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21.11.2020

„Wieso wird das neue Schulhaus im Riethüsli so teuer?“

Tagblatt: Das Preisschild für das neue Schulhaus Riethüsli bereitet Kopfzerbrechen – darum kostet es rund 50 Millionen Franken.

Der Neubau des Primarschulhauses im Riethüsli ist unbestritten. Kritisch beäugt werden allerdings die Kosten von 47,8 Millionen Franken. Der Betrag liegt deutlich über dem, was Schulhausbauten sonst kosten.

 
Reto Voneschen, St. Galler Tagblatt vom 21. November 11.2020
 
Die von 1966 bis 1981 in Betrieb genommenen Bauten der Schulanlage im Riethüsli sind marode. Sie müssen saniert oder ersetzt werden. Daran zweifelt niemand. Das Quartier musste viel Geduld aufbringen, bis jetzt am 29. November über das Projekt für einen Schulhausneubau abgestimmt werden kann.

 
Die Vorlage ist unbestritten. Das von der Stadt vorgelegte Projekt überzeugt auch: Es zentralisiert den heute auf sechs Gebäude verteilten Schulbetrieb in einem Neubau im vorderen Drittel der zur Verfügung stehenden Fläche. Es ist gut strukturiert und funktional. Gebaut werden kann es erst noch ohne separates Provisorium.

Das Schulhaus heute. Es soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden.

Eine runde Vorlage mit einem stolzen Preis
Eigentlich stimmt alles an dieser Vorlage. Hört man die Diskussionen zum Wahl- und Abstimmungswochenende vom 29. November im eigenen Umfeld, gibt es aber einen Punkt, der etlichen Städterinnen und Städter vor dem Ausfüllen des Stimmzettels Kopfzerbrechen bereitet: der Preis des Neubaus. Er schlägt mit 47,8 Millionen Franken zu Buche. Das ist angesichts der Probleme der Stadtkasse unter anderem aufgrund der Coronakrise viel Geld. Und das ist erheblich mehr, als man es sich landläufig von einem Primarschulhaus gewohnt ist.

Wieso wird das neue Schulhaus im Riethüsli so teuer?
Hansueli Rechsteiner kennt natürlich den Spruch, dass die Stadt ihre Bauprojekte «vergolde», also systematisch zu teuer baue. Dieses Vorurteil ist dem Stadtbaumeister durchaus bekannt, bestätigen will er es aber nicht. Ein anderes Vorurteil sei, dass das Streben nach Baukultur und das Bauen mit Architekturwettbewerben Projekte verteure. Baukultur meine nicht möglichst schönes und abgehobenes Bauen mit teuren Materialien. Zur Baukultur gehörten all die vielen Entscheide und Weichenstellungen, die man in Zusammenhang mit so einem Projekt treffen müsse.

Der Architekturwettbewerb sei ein sehr bewährtes Instrument zur Qualitätssicherung. Bei der Jurierung gehe es neben gestalterischen und betrieblichen immer auch um ökonomische Aspekte. Immer würden Projekte bezüglich Bau- und Betriebskosten auf den Prüfstand gestellt. Ein Architekt, der diese Aspekte komplett der Ästhetik unterordne, habe eigentlich keine Chance einen Wettbewerb zu gewinnen.

Mehr als nur ein Primarschulhaus
Wieso aber kostet das Schulhaus Riethüsli jetzt 47,8 Millionen Franken? Für Stadtbaumeister Hansueli Rechsteiner ist dieser Betrag begründbar. Er rührt vom Umfang und von Besonderheiten des Vorhabens her. Da im Gegensatz zu anderen Gebäudekategorien für Schulhausbauten genügend Datenmaterial vorliegt, vergleicht die Stadt ihre Projekte anhand von Kennziffern mit ähnlichen Vorhaben in anderen Städten. Dabei zeige sich, dass man mit den Kennziffern für den Neubau des Schulhauses Riethüsli in der unteren Hälfte der Kostenskala lande, also sehr gut abschneide.

Bei einer Kennziffer gibt es gemäss Rechsteiner einen Ausreisser: bei den Vorbereitungsarbeiten. Sie schlagen mit 4,2 Millionen zu Buche. Das hänge mit der Topografie, der Zahl der abzubrechenden Bauten (darunter eine unterirdische Sanitätshilfsstelle) und der Schadstoffsanierung zusammen.

Stadtbaumeister Hansueli Rechsteiner bei der Vorstellung des Projekts anlässlich der Orientierungsversammlung im Riethüsli. Archivbild: EG, 7.3.2020

Ein Lift fürs Quartier und eine Tagesbetreuung
Ein Faktor für die Kosten ist der Umfang des Projekts: Dazu gehört die Lösung eines alten Verbindungsproblems zwischen Teufener Strasse und Gerhardtweg fürs Quartier. Dafür wird ein Zehn-Meter-Niveauunterschied mit einem öffentlichen Lift überwunden, was unabhängig vom Schulhaus zwischen 1,5 und 2 Millionen kosten würde.

Ins Schulhausprojekt integriert ist die Tagesbetreuung. Ein dafür überflüssig werdender Neubau unabhängig vom Schulhaus würde rund 6 Millionen kosten. Mehrkosten in der Grössenordnung von drei Millionen fallen für eine leicht grössere, dafür besser nutzbare Turnhalle, den Mehraufwand für die Begrünung der grossen Umgebung und für buchhalterisch auszuweisende Bauherrenleistungen an.

Zieht man alle diese Kosten ab, landet man für das Zwölf-Zimmer-Schulhaus mit Turnhalle, Aula und Bibliothek bei rund 33 Millionen. Darin enthalten sind noch Reserven von 6 Millionen Franken. Sie sind gemäss Hansueli Rechsteiner für Unvorhersehbares eingeplant. Diese Mittel könne man nicht einfach ausgeben, etwa für nachträgliche Wünsche. Ziel sei, sie nicht zu brauchen. Und mit den verbleibenden rund 27 Millionen Franken liegt das Riethüsli kostenmässig wieder im Rahmen anderer Primarschul-Neubauten der vergangenen Jahre.

Nachhaltig, flexibel und haushälterisch mit Boden
Stadtbaumeister Rechsteiner steht zu 100 Prozent hinter dem Projekt des Schulhauses Riethüsli. Man stelle einen Neubau hin, der seinen Preis habe, aber auch viel Mehrwert bringe. Das Gebäude sei in jeder Beziehung nachhaltig, versichert er.

So werde die Investition künftig tiefere Betriebs- und Erneuerungskosten auslösen. Das Gebäude selber sei von den Strukturen her so anpassungsfähig, dass man darin künftige pädagogische Entwicklungen ohne weiteres auffangen könne.

Nicht vergessen dürfe man, dass die Zentralisierung der Schule im vorderen Drittel der Parzelle Land freiräume, das spätere Generationen für andere Zwecke nutzen könnten. Auch das sei ein Mehrwert, sagt Hansueli Rechsteiner. Angesichts der Bodenknappheit in der immer dichter überbauten Stadt sogar ein nicht zu unterschätzender.

Kommentar der Stadtredaktion St. Galler Tagblatt:

Die Riethüsli-Kinder sind die hohen Investitionen ins Schulhaus wert
Das neue Schulhaus im Riethüsli kostet beinahe 50 Millionen Franken. Das ist viel Geld. Ein Ja am 29. November ist aber angezeigt. Das schreibt Daniel Wirth, Leiter Stadtredaktion, in seinem Kommentar.

 
Fast 50 Millionen Franken sind eine Stange Geld. Gerade in Zeiten der Coronapandemie, in denen der Stadt in den nächsten Jahren hohe Steuerausfälle, sich auflösendes Eigenkapital und eine Zunahme der Verschuldung drohen, ist die Frage erlaubt, ob solche hohen Investitionen in den Bau eines neuen Schulhauses sinnvoll sind oder nicht. Die Antwortet lautet: Sie sind es.

Die Schulinfrastruktur im Riethüsli-Quartier wurde mit Beginn in den 1960er- bis Anfang der 1980er-Jahre in Etappen gebaut; sie ist am Verlottern und entspricht nicht mehr den Anforderungen eines modernen Unterrichts. Die Stadt hat eine Sanierung geprüft und ist zum Schluss gekommen: Ein Neubau ist in der Abwägung der Kosten und des Nutzens sinnvoller als eine Renovation der alten Gebäude.

In den Baukosten von 47,8 Millionen Franken sind neben dem Schulhaus mit Platz für ein Dutzend Klassen auch der Bau einer Doppelturnhalle und Räume für die Tagesbetreuung von 111 Kindern eingeschlossen. Das Riethüsli, ein ausgesprochenes Familienquartier, erhält mit dem Neubau also viel mehr als bloss eine Schule – und das nach langer Wartezeit; 2013 war die Investition mit dem Sparpaket «Fit13plus» vorläufig auf Eis gelegt worden.

Die Schulkinder sind die hohen Investitionen wert, auch in finanziell schwieriger Zeit. Eines versteht sich von selbst: Die Planer müssen alles daran setzen, die einkalkulierten Reserven von rund 6 Millionen Franken nicht aufzubrauchen.

Daniel Wirth, Leiter Stadtredaktion St. Galler Tagblatt

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