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12.05.2022

Lebensmittelläden und «eine Beiz, wo sich die Seele des Quartiers entfalten kann»

Die Stadt lud zum Workshop ein - 15 QuartierbewohnerInnen betätigten sich als ZentrumsentwicklerInnen.

Angeregte Diskussion an den drei Tischen.

Erich Gmünder, Text und Fotos

Weil sich nur 15 Teilnehmende angemeldet hatten, wurde der Workshop Zentrumsentwicklung kurzfristig von der nüchternen Turnhalle in den kuscheligeren NestPunkt verlegt. Für die Diskussion war das kein Nachteil – im Gegenteil. Bei den Wünschen und Erwartungen an das neue «Herz«» des Quartiers waren sich die «Experten» aus dem Quartier weitgehend einig.

Die Mitsprache des Quartiers beschränkt sich nicht nur auf die Ideen aus dem Workshop; am gleichen Anlass wurden auch zwei Leute aus dem Quartier in die Wettbewerbsjury delegiert, wo sie mit beratender Funktion Einsatz nehmen: Gisela Bertoldo, Quartiervereinspräsidentin, und Andreas Zanolari, Berufsschullehrer.

«Wir sehen Sie als Experten»

Für Stadtrat Markus Buschor ist die Zentrumsentwicklung im Riethüsli ein klassisches Beispiel für ihre Bodenpolitik. Einerseits kann die Stadt durch die Abgabe von Boden im Baurecht Rahmenbedingungen stellen und damit Überbauungen im Sinne der Bewohner beeinflussen. Und diese müssen aufgrund des seit 1.1.2021 geltenden Partizipationsreglements bei allen wesentlichen Fragen zur Mitwirkung eingeladen werden. Eine Steilvorlage also fürs Riethüsli. «Wir sehen Sie als Experten. Sie kennen die Bedürfnisse des Quartiers am besten und sind in der Lage, diese einzubringen», sagte Buschor zu Beginn der Veranstaltung.  Er bat die Teilnehmenden jedoch, ergebnisoffen und ohne vorgefasste Meinungen an den Prozess heranzugehen und sich schliesslich auch hinter die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse zu stellen – Mitwirkung bedeute auch Mitverantwortung.

„Ein lebendiges Quartier“

Corina Vuilleumier ist Raumplanerin beim Planungsbüro EWP und begleitet den ganzen Planungsprozess im Auftrag der Stadt. Sie nimmt das Riethüsli aufgrund des Internetauftritts und der Quartierzeitung als lebendiges Quartier wahr. Die Bevölkerung zeige Interesse und habe am Neujahrsapéro auch klargemacht, dass sie mitreden wolle, wenn es um die Entwicklung im Quartierzentrum gehe. Der Stadtrat habe den Ball aufgenommen und deshalb zum Workshop eingeladen.

15 Personen hatten sich dafür angemeldet. Sie schilderten in der Eingangsrunde ihre Motivation. Es sei eine einmalige Chance, bei der Gestaltung des Herzstücks unseres Quartiers mitzureden, so oder ähnlich hiess es unisono.

An drei Tischen entwickelten sie danach ihre Ideen und Wünsche, welche in die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs einfliessen sollen. Die verteilen sich auf die folgenden vier Bereiche: die Nutzung des Erdgeschosses durch Gewerbe, den Wohnungsmix in den Obergeschossen, die Gestaltung der Freiräume und Begegnungsbereiche und schliesslich den Realisierungshorizont.

Die Vorgaben der Stadt

Dazu hatte die Stadt bereits einige Vorgaben formuliert. Die drei Parzellen der Stadt liegen in der Kernzone 4, was viergeschossige Bauten und eine Gebäudehöhe von maximal 14,5 Metern erlaubt. Punktuell kann die Geschossigkeit allenfalls überschritten werden, allerdings sei ein Hochhaus nicht erwünscht. Die Bedingungen sollen in einen Sondernutzungsplan einfliessen, welcher für die Architekten verbindlich ist.

Bei den Freiräumen werde eine hohe Qualität angestrebt. Unter dem Stichwort «Entsiegelung» soll mehr Grün und weniger Beton angestrebt werden. Für Fussgänger und Velos sollen Querverbindungen geschaffen werden. Der Quartierverein hatte in einem Brief eine behindertengerechte Verbindung zwischen Busendstation und Bahnhof angeregt; auch diese Idee soll soweit möglich berücksichtigt werden. Bei der Nutzung des Erdgeschosses wird von einer Fläche von 600 Quadratmeter für Detailhändler ausgegangen. In den Obergeschossen soll ein vielfältiger Wohnungsmix angestrebt werden, wobei aufgrund des geplanten Alterswohnprojekts der Bedarf für ältere Mitmenschen abgedeckt sei. Die Autos werden in die Tiefgarage verbannt, deren Dach soll begrünt werden.

Eine wichtige Vorgabe ist auch der Umgang mit den bestehenden Bauten. Hier sollen den Projektverfassern keine Vorgaben für oder gegen den Erhalt gemacht werden: «Von einem kleinen Eingriff bis zum Vorschlaghammer soll alles möglich sein», so Corina Vuilleumier. Wichtig sei, dass eine «städtebaulich überzeugende Lösung» erzielt werde, wobei sie diese «hilflose», weil schwammige Formulierung gleich relativierte. Architektonisch soll die Überbauung eine hohe Qualität aufweisen, mit offener Gestaltung, Lärmschutz und Nachhaltigkeit. 

Nicht in die Planung einzogen wird die alte Post vis-à-vis: Diese liegt in der Zone öffentliche Bauten und Anlagen (ZöBa) und komme damit nicht für eine kommerzielle Nutzung in Frage, die Post könnte jedoch beispielsweise als Quartiertreffpunkt genutzt werden. Während der Bauzeit des neuen Schulhauses dient sie als Baubüro, und bis dahin als Skatertreff.

Arbeit in Kleingruppen

Nun ging die Diskussion an den drei Tischen los, wobei sich viel Übereinstimmung zeigte. Viele Ideen wurden für die Nutzung des Erdgeschosses entwickelt, das am meisten Potenzial für die Belebung des Quartierzentrums hat. So wünschen sich die Teilnehmenden eine Grundversorgung im Bereich Lebensmittel, angereichert durch ein qualitativ gutes Angebot von Spezialitäten, beispielsweise im Bereich Bäckerei und Fleischwaren, und ergänzt durch ein Café. Der attraktive Mix soll auch Autopassanten anlocken, ermöglicht durch ein entsprechendes Angebot an kurzfristigen Parkmöglichkeiten. Übereinstimmend wurde von allen Gruppen ein Restaurant gewünscht. «Eine Beiz, wo die Seele des Quartiers sich entfalten kann», wie sich jemand poetisch ausdrückte. Eine Gruppe stellt sich konkret ein gutbürgerliches Gastronomieangebot vor, auf zwei Stockwerke verteilt. 

Auch zur Gestaltung der Freiräume und Begegnungsbereiche wurden Wünsche formuliert. Ideal wäre ein Platz oder kleiner Park, wo sich Jung und Alt austauschen, mit einem Spielplatz für die Jüngsten. Grosses Thema war auch die trennende Wirkung der Teufener Strasse. Hier wurden eine Verbreiterung der Strassenfläche durch einen Grünstreifen in der Mitte sowie Tempo 30 diskutiert – was durchaus ein Thema werden könnte, wenn der Liebegg-Anschluss realisiert wird, wie Stadtrat Buschor antönte.

Was die Architektur angeht, wurde eine einladende, offene Gestaltung gewünscht statt eines fixen Baukörpers. Die Überbauung sollte durchlässig sein, um kurze Wege zwischen der Teufener Strasse und dem Bahnhof zu ermöglichen.

Beim Realisierungshorizont überwogen Stimmen, die eine rasche Ausführung des Projekts wünschten, nicht zuletzt im Hinblick auf das Alterswohnen, wo die künftigen Bewohner auf ein gutes Dienstleistungsangebot in Quartiernähe zählen dürfen sollten.

Ein Spezialfall

Bereits seit längerer Zeit ist bekannt, wie die Stadt den Projektwettbewerb organisieren will. Es soll kein reiner Architektenwettbewerb sein, sondern ein kombinierter Projekt- und Investorenwettbewerb – ein Spezialfall, wie Raumplanerin Corina Vuilleumier sagte. In der ersten Phase können sich Bietergemeinschaften, zusammengesetzt aus Investor und Architekt, für die Teilnahme bewerben. Die Wettbewerbsjury entscheidet danach, welche Teams zum Wettbewerb zugelassen werden, und lädt schliesslich die Selektionierten ein, sich am Wettbewerb zu beteiligen. Eine unabhängige, ausgewogen zusammengesetzte Jury, der neben Vertretern der Stadt und Fachleuten aus der Architektur auch zwei VertreterInnen des Quartiers als Experten angehören (siehe Einleitung), wird schliesslich aus den eingereichten Projekten inkl. Finanzierungsvorschlag das Siegerprojekt erküren. Mit diesem Vorgehen könne die Stadt viel Einfluss nehmen auf das, was hier schliesslich gebaut werde.

Zeitplan

Die Stadt legt einen ambitionierten Zeitplan vor. Als erstes sollen die Ergebnisse des Workshops ins Programm und die Rahmenbedingungen eingearbeitet werden. Im Herbst soll die Bewerbungsphase mit der Selektionierung der Bietergemeinschaften beginnen, im kommenden Winter die Wettbewerbsphase, und bereits im Frühling/Sommer 2023 soll das Siegerprojekt vorliegen und dem Stadtrat zum Beschluss vorgelegt werden. Danach folgt die öffentliche Ausstellung der Projekte. Das Stadtparlament muss über den Baurechtsvertrag und den Sondernutzungsplan entscheiden – und dann nimmt das Projekt den üblichen Lauf mit Auflage- und Einsprachefrist bis zur definitiven Baubewilligung.

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