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29.04.2020

Klares Ja zum neuen Schulhaus – jetzt hat das Volk das letzte Wort

Die Debatte im St. Galler Stadtparlament zum Schulhausprojekt im Riethüsli.

Hände desinfizieren ist obligatorisch – das gilt auch für „unseren“ Riethüsler Stadtrat Peter Jans. Fotos: Erich Gmünder
Den Vorsitz führte ebenfalls ein „halber“ Riethüsler: Parlamentspräsident Beat Rütsche, der höchste St. Galler, ist im Riethüsli aufgewachsen. Vor ihm Thomas Scheitlin, der gleichentags seinen Rücktritt nach 14 Jahren als Stadtpräsident angekündigt hatte.

Erich Gmünder

Rund drei Viertelstunden debattierte das Stadtparlament am Dienstag, 28. April – coronabedingt in der Sporthalle Kreuzbleiche  – über den Neubau der Schule Riethüsli. Im Grundsatz war die Vorlage des Stadtrates unbestritten, zu reden gaben vor allem Details wie die fehlende Schulküche und Räume für Logopädie oder Schulsozialarbeit sowie der vermisste Einbezug der Beteiligten, insbesondere der Schulkinder. Und die SVP kritisierte die hohen Baukosten und den angeblichen Luxus. Trotzdem wurde der Planungs- und Ausführungskredit in Höhe von 47,8 Mio Fr. am Schluss mit wenigen Gegenstimmen klar und deutlich angenommen.

Sämtliche Fraktionen ausser die SVP gaben die Ja-Parole aus, die SVP-Fraktion überliess den Entscheid ihren Mitgliedern. Von dort stammten beim Schlussresultat die beiden Nein-Stimmen, gegenüber 55 Ja-Stimmen und einer Enthaltung.

Mit gehörigem Abstand sitzen die Rätinnen und Räte an  ihren Plätzen. Im Vordergrund die Riethüsler Stadtparlamentarierin Lisa Etter.
Deutliches Schlussresultat – einzig zwei Mitglieder der SVP-Fraktion scherten aus. Fotos: Erich Gmünder

Wenn alles klappt, kommt das Projekt frühestens am 27. September an die Urne. Am gleichen Wochenende werden Stadtrat und Stadtparlament neu gewählt. Laut St. Galler Tagblatt könnte die Abstimmungsvorlage aber auch auf den November verschoben werden, weil der 27. September neben den Stadtwahlen mit nationalen Abstimmungsvorlagen reich befrachtet sei. Die Verantwortlichen können aber bereits vorher weiter planen. Das Stadtparlament stimmte im gleichen Zug einem Planungskredit in der Höhe von 1,1 Mio. Franken zu, der noch dem fakultativen Referendum untersteht.

Clemens Müller, Grüne, Präsident der Liegenschaften- und Baukommission (LBK) betonte eingangs, dass es der Kommission gerade in dieser Zeit der Corona-Krise wichtig ist, dass städtische Investitionen getätigt werden, auch um die gewerblichen Aktivitäten am Laufen halten zu können. Bei der Besichtigung vor Ort sei deutlich zum Ausdruck gekommen, wie der kompakte Bau den Gewinn von Freifläche ermögliche, da damit gleichzeitig sechs bisherige Bauten rückgebaut werden können. Der Bau setze in Bezug auf Nachhaltigkeit neue Standards. Bei den Kosten sei zu berücksichtigen, dass von den Baukosten von 47,8 Mio. Franken allein fast 6 Mio. Franken für die Vorbereitung (Schadstoffrückbau 1,5 Mio., Rückbau der Schulanlagen und der Sanitätshilfsstelle 2 Mio. und Massnahmen der Quartiervernetzung wie Treppe und Lift 1,5 Mio. Franken) vorgesehen sind. In der Kommission sei die gute Gestaltung des Aussenraums als besondere Aufgabe der weiteren Planung angemahnt worden. Dabei sollten neben den betroffenen Fachpersonen insbesondere auch die Kinder als künftige Nutzer einbezogen werden.

Hohe Flexibilität

Patrik Angehrn, CVP, Präsident der Bildungskommission, zeigte den Mehrbedarf für die Tagesbetreuung auf. Während momentan an Spitzentagen 41 Kinder betreut werden, ist der Neubau auf Spitzen von 111 Plätzen ausgerichtet. Dabei sei klar, dass diese Kapazitäten nicht von Anfang an benötigt würden. Intensiv diskutiert worden sei in der Kommission die Nutzung der flexiblen Räume unter Einbezug der grossen Korridore, welche als Lernzonen ausgestaltet werden sollen und die klassischen Gruppenräume ersetzen. Damit soll die Interaktion zwischen Klassen und Lerngruppen gefördert werden, ohne dass ein konzentriertes Lernen durch vielfältigste Ablenkungen verunmöglicht wird.

Positiv hervorgehoben wurden die separaten Zugänge für Kindergarten, Tagesbetreuung und Schulzimmer. Die Kinder vom Riethüsli besuchen zwar künftig das gleiche Gebäude, sollen aber dort eigene Lern- und Aufenthaltsbereiche erhalten, die ihrem Alter angepasst sind. Geplant sind 12 Klassenzimmer. Zwei davon sollen vorläufig als Kindergarten genutzt werden. Falls die Primarstufe mehr Platz benötige, könnten diese wieder ausgelagert werden. Damit könne pragmatisch auf Entwicklungen reagiert werden, ohne übergrosse Raumreserven zu schaffen. Positiv gewürdigt wurde in der Kommission auch, dass der Schul- und Turnbetrieb während der Bauzeiten im Schulhaus Nest 2 und dessen Turnhalle sicher weitergeführt werden könne und somit keine teuren Provisorien nötig seien. Während der beschränkten Bauzeit sei ein engeres Zusammenrücken vertretbar.

„Wir Riethüsler freuen uns schon jetzt auf die Eröffnung“

Beatrice Truniger, SP, Stadtparlamentarierin aus dem Riethüsli, schätzte sich glücklich, dass die Vorlage „endlich, endlich“ behandelt werden könne, habe sie doch viele Hürden überwinden müssen, zuletzt gar eine Verschiebung wegen dem Corona-Virus. „Wir im Riethüsli freuen uns schon jetzt auf den Tag, wo wir das Schulhaus eröffnen können und eine lange Zeit des Provisoriums endlich vorbei sein wird.“

Trotz der beachtlichen Baukosten sei das überarbeitete Projekt in ihrer Fraktion mit Freude aufgenommen worden und habe überzeugt. Der Baukörper scheine trotz seiner Kompaktheit leicht und durchlässig und lasse eine flexible Nutzung zu.  Details wie das zentrale Treppenhaus und der Lichthof, die umlaufende Laubengänge oder die Zugänge zu den verschiedenen Etagen sorgten für einen gutdurchdachten, qualitativ hochwertigen Bau. Besonders erfreulich sei, dass Schule und Tagesbetreuung unter ein Dach kommen und damit ganz nahe zusammen seien. Die Schulkinder im Riethüsli erhielten so gleichzeitig optimale Bildung und Betreuung.

Auch das Quartier gewinne durch den Neubau, erhalte es doch einen hindernisfreien Zugang von der Teufener Strasse zu Schule, Kirche und Quartiertreffpunkt, sowie im Kopfbau eine Aula, die als Mehrzweckraum auch vom Quartier mitbenutzt werden könne.

Auch die SP will, dass die Beteiligten, insbesondere Kindergärtnerinnen, Lehrpersonen und die Kinder selber noch besser eingebunden und ihre Bedürfnisse ernst genommen werden. Auch vermisst werde eine Schulküche, welche für Kindergärtler, Schüler und für die Logopädie ein wichtiger Lernort sei.

Verkehrskonzept und Corona-Krise

Louis Stähelin, CVP/EVP-Fraktion, vermisste neben allen Vorteilen wie dem grosszügigen Aussenraum (9’000 Quadratmeter Freifläche) das fehlende Verkehrskonzept, und wie seine Vorrednerin eine Schulküche sowie einen Raum für Logopäden. Das Projekt müsse in der Planungsphase von verschiedenen Experten fachlich überprüft werden.

Stefan Keller, FDP-Fraktion, betonte ebenfalls den Vorteil der kompakten Bauweise und den Zugewinn von wertvollen Spiel- und Aufenthaltsflächen für die Kinder sowie Baulandreserven für künftige Projekte. Die Gesamtkosten von rund 48 Mio. müssten aber doch kritisch beurteilt werden, und es stelle sich die Frage, ob sich die Stadt vor dem Hintergrund der Corona-Krise diese Investition überhaupt noch leisten könnte, sei doch mit erheblichen Steuerausfällen zu rechnen.

Statussymbol

Christian Neff bezeichnete das Schulhaus Riethüsli als „Herzensprojekt“ der SVP-Fraktion. Immer wieder habe man in den vergangenen acht Jahren gefordert, dass das Schulhaus endlich realisiert und immer wieder sei das Geld für andere Themen – Prestigeobjekte wie das Naturmuseum oder anderen oft unnötigen Luxus oder gar Fehlinvestitionen – ausgegeben worden.

Die SVP werde nun quasi genötigt, diesem Projekt zuzustimmen, obwohl es einmal mehr ein Projekt des Wünschenswertesten statt das Augenmasses geworden sei. „Die Wut sitzt tief, dass auf dem Rücken eines in sich zerfallenden Schulhauses ein Projekt initiiert wird, um wieder ein Statussymbol zu realisieren. Wir mögen es nicht, dass wir in der Stadt St. Gallen so oft zwischen verschiedenen Übeln wählen müssen und selten Varianten mit Augenmass zur Verfügung stehen.“ Den Kindern das überteuerte Schulhaus zu übergeben, sei jedoch das kleinere Übel. Deshalb sei die Fraktion denn auch unschlüssig und habe sich für eine Stimmfreigabe entschlossen. 

Nachhaltigkeit in Zeiten der Klimakrise

Grüne und Junge Grüne stimmen dem Projekt geschlossen zu. Christian Huber würdigte die verdichtete Bauweise, die intelligente Raumaufteilung und die Nachhaltigkeit des Bauprojekts und hoffte, dass die vorgesehene Solaranlage bald realisiert werde.

Der Bau soll in jeder Hinsicht ein Vorzeigeprojekt für die künftigen Generationen sein und der Klimakrise entgegenwirken. Für die konkrete Gestaltung des Aussenraumes sollten deshalb nicht nur erwachsene Nutzer beigezogen werden, sondern in erster Linie die Kinder selber. „Für sie bauen wir das Schulhaus, und sie sind die besten Expertinnen und Experten.“

Auch die Grünliberalen stimmen dem Projekt auch aus ökologischen Gründen geschlossen zu, wie Marcel Baur erklärte.

„Nicht ist teurer als eine billige Lösung“

Zum Schluss bedankte sich Stadträtin Maria Pappa für die vielen lobenden Worte. Sie betonte nochmals die Vorzüge der verdichteten Bauweise und dem haushälterischen Umgang mit dem Boden. Auch das sei ein weiterer Vorteil eines Neubaus gegenüber einer Sanierung. Mit einem Bau statt den bisher sechs Gebäuden werde Land frei gespielt, das später für andere Projekte zur Verfügung stehe. „Der Neubau im Riethüsli ist in diesem Sinne auch ein Versprechen an künftige Generationen.“ Die Kinder sollen im Rahmen eines Partizipationsprojekts bei der Planung stärker einbezogen werden.

Zum angeblich mangelnden Verkehrskonzept verwies sie darauf, dass die Parkplätze bewusst rar seien und nicht für Turnhallenbenutzer zur Verfügung stünden. Dafür sei das Riethüsli ja exzellent an den ÖV angeschlossen.

An die Adresse der SVP sagte sie, in den letzten Jahren seien einige Projekte unter Budget abgeschlossen worden. Erst wenn der Stadtrat ein wirtschaftliches Projekt habe, komme er damit in das Parlament.  Denn bei der Ausschreibung sei er ja gezwungen, das jeweils wirtschaftlich günstigste Angebot zu berücksichtigen. 

Und an die Adresse der FDP gerichtet: Es wäre sehr kurzsichtig und je nachdem sehr teuer, bei einem Projekt, das überzeuge und voll in Fahrt sei, aufgrund einer aktuellen Lage eine Notbremsung zu veranlassen. „Bei diesem Projekt wurde die Notbremse schon einmal gezogen, vor Jahren, und es hat nun im Gegenteil noch mehr gekostet.“

Maria Pappas persönliches Schlusswort: „Bei Bauten, die Jahrzehnte halten sollen, ist nichts teurer, als eine billige Lösung.“

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