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18.03.2021

«Das ist doch Seldwyla hoch drei»:

Warum ein St.Galler seine neu erstellte Gartenmauer jetzt abreissen muss.

Stiller Protest von Walter Bösch – Statt Blumenschmuck ein sinnloser Abbruch…, schreibt er mit Kreide auf die dem Abbruch geweihte Mauer. Fotos: Erich Gmünder

Im  St.Galler Wohnquartier Oberhofstetten wird um eine Gartenmauer gekämpft. Der Besitzer ist erbost, weil er sie abreissen muss. Dabei habe er sich bei der städtischen Bauberatung vorab erkundigt. Von Seiten der Stadt heisst es hingegen, ohne Baubewilligung keine Mauer.

Julia Nehmiz, St. Galler Tagblatt 18.2.2021

Die Mauer muss weg. Und Walter Bösch versteht die Welt nicht mehr. «Das ist doch Seldwyla hoch drei», sagt er. Seine Gartenmauer, welche Passanten, Anwohnerinnen und Buschauffeure erfreue, wie er sagt, muss er abreissen. So hat es der Kanton entschieden. Bösch hat viel gekämpft um seine Gartenmauer. Doch jetzt fügt er sich der „Behördenwillkür“ – so empfindet er es. Er mag nicht mehr, und er mag auch kein Geld mehr in die Mauer stecken und in die Auseinandersetzung um sie.

Die Stadt riet ihm zum Bau der Mauer

Seit 38 Jahren wohnt Bösch mit seiner Familie im Haus an der Oberhofstettenstrasse 62 in St.Gallen. Die Gartenmauer, um die ein erbitterter Streit entbrannt ist, habe ursprünglich die Stadt erstellt, sagt Bösch. Seit August 2020 twittert er über die Vorgänge rund um seine Mauer, dokumentiert den Verlauf der Auseinandersetzung. Und taggt alle Personen und Institutionen, die ihm bei seinem Kampf helfen könnten. Viele Grossbuchstaben finden sich in seinen Tweets, als wolle er laut ausrufen.

Im Gespräch wirkt der 76-Jährige aber bedächtig, überlegt lange, bis er antwortet. Und sagt dann gar nicht viel, lieber antwortet er später schriftlich. Seine Antworten schickt er auch an Regierungsrätin Hartmann und Stadtrat Buschor.

Alles soll korrekt ablaufen. Es hiess, anstatt eine Hecke zu pflanzen, solle er lieber eine Mauer bauen. Wenn Walter Bösch erzählt, versteht man seinen Frust. Das Haus wurde gebaut, als die Strasse noch gar nicht fertig war. Um diese zu erstellen, habe man ihm Land weggenommen, die Strassenbauer hätten ihm zum Ausgleich die Gartenmauer gebaut.

Im Jahr 2000 sei die Strasse erneuert worden und in diesem Zug auch besagte Gartenmauer. 30 bis 50 Zentimeter hoch, aus Flusssteinen erstellt. Weil vor dieser Mauer im Winter immer der Schnee abgeladen wird, sei sie über die Jahre kaputtgegangen. Denn: «Mit Einführung des Busbetriebs änderte das Strasseninspektorat den Schneeräumungsplan. Die Stadt erstellt neu Schneedepots über meine ganze Grundstücksgrenze zur Strasse», so Bösch.

Anstelle der kaputten Mauer wollte er eine Thujahecke pflanzen. Der Strasseninspektor habe ihm gesagt, lieber nicht, wenn da der Schnee hingedrückt werde, sehe es bald furchtbar aus. Er solle doch ein neues Mäuerli bauen. Einen Meter hoch. Damit im Winter die Schneemassen davor abgeladen werden können

Der Nachbar zeigte ihn an

Walter Bösch baute – klärte das aber zuvor mit der städtischen Bauberatung ab, wie er sagt. Dort habe es geheissen, die Mauer sei nicht bewilligungspflichtig. 2018 liess Bösch sie neu erstellen. Ein Jahr später habe ein Nachbar ihn aufgefordert, anstatt der Mauer einen Veloabstellplatz zu erstellen. Bösch habe sich geweigert. Daraufhin habe der Nachbar ihn angezeigt, «denunziös», sagt Bösch. Der Abbruch der Mauer wurde verfügt. Er legte Rekurs ein. Der wurde vom Kanton zurückgewiesen. Das Ergebnis: Die Mauer muss abgebrochen werden.

Für die Stadt ist der Fall klar: Diese Mauer entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben. Walter Bösch sagt: «Ich verstehe die Welt nicht mehr.» Nach aufgelaufenen Kosten von 45’000 bis 60’000 Franken kapituliere er jetzt und ziehe nicht weiter vors Verwaltungsgericht.

Er ist verärgert: «Das kaltschnäuzige Abservieren durch Amtspersonen hat mich getroffen.» Und was die Krönung des Urteils sei: «Ich darf den Ursprungszustand, den einst die Stadt erstellte, nicht wiederherstellen. Wie nennt man ein solches staatliches Verhalten?»

„Ein einfacher Fall“

Nachfrage beim zuständigen Stadtrat Markus Buschor, Direktion Planung und Bau. Was sagt er zu dem langjährigen Streit um die Mauer? «Ich würde gerne zurückfragen, ob Sie sich vorstellen können, dass die Stadtverwaltung so unzuverlässig arbeitet?», antwortet Buschor. Es sei ein einfacher Fall, kein komplexer Sachverhalt und entsprechend klar. «Die Mauer entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben.»

Bösch sei von der Bauberatung informiert worden, wann eine Mauer bewilligungspflichtig ist. Vor dem Bau sei kein Gesuch eingereicht worden. Bösch habe mehrfach Kontakt mit der Bauberatung gehabt und sich über die gesetzlichen Grundlagen beim Bau einer Gartenmauer informiert. Aufgrund der Höhe wäre die Mauer, die Bösch erstellt habe, bewilligungspflichtig gewesen, sagt Buschor.

Die Bepflanzung hinter der Mauer wurde bereits entfernt. 

Im von Bösch angestrebten Rekursverfahren habe die Stadt einen Rückbau in der Höhe als mögliche Lösung vorgeschlagen. Das habe Walter Bösch nicht umsetzen wollen und den Rekurs entsprechend nicht zurückgezogen. Das Baudepartement stützte in der Folge in seinem Rekursentscheid den Entscheid der städtischen Baubewilligungskommission – und verfügte den Abbruch.

Markus Buschor sagt: «Jetzt ist die Situation leider festgefahren. Ich verstehe den Frust von Familie Bösch.» Aber die Bauordnung gelte für alle Bauwilligen. Buschor möchte trotzdem das Gespräch mit Bösch suchen – um ihm persönlich zuzuhören und entsprechend zu würdigen.

1 Kommentar

  1. René

    28.03.2021 / 22:26 Uhr

    Die Stadt darf einfach den Schnee auf ein fremdes Grundstück schieben und eine Hecke, resp. die ursprüngliche Mauer beschädigen? Das ist rechtens?

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