 1987. Archbild: Stadtarchiv

Manche haben sich als Spender oder im Frondienst an der Finanzierung und Schaffung von Einrichtungsgegenständen engagiert. Ihre Kinder wurden hier getauft, gefirmt oder haben im Kirchlein geheiratet. Das Glöcklein hat ihre Angehörigen zum letzten Geleit begleitet. Und jetzt soll also Schluss damit sein.

Schmerzlicher Verlust

Das Schicksal wurde Anfang Mai offiziell besiegelt. Das katholische Kirchgemeindeparlament hat einer Vereinbarung mit der evangelischen Kirche zugestimmt, welche die Bedingungen für die paritätische, sprich gemeinsame Nutzung der Räumlichkeiten der evangelischen Kirche Riethüsli-Hofstetten auf der Basis eines Mietvertrages festlegt. Andres Büsser, Vertreter des Riethüsli und Sprecher der vorberatenden Kommission machte in seinem Eintretensvotum aus seinem Herzen keine Mördergrube: «Auch wenn die Chancen und neuen Möglichkeiten gesehen und überwiegend auch von dieser Basis mitgetragen werden: die Einsicht, die eigene Kirche, die weniger wegen ihres bescheidenen baulichen Daseins als vielmehr wegen ihrer Geborgenheit stiftenden Atmosphäre gleichsam als «Nest» sehr geschätzt worden ist, zu verlieren, ist schmerzlich. Wir alle wissen auch, dass damit nicht bloss Bausubstanz wegfällt, sondern auch ein wichtiges Symbol und ein Kraftort unserer Konfession im Riethüsli.» Er sprach damit aus, was viele Katholiken bewegt.

Doch Opposition aus der Pfarrei gab es keine: Einerseits weil klar scheint, dass die Lebenszeit des ursprünglich aus der Halden stammenden Kirchleins abgelaufen ist. Anderseits auch aus Resignation, weil der Kirchenbesuch in den letzten Jahren stark nachgelassen hat und die Kirche oft nur noch bei Beerdigungen gefüllt ist. Und drittens, weil niemand sich dem Verdacht aussetzen möchte, gegen den ökumenischen Weg zu sein, der schon seit Jahren erfolgreich beschritten wird: Mit zahlreichen gemeinsamen Veranstaltungen wie dem Riethüsli-Zmorge (seit 40 Jahren!), Gottesdiensten und Angeboten wie dem Suppentag etc.

Zurück zu den Anfängen

Jemand, der respektive die von Anfang an dabei war, als es um die Pfarreigründung ging, ist die langjährige Pfarrsekretärin und Mesmerin Rosmarie Gmür (Porträt Magazin 2011/1). Auch bei ihr ist ein leises Bedauern auszumachen über die Entwicklung, die zum Abbruch führte. «Ich werde sicher nicht dabei sein, wenn das Kirchlein abgebrochen wird», sagt sie. Aber die gemeinsame Zukunft sieht sie pragmatisch. Schon ihr Chef, Pfarrer Viktor Staub, erster katholischer Seelsorger im Riethüsli, habe sich immer für die ökumenische Sache eingesetzt. Und bedauert, dass nicht bereits in den Anfängen nach dem Vorbild der Haldenkirche ein ökumenisches Zentrum im Riethüsli möglich war. «Leider war es nicht möglich, dass auch wir Katholiken in der evangelischen Kirche Gottesdienst feiern konnten, auf Grund der Schenkungsurkunde», schrieb er in einem Dokument über die Gründungsgeschichte.

Die evangelische Gemeinde konnte ihr Zentrum dank einer Schenkung der Gärtnerei Buchmüller rascher, bereits 1980, realisieren – die Katholiken, welche seit 1972 eine eigene Pfarrei aufbauten, blieben aussen vor, aufgrund der erwähnten Schenkungsurkunde. Bald einmal zeigte es sich aber, dass der – im Vergleich zur 1987 eingeweihten katholischen Kirche überdimensionierte Bau – zu hohen Kosten führte, welche den langfristigen Weiterbetrieb in Frage stellten. Sogar ein Verkauf oder eine Vermietung standen zeitweise zur Diskussion. So lag es nahe, dass bei den Nachbarn angeklopft – und eine pragmatische Lösung gefunden wurde.

Nach 32 Jahren Alleingang ist man damit gleichsam wieder am Anfang. Oder mit anderen Worten: Die Ökonomie hat der Ökumene den Weg gewiesen.

Bereits seit 2013 werden die Büro- und Begegnungsräume des Evang.-ref. Kirchgemeindehauses gemeinsam genutzt. In den Folgejahren habe sich die ökumenische Zusammenarbeit erfreulich positiv entwickelt, heisst es in der Vorlage der kath. Kirchgemeinde. Sinnbildlich seien dafür u.a. das gemeinsame Logo, das gemeinsame Leitbild sowie zahlreiche ökumenische Aktivitäten und Gruppen.

Die Verwaltungsvereinbarung

Für die katholische Kirchgemeinde entstehen gemäss der Verwaltungsvereinbarung jährlich wiederkehrende Kosten von Fr. 132 500.–. Diese setzen sich zusammen aus der Miete (36 000.–), Nebenkosten (14 000), Liegenschaftenunterhalt (25 000.–) und Anteil am gemeinsamen Hauswartdienst (57 500.–). Der Kirchenraum soll mit diversen liturgischen und kulturellen Einrichtungen aus dem katholischen Kirchengebäude ergänzt und gestaltet werden. Namentlich erwähnt werden der Tabernakel, das Ewige Licht, der Weihwasserspender (auch als Taufbecken nutzbar), der Ambo, das Symbolbild Taube, die Marienstatue, der Opferlichtständer und die Antoniuskasse. Zusätzlich wird ein abschliessbarer Raum (die jetzige Küche) zur Sakristei umgebaut. Über die Weiterverwendung anderer Einrichtungen (Orgel, Glocke) wurde noch nicht entschieden.

Rasch verschlechterter Zustand

Bei der ursprünglich in der Halden stehenden, sogenannten «Behelfskirche» handelt es sich um eine Holzkonstruktion auf Zementsteinmauerwerk und Stahlstützen. Noch 2009 hatte ein mit der Inspektion beauftragter Ingenieur keine Mängel wie Deformationen, Risse etc. festgestellt. 2015 erfolgte eine weitere Gebäudeaufnahme im Zusammenhang mit der Projektierung des Ruckhaldetunnels. Dabei seien bereits einige Schäden am Kirchgebäude festgestellt und fotografisch dokumentiert worden.

Zwei Jahre später stellte die Kirchgemeinde fest, dass sich die Schäden am Holztragwerk massiv verschärft hätten (welche jedoch nicht von den Tunnel-Bauarbeiten verursacht worden seien, wie in der Vorlage betont wird). Ein mit einer Zustandsanalyse beauftragtes Ingenieurbüro habe im Herbst 2017 festgestellt, dass die Kirche im heutigen Zustand nur noch während maximal zwei Jahren betrieben werden könnte, sofern keine Massnahmen getroffen würden, welche die Tragfähigkeit des Holzwerks massgeblich verbesserten. Diese Massnahmen würden jedoch auf mehrere Hunderttausend Franken geschätzt.

Sanierung zu aufwendig

Eine Sanierung der Kirche wäre jedoch nicht angemessen. Einerseits, weil diese äusserst kostenintensiv wäre und mit den finanziellen Ressourcen haushälterisch umgegangen werden müsse. Anderseits würde dies «ein unglückliches Signal für die Weiterentwicklung der Ökumene in der Pfarrei Riethüsli» darstellen, heisst es in der Vorlage. Und zudem seien die räumlichen Bedürfnisse der Pfarrei mit der paritätischen Nutzung des Evang.-ref. Kirchengebäudes ausreichend abgedeckt.

Im Juni fanden die letzten Gottesdienste im Kirchlein statt.

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