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29.09.2023

„Wir werden im Gremium gehört und ernst genommen“

Zentrumsentwicklung Riethüsli: Gisela Bertoldo berichtet über das Vorgehen bei der Jurierung.

Gisela Bertoldo und Andreas Zanolari vertreten die Sicht des Quartier in der Jury Zentrumsentwicklung. Fotos: zVg.

Die Jurierung der einzelnen Wettbewerbsprojekte ist noch in vollem Gange, weshalb die Verantwortlichen keine Einzelheiten zu den Projekten nennen dürfen. Trotzdem gibt es rund um den Ablauf eines solchen Projekt- und Investorenwettbewerbs Spannendes zu berichten.

Gisela Bertoldo

Die Wenigsten wissen wohl, worauf bei einer Jurierung von eingereichten Wettbewerbsprojekte alles geachtet wird. Nebst den Plänen sind vor allem Gebäudemodelle, die im Massstab 1:500 die geplante Situation und die Umgebung darstellen, sehr wichtig. Manch ein*e Fachpreisrichter*in geht während der Besichtigungsrunde schon mal auf die Knie, um ein Wettbewerbsprojekt aus dem künftigen Sichtwinkel der Quartierbevölkerung zu betrachten.

Seitens Quartierverein Riethüsli nehmen Andreas Zanolari und Gisela Bertoldo als Quartiervertreter*in an der Jurierung teil – allerdings ohne Stimmrecht. Wir werden im Gremium aber gehört und ernstgenommen. Es wird jeweils viel diskutiert, bis eine Einigkeit zustande kommt.

Vielfältige Kriterien 

Bei einer Projektjurierung kommen viele Beurteilungskriterien zum Zug, wobei die Reihenfolge keiner Gewichtung entspricht. Ganz generell stellt sich zum Beispiel die Frage, was unter «Städtebaulicher Qualität» zu verstehen ist? Genau diese Frage habe ich einer Fachpreisrichterin auch gestellt. Die Fachpersonen schauen da beispielsweise, wie die Häuser in der Umgebung architektonisch gestaltet sind, wie hoch sie sind und welchen Charakter sie haben – und wie sich im Vergleich dazu das vorliegende Wettbewerbsprojekt verhält.

Städtebauliche Qualität hat aber auch stets mit dem Umgang der zur Verfügung stehenden Ressourcen und dem vorhandenen Freiraum zu tun. Es wird also der Frage nachgegangen, ob es angenehm wäre, im konkreten Wettbewerbsprojekt zu wohnen. Mit dieser und weiteren Fragen beschäftigt sich das ganze Gremium.

Ein Fachperson schaut sich die Gestaltung der Umgebung sehr genau an. Dies nennt sich dann «Freiraumqualität». Steht der Raum für die öffentliche Nutzung zur Verfügung oder wird er durch das Wettbewerbsprojekt geschlossen und ist nur für Bewohnende oder Restaurantbesuchende zugänglich? Besteht der Freiraum hauptsächlich aus vegetationsarmen, versiegelten Flächen oder hat es genügend Platz für Bepflanzungen? Wann und wo gibt es für welche Bewohnende Schattenwurf oder Lärmquellen?

Auch die Ökologie wird stark berücksichtigt. Die im Wettbewerbsprojekt verbauten Materialien werden nach genauen Richtlinien und Normen bewertet – zum Beispiel nach der Frage, wie viel Energie bei den verbauten Teilen für deren Herstellung aufgewendet werden muss oder wie gut die Bauteile nach einer möglichst langen Nutzungsdauer wiederverwertet werden können (Stichwort: Kreislaufwirtschaft). Dies ergibt zum Schluss eine Punktzahl, die ins Gesamtbild eingefügt wird.

Selbstverständlich werden auch Aspekte des Stadtklimas und der Quartierentwicklung berücksichtigt. Neben der Besonnung der Wohnungen wird beispielsweise darauf geachtet, auf welche Seite die Schlafzimmer angeordnet werden oder wie gross die Wohneinheiten sind, damit im Zentrum Riethüsli eine möglichst grosse Durchmischung der Bewohnenden erreicht wird. Schliesslich soll Wohnraum für Singles, für Familien, aber auch für jüngere und ältere Semester entstehen. Und auch die geplanten Lifteinheiten und Treppenhäuser werden in die Bewertung mit einbezogen.

Da im Zentrum Riethüsli eine Ladenfläche und ein Restaurant geplant sind, muss die Erschliessung für Parkierung und Anlieferung gut durchdacht sein. Es wird der Frage nachgegangen, von welcher Seite die zukünftigen Kundinnen und Kunden die Geschäfte erreichen können.

Alle diese Aspekte zusammen ergeben eine Gesamtsicht auf die eingegangenen Wettbewerbsprojekte.

In der Jury weiss übrigens niemand, welche Investorengruppe welches Wettbewerbsprojekt eingereicht hat. Um die Unbefangenheit der Fachpreisrichter*innen zu wahren, laufen sämtliche diesbezüglichen Informationen über ein Notariat. Die Wettbewerbsteams müssen für ein solches Vorgehen jeweils ihr Projekt unter einem Fantasienamen einreichen.

So wurden beispielsweise die Schulhausprojekte, welche für den Neubau der Primarschule Riethüsli in der engeren Auswahl standen, unter den Fantasienamen «Agora», «Plateau», «Plateaux», «Tribhanga» und «Punkt» juriert. Das Rennen gemacht und deshalb zum Siegerprojekt erkoren wurde damals bekanntlich das Schulhausprojekt «Punkt», welches nun zur Umsetzung gelangt.

Unter welchem Namen das neue Quartierzentrum Riethüsli entsteht, muss sich erst noch erweisen.

September 2023, Gisela Bertoldo

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