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4.01.2022

Emil Annen – Spurensucher und Pfadfinder

Der abenteuerlichen Geschichte der Bernegg auf der Spur.

Emil Annen führt uns über einen mit Steinen gesicherten Weg auf die Bernegg.

Text: Fredi Hächler / Fotos: Erich Gmünder

Auf einem Laubteppich stapfen wir auf dem Nestweg zur Bernegg hinauf. Schon hier zeigt uns Emil Annen seine erste Entdeckung aus der Jugendzeit: Unter dem Laub ist an geordnet gesetzten Steinen deutlich zu erkennen, dass der Weg in früheren Zeiten befestigt und befahrbar gewesen sein muss. Noch viel früher soll dieser Weg nach Annens Überlegungen auf die laut historischen Quellen 1081 errichtete Holzburg geführt haben.

Als junger Pfadi tauchte man damals bei den Übungen in eine Traumwelt ein, fühlte sich als Entdecker, war Abenteurer oder Ritter. Genauso fühlte sich „Chäfer“, wie der junge Emil damals bei den Pfadi Jürg Jenatsch hiess. Die Bernegg war häufig das Ziel der samstäglichen Pfadiübungen. Offenbar verstanden es die Leiter, bei den Jungen das Interesse am Geheimnisvollen zu wecken, sie auch in eine Phantasiewelt zu führen. Diese Erlebnisse dort oben, diese Gefühle sollten Emil Annen ein Leben lang begleiten.

Heute kann er von einer wahren Geschichte von Machtkampf und Totschlag erzählen, die sich vor Jahrhunderten auf der Bernegg abspielte. Diese Geschichte, kaum bekannt und nur ansatzweise erforscht, erzählt vom Kampf der Abtei St.Gallen gegen mächtige Gegner.

Vom Dekorationsgestalter zum Marketingprofessor

Vater Annen führte in der Stadt ein Dekorationsgeschäft, das «Reklameatelier Annen» an der St.Jakobstrasse. Bei ihm machte Emil eine Dekorationsgestalterlehre, später folgte die Eidg. Matura. Annen freut sich heute noch über die damalige Note 6 im Zeichnen. Die Dozenten an der Maturitätsschule meinten, das wäre an einer «Eidgenössischen» noch keinem Maturanden gelungen, erst recht nicht bei Fridolin Trüb. (Fridolin Trüb war ein bekannter St.Galler Maler und Vater von Hansueli Trüb, Puppenspieler.)

Nun war sein Ehrgeiz geweckt, die Welt der Wirtschaftswissenschaften zu erforschen. Er wollte mehr wissen über die Hintergründe und Zusammenhänge von Werbe-, Verkaufsraum- und Messestandgestaltung. Für dieses Vorhaben bot sich der andere Hügel gegenüber der Bernegg geradezu an. An unserer Uni auf dem Rosenberg begann seine akademische Laufbahn. Hier, im Marketing-Institut an der HSG (früher FAH, heute IMCHSG), arbeitete er schon während des Studiums als Unterrichtsassistent, Unternehmensberater und zuletzt als Studienleiter in der Weiterbildung.

Um den Unterhalt für die Familie zu sichern, arbeitete er während des Studiums dazu noch als Tonmeister in der Produktion von Tonbildschauen. Da hatte er viele prominente Sprecher und Schauspieler vor dem Mikrofon wie Inigo Gallo, Karen Meffert, Silvia Jost oder WAM (Walter Andreas Müller). Er unterrichtete auch zehn Jahre an der Schule für Gestaltung im Riethüsli, baute z.B. die Weiterbildung «visuelle Kommunikation» auf. Parallel zu diesen Engagements lehrte er als Professor und Verantwortlicher für die Marketinglehre an der Hochschule für Wirtschaft FHNW in Basel.

Nun, als Pensionierter kann sich Emil Annen wieder intensiver seinen Hobbys widmen, als Mitglied in der Kommission der Feldschützengesellschaft der Stadt St.Gallen oder in der Schlössligugge. Seit längerer Zeit wohnt er in Oberhofstetten. Aber die noch ungeschriebene Geschichte der Bernegg sollte ihn nicht mehr so schnell loslassen.

Die Bernegg

Sie mag schon immer interessierten St.Gallerinnen und St.Gallern Fragen gestellt haben. Da spuken Anekdoten und Geschichten von Geheimgängen ins Kloster, von Burgen, Beobachtungsposten gegen die Appenzeller und vom Halleyschen Kometen, unserem Weihnachtsstern, in den Köpfen herum, offenbar besonders bei Leuten aus dem Riethüsli (siehe www.riethüsli.ch, sowie im Artikel Hochwacht von Ernst Ziegler, Quartierzeitung 2010/3).

Von blossem Auge gut erkennbar: Die ringförmigen Gräben rund um den Burghügel.

Die ringförmigen Gräben auf der Bernegg sind schon anderen Spaziergängern aufgefallen. Aber dem jungen Pfadfinder fielen damals schon die seltsamen Steinreihen auf. Steine, die heute teilweise verschwunden sind und geologisch gesehen nicht auf einen Nagelfluhhügel gehören.

Wie sich Emil Annen früher vertieft mit den Wirtschaftswissenschaften beschäftigte, begann er nun, sich akribisch mit der Geschichte der Bernegg zu befassen. Schon bald stiess er auf Unklarheiten und Widersprüche, so z.B. die Aussage in Büchern und von Fachleuten à la: «Da oben wurde nur ein Blockhaus erstellt». Annen staunte über den Aufwand, welcher 1081 für die Aushebung der Gräben betrieben wurde – und dies nur für ein Blockhaus?

Solches stachelte ihn erst recht an. Er stöberte stundenlang auf der Bernegg herum, verglich die in verschiedenen Quellen erwähnten Fakten und Vermutungen, fotografierte und notierte, und stellte eigene Überlegungen an. Schliesslich fragte er auch bei den historischen Profis in der Stiftsbibliothek, im Stadtarchiv, bei der Kantonsarchäologie, bei Peter Röllin, den er schon aus dem Kindergarten kannte, und beim bekanntesten Burgenforscher der Schweiz, Werner Meyer, nach. Alle bestätigten ihm, dass viele Fragen noch immer nicht beantwortet sind, seine Arbeiten aber einen wertvollen Beitrag leisten.

Stand der Forschung

Zweifellos birgt die Bernegg, die sozusagen als Hochwacht über der Stadt thront, noch Geheimnisse und Überraschungen. Emil Annen hat eine umfangreiche und bebilderte Dokumentation zusammengestellt. Sie ist noch nicht publikationsreif, die Anregungen der Fachleute – Annen ist ja kein Historiker –, immer neue Geschichten, immer neue Zusammenhänge in jener von blutigen, turbulenten Machtkämpfen geprägten Zeit fliessen in die Arbeit hinein.

Obwohl schon eine sehr interessante Unterlage entstanden ist, Annen ist mit dieser noch lange nicht zufrieden und arbeitet weiter unverdrossen an seiner «Annäherung an die Geschichte der Bernegg». Link zum PFD.

 
So ähnlich könnte die Holzburg auf der Bernegg ausgesehen haben, die 1081 von Feinden des Klosters errichtet wurde und vom St.Galler Abt kurz darauf wieder zerstört wurde (freier Rekonstruktionsversuch, Emil Annen).

Die Bernegg

Die Bernegg ist einer der geschichtsträchtigen Hügel der Stadt. Noch heute sieht man hier deutlich den grossen Befestigungsgraben um den höchsten Punkt, wo die mittelalterliche Hochwacht stand.

Schon 1081 liess der Abt hier einen Wachtposten errichten. Kurze Zeit später soll diese Hochwacht auf Anordnung des nachfolgenden Abtes wieder zerstört worden sein. Dieser liess einen Bildstock errichten, St.Wendelinsbild genannt.

Doch bald wurde wieder eine Hochwacht errichtet, die wohl in gefährlichen Zeiten Tag und Nacht bemannt war, vielleicht schon bei den Eroberungszügen der arabischen Sarazenen (um das Jahr 950), später gegen die Appenzeller oder bei der letzten Alarmierung 1798 gegen die Franzosen.

Die Hochwacht,  auch Schibenerhüttli genannt, bestand bis 1844.

Die Hochwacht

Im Sommer 1531 stieg der städtische Bürgermeister Vadian mit Gelehrten und Freunden zur Bernegg hinauf. Er verbrachte mit ihnen schauend und disputierend eine ganze Nacht auf dem Hügel. Das Erscheinen des Halleyschen Kometen war für diese Nacht angesagt. Vielleicht wurden sie am andern Morgen in der Falkenburg zu einem Frühstück eingeladen. Das Landschlösschen der Familie Rütiner wurde 1497 errichtet und diente als sommerlicher Herrschaftssitz und in Pestzeiten als Fluchtort. Seit einigen Jahren gibt es einen Vadian-Rundgang um die Bernegg. Fredi Hächler, Riethüsli, Geschichte und Geschichte (Seite 28 ff.)

Emil Annen, Annäherung an die Geschichten der Bernegg bei St.Gallen PDF

1 Kommentar

  1. Peter Gattiker

    05.01.2022 / 22:10 Uhr

    Ca. in den 1950er-Jahren muss der Bernegg Südhang mit Tännchen aufgeforstet worden sein. Warum? Was war davor? Darunter? Ich kannte den Hügel fast wie meine Hosentasche, ebenso den Ringelbergwald und den Liebeggwald nord. Als Nest Kindergärtler von Frl. Adank und langjähriger Riethüsler und Hebelschüler war das meine faszinierende Heimat seit 1957 bis 2020 (wohnte bis 1979), als meine Mutter ins Altersheim musste. Mein Bruder A. G. ist zum Nestler geworden.
    Seit 38 Jahren wohne ich in Abtwil.

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